Der 79-jährige Peter Waßer fühlt sich auf einem Sofa mit Ella Schneider (Mitte) und Marianne Hilser gut aufgehoben. Foto: Parage

Peter Waßer findet neues Zuhause. Leben in Gastfamilien ist für Senioren Alternative zum Heim.

Kreis Rottweil - Peter Waßer hat auf seine alten Tage einige Umzüge hinter sich bringen müssen. Jetzt ist der 79-Jährige angekommen: Statt im Altersheim lebt er bei Familie Hilser.

"Das ist ein Gottesgeschenk, dass man nicht in ein Heim kommt, sondern in eine Familie", findet Peter Waßer. Damit hat er alles gesagt: Es gefällt ihm bei Marianne Hilser und ihrer Familie in Weiler.

Die 59-Jährige arbeitet in einem Altenpflegeheim. Oft hat sie dabei nicht die Zeit, sich so intensiv mit den Bewohnern zu beschäftigen, wie sie das gerne würde. Dann hat sie Senioren aus Gastfamilien getroffen und gedacht: "Das ist eine super Sache."

Viele Ältere, die nicht mehr allein leben können, haben keine Wahl: Sie müssen in ein Heim umziehen. Dort allerdings sei die Versorgung in der Regel nicht so individuell und liebevoll wie in einer Gastfamilie, erklärt Lothar Seiter vom Fachdienst Netzwerker.

Die "Netzwerker", die ihren Sitz in Zimmern-Stetten haben und betreutes Wohnen in Familien in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg vermitteln, versuchen, für jeden Kandidaten die passende zu finden. Vermittelt werden Senioren sowie Menschen mit seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung. Vor der endgültigen Entscheidung besteht die Gelegenheit, sich zu beschnuppern. "Die ›Netzwerker‹ haben ein gutes Gespür dafür, wer passen könnte", findet Hilser.

Absprachen sind A und O

Die Weilerin hat ihre Arbeit in der Pflegeeinrichtung reduziert und dafür Peter Waßer bei sich aufgenommen. Ohne die Unterstützung ihrer Familie ginge das nicht, Planung eine gute Absprache seien das A und O. Doch es klappt gut in der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft. So gut, dass vor Kurzem noch die Mutter ihres Lebensgefährten, die 85-jährige Ella Schneider, eingezogen ist. Für Marianne Hilser war das selbstverständlich. Eine Fortsetzung ihrer Arbeit im Heim sei das nicht. "Das ist das Familienleben." Manche hätten Pflegekinder, "wir haben halt einen Pflege-Opa".

Gastfamilie und Mitbewohner nehmen alle Mahlzeiten gemeinsam ein, morgens hilft Hilser Peter Waßer, sich fertig zu machen, und sie unternehmen Ausflüge. Der erste, kurz nach seinem Einzug im Juli 2015, führte zum Aufzugtestturm nach Rottweil. Waßers Kommentar: "Zivilisationswüste." "Der erste Ausflug war gleich ein Schuss in den Ofen", erinnert sich die 59 Jahre alte Marianne Hilser lachend.

Zweimal am Tag geht sie mit ihrem Schützling auch spazieren. Die frisch gewonnene Struktur im Alltag tue der ganzen Familie gut. Und im Sommer spielt sich das Familienleben oft im Freien ab. "’S Jartenvergnügen", sagt Peter Waßer. "Das ist Berlinerisch." Wenn er erzählt, dann blitzt immer wieder sein noch wacher Geist durch.

Früher war der alte Herr Berufsmusiker. Durch eine Krankheit musste er lange aussetzen. Jetzt, bei den Hilsers, spielt er wieder Geige. Jeden Tag übt er in seinem Zimmer, letztes Weihnachten hat er für seine neue Familie musiziert. Unterstützt wird diese von den "Netzwerkern". Durch regelmäßige Besuche, den Kontakt zu Behörden und, wenn die Hilsers in Urlaub fahren wollen.

Die Gastfamilien werden für ihre Mühe finanziell entschädigt, für Verpflegung, Wäsche, Nebenkosten und Unterkunft erhalten sie im Landkreis Rottweil etwas über 500 Euro monatlich. Dazu kommt ein Betreuungsentgelt von gut 300 Euro und gegebenenfalls Leistungen aus der Pflegeversicherung. Das Geld allerdings sollte nicht der Grund sein, warum eine Familie jemanden ein neues Zuhause schenkt. Marianne Hilser sagt, sie mache ihre Aufgabe "aus dem Herzen heraus". So wie sie später selbst einmal versorgt werden möchte, so kümmert sie sich heute um Peter Waßer. Und der blüht dabei auf, macht auch körperlich Fortschritte.

"Frau Hilser ist meine Wahlschwester", erklärt er knitz. Erst kürzlich hat er ihr mitgeteilt, dass es ihm noch nie in seinem Leben so gut gegangen sei. Auch aus Sicht von Marianne Hilser passt alles: "Ich hab zu Peter gesagt: Er darf bei uns bleiben, bis er die Augen zumacht."

Weitere Informationen: Die "Netzwerker" suchen laufend neue Gastfamilien. Infos gibt es unter www.fachdienste-netzwerker.de.