Kreis Rottweil - Die Entscheidung über die Zukunft der Kliniken im Kreis Rottweil ist gefallen. Der Berliner Klinik-Konzern Helios hat den Zuschlag erhalten. 25 Räte stimmten dafür, 18 dagegen. Das bedeutet das Aus für die Schramberger Klinik. Der Entscheidung ging eine mehrstündige Debatte voraus. Ob der Beschluss juristisch wasserfest, wird sich noch erweisen müssen. Es gilt als sicher, dass der unterlegene Betreiber, Ameos, die Gerichte anrufen wird.

Kurz vor 18 Uhr hatte die Aussprache begonnen. Kreisrat Georg Schumacher sprach sich im Namen der Mehrheit der CDU-Fraktion für Helios aus, ebenso wie Thomas Engeser für die Freien Wähler. Die SPD-Fraktion, für die Ruth Hunds redete,  zeigte sich gespalten: drei für Ameos, zwei für Helios. Dieter Kleinmann ließ wissen, dass sich die FDP mehrheitlich für Helios entschieden habe. Bernd Richter und Alois Fleig von der ÖDP sprachen sich für Ameos aus, Max Burger und Reiner Hils von den Grünen für Helios. Mit Applaus quittierten die etwa 600 Zuhörer die Ankündigung von CDU-Kreisrat und Landtagsabgeordnetem Stefan Teufel, für Ameos stimmen zu wollen.

Der heutigen entscheidenden Sitzung ist ein jahrelanges Ringen um die Zukunft der Kliniken vorausgegangen. Schon einmal hätte es der Durchbruch in der bislang vermurksten Geschichte der Kreiskliniken im Landkreis Rottweil werden sollen. Das war im Juli vergangenen Jahres. Die Kreisräte kamen in der Stadthalle Rottweil zusammen, um über eine eventuelle Privatisierung der Krankenhäuser abzustimmen, in die von Jahr zu Jahr immer mehr Geld gepumpt werden mussten, um die Defizite in Millionenhöhe auszugleichen. Die Abstimmung endete im Desaster. Nach stundenlangen Beratungen und einem Abstimmungsmarathon stand der Landkreis vor einem Scherbenhaufen, so gut wie vor dem Nichts.

Wie es dazu kam? Ursache sind damals wie heute lokalpatriotische Egoismen, die sich ausbreiten können, weil niemand da ist, der sie eindämmt. Landrat Wolf-Rüdiger Michel, der die Debatte lenken und leiten sollte, ist dafür offensichtlich nicht in der Lage. Die Fraktionen sind in sich zerstritten, der CDU-Fraktionschef Martin Maurer aus Schramberg versteht es am besten, in dieses politische Vakuum mit Schramberger Forderungen und Interessen zu stoßen.

Am 26. Juli haben die Kreisräte, wie heute, die Wahl zwischen zwei Unternehmen, die die Kliniken, damals war auch noch das Oberndorfer Haus mit im Boot, in Eigenregie führen wollen. Es sind dies MediClin und Helios. Ja, auch Helios, ist darunter. Und schon damals macht der Konzern mit Sitz in Berlin keinen Hehl daraus, das Schramberger Haus schließen zu wollen. Damals wie heute muss Helios dafür massive Anfeindungen aus der Schramberger Fraktion erleiden.

Schon einmal war es so weit

Das Abstimmungsprozedere ist festgelegt: Zuerst wird über Helios abgestimmt, dann über die kommunale Lösung, schließlich über MediClin. Es ist das Haus, das für die Schramberger die beste Lösung verspricht. Der Bericht des Schwarzwälder Boten vom Tag danach führt einem das Dilamma bei der Abstimmung vor Augen: “Von den 47 anwesenden Kreisräten - Ratsmitglied Hermann Acker, zugleich Oberndorfer Bürgermeister und damit Chef des städtischen Krankenhauses, verfolgte das Geschehen von den Zuschauerrängen - stimmten 21 für Helios, 23 dagegen, drei enthielten sich. Für das kommunale Konzept votierten zwölf Räte, 33 waren bei zwei Enthaltungen dagegen. Bei MediClin war das Ergebnis 15 pro, 31 dagegen, eine Enthaltung. Damit waren alle drei Lösungen abgelehnt.” 

