Zu wenig Zeit für eine zu fahrende Strecke soll Arbeitnehmern einer Firma aus einer Rottweiler Kreisgemeinde von ihren Chefs eingeräumt worden sein. Foto: ADAC

Chef eines Transportunternehmens soll Arbeitsentgelt veruntreut und Beschäftigte übervorteilt haben.

Kreis Rottweil - Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 239 Fällen lautete am Donnerstag die Anklage gegen den Geschäftsführer einer Firma in einer Rottweiler Kreisgemeinde und dessen Frau vor dem Amtsgericht Rottweil. Das Verfahren wurde vertagt, um weitere Zeugen zu hören.

In einem Zeitraum zwischen 2009 und 2012 sollen der Geschäftsführer Unternehmens in einer Rottweiler Kreisgemeinde und seine Frau Arbeitsentgelt in Höhe von über 180.000 Euro vorenthalten und veruntreut haben. Betroffen sind Versicherungen wie IKK, BKK und DAK. Des Weiteren steht der Vorwurf des Lohndumpings im Raum, weil Arbeitszeiten nicht in vollem Umfang berechnet wurden.

Da die Angeklagten selbst ihr Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nahmen, wurde als erster ein 59-jähriger Zollbeamter in den Zeugenstand gerufen. "Bereits im Herbst 2011 hat die Polizei Rottweil erste Hinweise bekommen, dass bei einigen Fahrern der Firma keine Sozialversicherung angemeldet ist", sagte er aus. Im Laufe der Ermittlungen habe sich dieser Verdacht zerstreut, allerdings habe man herausgefunden, dass einige Arbeitnehmer als scheinselbstständig angestellt waren. Die mitangeklagte Ehefrau sei seiner Auffassung nach für die Finanzbuchhaltung der Firma verantwortlich gewesen.

Ungereimtheiten in den untersuchten Lohnabrechnungen gebe es beispielsweise bei der Aufführung der Stellen, an denen die Fahrer ihre Fahrzeuge ent- beziehungsweise beluden. "Die Arbeitszeit wurde plötzlich als reine Fahrzeit bezeichnet, und das waren deutlich weniger Stunden als noch davor." Bis dahin sei aber alles korrekt abgerechnet worden, so der Zeuge.

Kritisch sei es ab Juni 2009 geworden. "Hier findet man in den Abrechnungen einen Verpflegungsmehraufwand", so der Zeuge. "Dieser Betrag ist steuerfrei und deshalb nicht statthaft." Widersprüchlich zeige sich auch, dass die Arbeitszeit in den Arbeitsverträgen korrekt festgelegt sei mit Belade- und Entladezeiten sowie Fahrzeugpflege. In der Abrechnung tauchten dann aber nur die Stunden über reine Fahrzeiten auf.

Zusätzlich seien Strafzahlungen für vermeintlich gefahrene Umwege und platte Reifen bei den beschäftigten Fahrern veranschlagt worden, was versicherungsrechtlich ebenfalls nicht statthaft sei. Zu dem Abrechnungsprozedere blieben beim gestrigen Prozesstag noch viele Fragen offen. Der Zollbeamte verwies auf eine Kollegin, die diese Rechnungen aufgestellt hatte, gestern allerdings nicht anwesend war.

Der zweite Zeuge, ein ehemaliger Beschäftigter der Firma, betreibt selbst ein Einzelhandelsunternehmen. Während seiner neunmonatigen Tätigkeit für das Unternehmen im Jahr 2010 sei er vom Angeklagten angerufen worden, wenn ein Mitarbeiter erkrankt oder im Urlaub gewesen sei. "Wenn ich da gerade Zeit hatte, bin ich für die Firma gefahren", berichtete er. Bei der Frage, ob er angestellt gewesen sei, verneinte er. "Ich habe auf selbstständiger Basis gearbeitet." Das Fahrzeug habe er von der Firma genommen, bei der Wahl der Strecke sei ihm freie Hand gelassen worden. Benzin und Maut habe das Unternehmen gezahlt. Seine Rechnungen habe er immer selbst aufgeschrieben und am Wochenende an die Firma geschickt. "Manchmal wurde der Lohn überwiesen, ab und zu hat ihn meine Lebensgefährtin persönlich abgeholt", erzählte er.

Ein weiterer Zeuge wurde am Donnerstag gehört. Auch er war ab 2009 ein Jahr bei den Angeklagten beschäftigt. "Es war heftig von den Stunden her", sagte er aus. Es habe von den Lenk- und Ruhezeiten überhaupt nicht gepasst. "Die Pausen waren viel zu kurz, man musste zu viele Kilometer an einem Tag schaffen." Außerdem sei nach einiger Zeit sein Lohn von Monat zu Monat weniger geworden. "Ich habe dann bei der Angeklagten angerufen. Danach passte es eine Weile wieder, dann wurde es wieder weniger", so der 53-jährige Zeuge.

Da die Angeklagten nicht aussagten, entschied sich die Richterin dazu, die Verhandlung zu vertagen. "Mir reichen diese Zeugen nicht, um eine Entscheidung treffen zu können", erklärte sie. Die Verhandlung wird in einigen Wochen fortgesetzt. Dann sollen weitere Arbeitnehmer der Angeklagten sowie die Kollegin des ersten Zeugen vernommen werden.