Am 9. April steht das Holzhaus in einer Kreisgemeinde in Flammen. Foto: Archiv: Schmidtke

Angeklagte hat im April ihr Haus angezündet. Strafe: Ein Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Frau muss Suchtberatung kontaktieren.

Kreis Rottweil - Trotz widersprüchlicher Aussagen des Mannes, trotz einiger aus heutiger Sicht nicht mehr zu klärenden Abläufe, ist für das Gericht klar: Die Angeklagte hat im April ihr Haus in einer Kreisgemeinde angezündet. Dafür wurde sie am Dienstag zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung: So lautet das Urteil für die 60-jährige Angeklagte. Die zweijährige Bewährungszeit ist für die Frau eine Zeit, die sie auch nutzen soll, um ihre Alkoholabhängigkeit in den Griff zu bekommen – dabei sollen Pflichttermine bei der Suchtberatung helfen – und, mithilfe eines Bewährungshelfers, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Denn vor der Realität hatten sie und ihr 59 Jahre alter Ehemann in der Vergangenheit die Augen oft genug verschlossen.

Umso größer war offenbar der Schock für die Frau, als sie Anfang des Jahres begriff, wie ernst die finanzielle Lage des Paars war. So ernst, dass die beiden tatsächlich ihr Traumhaus, dieser Begriff fiel in der Verhandlung immer wieder, bei einer Zwangsversteigerung verlieren sollten.

In der Urteilsbegründung zeichnete Richter Karlheinz Münzer den Weg zu diesem Traumhaus aus Holz nach. Bereits mit 15 Jahren hatte die Frau ihr Elternhaus in der Kreisgemeinde verlassen. Nach einer abgebrochenen Ausbildung in der Gastronomie hatte sie Aushilfsjobs übernommen, bis sie 20 Jahre lang in einem Stuttgarter Café bediente. Nach einem Bandscheibenvorfall war sie nur noch geringfügig beschäftigt, zuletzt gar nicht mehr. Sie kümmerte sich um den Haushalt, ihr Mann – inzwischen Frührentner, aber zuvor lange bei der Telekom angestellt und nach einem Abschied mit satter Abfindung 2008 als Taxifahrer beschäftigt – schaute, dass Geld hereinkam. Das wurde zunehmend schwierig. Er scheiterte als selbstständiger Taxiunternehmer in Stuttgart und arbeitete in der Folge unregelmäßig als Fahrer.

Mit dem 59-Jährigen ist sie seit 1992 verheiratet. 2006 beschlossen sie, ihren Traum vom Eigenheim in Holzbauweise im Heimatort der Frau zu verwirklichen.

Obwohl die Eheleute viel Eigenkapital mitbrachten, hatten sie sich mit dem Hausbau übernommen. Ein Verkaufsversuch im vergangenen Jahr scheiterte, dabei hatte das Paar 2014 beschlossen, nach Kreta auszuwandern. Anfang des Jahres kündigte die Bank das Darlehen und beantragte die Zwangsversteigerung. Damit wurde die Lage prekär, im April drohte die Zwangsversteigerung.

Ein unerträglicher Gedanke für die Frau: Fremde Leute sollten ihr Haus besichtigen, gar dort leben? 21 Zeugen und zwei Sachverständige wurden während der Beweisaufnahme gehört. Mit einer Zeugin, einer guten Freundin, hatte die Angeklagte am Morgen des 9. April noch telefoniert. Verzweifelt sei sie damals gewesen, und habe geweint. Der Mann sei ihr kein Ansprechpartner gewesen. Er war offenbar in der Nacht zuvor in Stuttgart gewesen, erst frühmorgens nach Hause gekommen, habe den Hund versorgt und sei dann ins Bett gegangen.

Die Frau putzte unterdessen, wie schon in den Tagen davor, das Haus. Eine Vitrine mit Spiritus, dem wahrscheinlichen späteren Brandbeschleuniger, den sie im Erdgeschoss verteilt und entzündet hatte. Schon nach kurzer Zeit stand das Holzhaus in Flammen. Auch wenn die Angeklagte nach eigenen Angaben eine 24-Stunden-Erinnerungslücke hat: Dass sie ihr eigenes Haus angezündet hat, daran hat das Gericht keinen Zweifel. "Sie tat das ohne Zutun oder Wissen und Wollen des Mannes", war sich Karlheinz Münzer sicher.

Ob sich dieser währenddessen im Gästezimmer im Obergeschoss aufhielt, wie er direkt nach dem Brand ausgesagt hatte, oder sich, wie er vor Gericht plötzlich angab, außerhalb des Gebäudes befand, konnte die Kammer nicht klären. Für das Urteil spielte dieses Detail auch keine Rolle – obwohl der Vorwurf nicht nur auf schwere Brandstiftung und fahrlässige Körperverletzung, sondern auch auf versuchten Mord gelautet hatte.

Dafür gab es nach Ansicht des Gerichts keine Hinweise: "Sie hat in diesem Moment nicht an ihren Ehemann gedacht", erklärte Münzer. Vielmehr handle es sich um eine "affektive Entladung nach emotionaler Zuspitzung": Der Gedanke, ihr Haus zu verlieren, habe bei der depressiven und alkoholabhängigen Frau – sie hatte zur Tatzeit über 2,3 Promille Alkohol im Blut – dazu geführt, dass sie das Feuer legte. "Sie war apathisch", erklärte der Richter.

"Es handelt sich um einen atypischen Fall von Brandstiftung." Dem habe das Gericht bei der Bemessung des Strafmaßes Rechnung getragen. Auch deshalb, weil das Ehepaar in dem Feuer alles verloren hat. Was bleibt, sind Schulden von 230 000 Euro. Die Angeklagte müsse jetzt, nach der Verurteilung, ihr Leben komplett neu ordnen.

Mit dem Strafmaß entsprach das Gericht der Forderung der Anklage. Der Verteidiger hatte lediglich dafür plädiert, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Das ist der Fall, und die Frau kehrt zu ihrem Mann zurück: Sie kommt wie er zunächst bei einer seiner Schwestern unter.