Nach mehr als fünf Stunden und weiteren Abstimmungen setzt sich die öffentlich-rechtliche Lösung durch. Sie wird als die zweitschlechteste Lösung gesehen und ihr Ende ist absehbar. Beschleunigt wird dies durch das Ausscheren der Stadt Oberndorf. Bis dato sollte das städtische Krankenhaus in eine gemeinsame Gesellschaft oder Ähnliches eingebracht werden. Doch nur einen Tag später beschließt der Oberndorfer Gemeinderat einen eigenen Weg einzuschlagen. Zu lange geht das Prozedere den Gemeinderäten schon. Ein Jahr lang ließ man sie am ausgestreckten Arm verhungern, so deren Eindruck. Das Tischtuch zwischen Bürgermeister Hermann Acker und Landrat Wolf-Rüdiger Michel ist zerschnitten. Im Kreis tut sich eine Kluft auf.

Plötzliche Kehrtwende im September

Das Ende der kommunalen Lösung für die Kreiskliniken kommt im September 2010. Am 20. September vollzieht der Kreistag eine erneute Kehrtwende. Beinahe zum Entsetzen des Geschäftsführers des Schwarzwald-Baar-Klinikums Rolf Schmid, der bis dato von einer Kooperation mit dem Landkreis Rottweil ausgeht, spricht sich der Kreistag mit 37 Ja-Stimmen für die Privatisierung der Kreiskliniken aus. Alles beginnt wieder von vorne. Es gibt wieder ein Bieterverfahren, dieses Mal ein strukturiertes, wieder mit der Stuttgarter Kanzlei Reith, Schick und Partner, die die Ausschreibung organisiert und leitet. Landrat Michel, bislang nicht als starker Lenker in der Debatte aufgefallen, versteckt sich vollends hinter dem Verfahren und vor allem dem Stuttgarter Büro. Monatelang ist von ihm öffentlich nichts zu erfahren. Dann, Anfang Februar, sickert das Ergebnis durch. Es gibt zwei private Klinikbetreiber, die jeweils die Klinikgesellschaft des Landkreises übernehmen wollen. Es sind zwei Altbekannte. Helios, schon im vorigen Sommer mit von der Partie, und Ameos. Die Ameos-Gruppe mit Sitz in Zürich will auch das Oberndorfer Haus übernehmen und kommt nicht zum Zug. Unfassbar für Schramberg: Helios hält weiterhin am Aus für Schramberg fest, Ameos hingegen sichert zu, beide Häuser halten zu wollen. Unfassbar deshalb, da Helios nach Auswertung des strukturierten Verfahrens mehr Punkte erzielt als Ameos.

Schramberg empört sich und kämpft

Die Empörung in Schramberg ist groß. Auch, weil man in der Fünftälerstadt denkt, dass es eine Rottweiler Gruppe einschließlich des Landrats gibt, die klammheimlich an einer für die ehemalige freie Reichsstadt besonders günstigen Lösung bastelt. Diese Lösung soll Helios heißen. In Schramberg setzt man alles daran, das Blatt zu wenden. Bis zu letzten Minute. In zig Leserbriefen und großen Anzeigen wird Stimmung gemacht und an die Kreisräte appelliert, die richtige Entscheidung, und das ist Ameos, zu treffen. Auch der Schramberger Oberbürgermeister Herbert O. Zinell spricht sich in Schreiben an die Presse und die Kreisräte für diese Lösung aus. Der CDU-Fraktionschef im Kreistag, Marin Maurer, der aus Schramberg kommt, lässt auf eigene Rechnung das Bieterverfahren überprüfen, insbesondere den Punkt, welches Angebot der Ameos Ag zu berücksichtigen sei. Die Kanzlei Luther aus Eschborn, Leipzig, widerspricht der Auffassung des Landrats und sagt, „es ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern rechtlich geboten, das notariell beurkundete Angebot der Ameos AG vom 10. Februar 2011 auszuwerten und zu bewerten“. In Rottweil hält man sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Zwar wendet sich der Oberbürgermeister Ralf Broß mit fast allen Fraktionssprechern des Gemeinderats ebenfalls an die Öffentlichkeit, sprechen aber keine eindeutige Empfehlung aus. Bevorzugt wird indes die Helios-Lösung. Man könne nicht erkennen, wie sich im Landkreis drei Krankenhäuser halten könnten, so Broß an anderer Stelle.