Pause im Mordprozess um den Wilflinger Todesschützen. Am 7. März geht es weiter. Foto: Schickle

Psychiatrische Expertise kommt erst am 7. März zur Sprache. Schlussfolgerungen werden angezweifelt. Urteil für 21. März geplant.

Kreis Rottweil - Der Mordprozess um den Wilflinger Todesschützen wird unterbrochen. Grund ist das psychiatrische Gegengutachten der Nebenklage. Es kam jetzt auf den Tisch. Die Verteidigung benötigt mehr Zeit, es durchzuarbeiten. Ein Konflikt ist hier programmiert. Das Urteil wird für den 21. März erwartet.

Der Mordprozess vor der Ersten Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil geht in die entscheidende Phase. Dabei zeichnet sich ein Gutachterstreit ab. Am gestrigen fünften Verhandlungstag soll der vom Gericht beauftragte Gutachter Ralph-M. Schulte aus Gemmrigheim (Landkreis Ludwigsburg) seine psychiatrische Expertise über den Angeklagten vortragen. Es kommt aber nicht dazu.

Grund ist ein von der Nebenklage in Auftrag gegebenes Gutachten des Tübinger Psychiaters Peter Winckler, das die Verteidigung erst am Vortag zu Gesicht bekommt. Laut dem Verteidiger, Rechtsanwalt Hans-Christoph Geprägs aus Tübingen, blieb zu wenig Zeit, um sich darin einzuarbeiten. Er sieht sich so nicht in der Lage, Schultes Expertise entsprechend zu würdigen. Er müsse den Schriftsatz Wincklers genau kennen, sonst könne er Schulte keine sinnvollen Fragen stellen, so Geprägs. Eventuell müsse er dazu weitere Experten zu Rate ziehen. Daher stimmt er auch dem Vorschlag des Vorsitzenden Richters Karlheinz Münzer nicht zu, die Verhandlung am Nachmittag, nach einer mehrstündigen Pause, fortzusetzen.

Schulte hat im Auftrag des Landgerichts zunächst ein vorläufiges Gutachten über den Angeklagten erstellt. Zudem beobachtet er den Angeklagten während des Prozesses. Beides fließt in eine endgültige Beurteilung ein, die er dem Gericht präsentieren wird. Der Schriftsatz Wincklers indes birgt Sprengstoff. Er wirft dem Kollegen den Äußerungen Geprägs folgend methodische Mängel, Fehler in der Analyse und falsche Schlussfolgerungen vor.

Schulte soll, so berichtet einer der beiden Anwälte der Nebenklage, Matthias Bergmann aus Schramberg-Sulgen, dem Angeklagten, der seinen Nachbarn mit der Pistole tötete, eine "mittelgradige Depression" attestiert haben. Von einer "akuten Belastungsreaktion" sei in dem Gutachten die Rede, weshalb Schulte auf eine "mangelnde Steuerungsfähigkeit" und "verminderte Schuldfähigkeit" schließe.

Die Verteidigung zeigt sich von dem Gegengutachten irritiert. Es sei überrascht, dass Winckler seinem Kollegen solche Fehler unterstelle, äußert Geprägs, der beide Fachärzte schätze. Er stellt den Antrag auf eine mehrtägige Unterbrechung der Hauptverhandlung. Dem gibt Münzer nach einer Pause statt – aus Gründen der "Fürsorgepflicht gegenüber dem Angeklagten" und, um einen "fairen Prozess" zu gewährleisten. Das psychiatrische Gutachten wird nun am Freitag, 7. März, vorgetragen.

Es ist ein wichtiger Termin für alle Prozessbeteiligten. Die Frage der Schuldfähigkeit, die an diesem Tag vermutlich ausführlich diskutiert werden wird, wirkt sich direkt auf die Strafzumessung aus. Im vorliegenden Fall liegt die Spannbreite einer Gefängnisstrafe zwischen drei Jahren und lebenslänglich.

Die psychische Verfassung des Täters zur Tatzeit ist der zweite interessante Komplex in diesem Fall. Der erste ist die Frage, ob die Tat das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. So bewertete die Erste Schwurgerichtskammer den Vorfall und eröffnete das Hauptverfahren wegen heimtückischen Mordes. Die Staatsanwaltschaft hatte noch wegen Totschlags angeklagt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Opfer wusste, dass der Täter, der im Schützenverein aktiv war, eine Waffe besaß. Hierzu gab es während der Verhandlungstage unterschiedliche Angaben. Während die Zeugen der Verteidigung, unter anderem die Frau des Angeklagten, aussagte, gegenüber dem Getöteten von den Waffen ihres Mannes gesprochen zu haben, teilte die Witwe im Zeugenstand mit, davon nichts erfahren zu haben. Sonst wäre man sofort ausgezogen, sagte sie.

Keine neuen Erkenntnisse bringt die Zeugenaussage der Ärztin, in deren Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie in Rottweil der Angeklagte behandelt wurde. Alexandra Schöllhammer sagt, sie könne sich an den Angeklagten nicht erinnern. Auch auf mehrmalige, teils hartnäckige Fragen von Rechtsanwalt Geprägs, blieb sie dabei: keine Erinnerung an Mustafa Y.

Hier geht es darum, ob die Praxis trotz der anerkannten 50 prozentigen Schwerbehinderung des Angeklagten dem Führen von Waffen grünes Licht gab. u Die Verhandlung wird am Freitag, 7. März, 9 Uhr, mit dem psychiatrischen Sachverständigengutachten fortgesetzt. Die Schlussvorträge sind am Dienstag, 11. März, ab 9 Uhr vorgesehen, die Urteilsverkündung am Freitag, 21. März, um 14 Uhr.