Viele Wege führen zum Ziel. Doch welcher ist der beste? Eltern von Viertklässlern entscheiden in diesen Tagen über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder. (Symbolfoto) Foto: dpa

Schule: Was kommt nach der vierten Klasse? Viel Neues erschwert Eltern die Wahl. Mit Kommentar.

Kreis Rottweil - Wer in diesen Zeiten einen Sprössling im Grundschulalter, womöglich schon in der vierten Klasse hat, ist nicht zu beneiden: Im System der weiterführenden Schulen ist ununterbrochen Bewegung, neue Schulverbünde, neue Betreuungsformen – den Überblick zu bewahren, ist schwierig.

Rund 5100 Grundschüler gibt es derzeit im Landkreis Rottweil. Und für deren Eltern stellt sich spätestens in der vierten Klasse die Frage: Wie sieht der optimale Bildungsweg für mein Kind aus? Welche weiterführende Schule ist geeignet? Wo wird es weder unter- noch überfordert? Wo stimmt das Profil, das Angebot? Hat die Werkrealschule Zukunft? Ist das achtjährige Gymnasium zu hart? Und wie ist das mit der neuen Gemeinschaftsschule? Wir wollen in unserem Schwerpunkt Schule einen Überblick geben und die aktuellen Entwicklungen aufzeigen. Und das ist gar nicht so einfach, angesichts der vielen Neuerungen in der Schullandschaft des Kreises.

Ganz aktuell: Seit 10. Februar steht fest, dass der Landkreis im kommenden Schuljahr zwei neue Gemeinschaftsschulen bekommen wird. Der neue Schulverbund aus Realschule und Graf-von-Bissingen-Schule in Schramberg, die Erhard-Junghans-Schule, erhielt ebenso grünes Licht vom Kultusministerium, als Gemeinschaftsschule ins kommende Schuljahr zu gehen, wie die Eschachschule in Dunningen.

Vorreiter im Kreis war die Deißlinger Aubert-Schule, die im Verbund mit der Schule in Niedereschach bereits seit diesem Schuljahr Gemeinschaftsschule ist. Die dortigen Fünftklässler sind der erste Jahrgang, der nun die Möglichkeit hat, wohnortnah den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 und 10, den Realschulabschluss nach Klasse 10 oder entsprechend des G9 zum Abitur zu gelangen. Beim Start wurde von den Kooperationspartnern ausdrücklich betont, dass die Gemeinschaftsschule eben nicht die Ersatzschule für die Haupt- und Werkrealschule ist, sondern eine neue Schulform, die durch ihre Arbeitsweise den Schülern mehr Raum zur individuellen Entwicklung gibt. Ziel sei es, den möglichst höchsten Schulabschluss für jedes Kind zur erlangen. Gemeinschaftsschule setzt auf ein längeres gemeinsames Lernen, weg von der Festlegung auf einen Bildungsweg schon nach der vierten Klasse.

Vom Land Baden-Württemberg heißt es hierzu: "Gemeinschaftsschulen tragen durch individuelles Lernen zu mehr Chancengleichheit bei und sichern insbesondere im ländlichen Raum wohnortnahe Schulstandorte mit einem breiten Angebot an Schulabschlüssen."

 Inwieweit und in welcher Form jedoch die Sekundarstufe II, also der Weg zum Abitur, an den Gemeinschaftsschulen vor Ort umgesetzt wird, steht noch weitgehend in den Sternen. Zunächst wird mit Klasse fünf begonnen und dann sukzessive aufgestockt. Eltern, deren Kind ein klarer Fall für das Gymnasium ist, dürften deshalb eher zur klassischen Variante tendieren – auch wenn hier die hohen Anforderungen des "G8" manchen abschrecken.

Seit 2011: Haupt- und Werkrealschulen haben das Nachsehen

Weil in Rottweil das Angebot an Schulen und den entsprechenden Abschlüssen ohnehin sehr breit ist – inklusive der nun seltener werdenden klassischen Realschule –, tut man sich hier mit der Gemeinschaftsschule schwer. Eine Entscheidung in diese Richtung wurde vom Gemeinderat um ein weiteres Jahr vertagt. Aufgrund der klaren Tendenz, dass seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung viele auf Realschule oder Gymnasium gehen, investiert die Stadt in zusätzliche Schulräume auf dem Campus.

Während auf der einen Seite Räume fehlen, haben die gebeutelten, kleineren Haupt- und Werkrealschulen im Landkreis Mühe, ihre Räume überhaupt zu füllen.

Die Übergangszahlen von Viertklässlern auf die Hauptschule beziehungsweise seit 2011 Werkrealschule sind rasant nach unten gegangen: Vor zehn Jahren wechselten laut Angaben des statistischen Landesamtes im Kreis Rottweil noch 36 Prozent aller Grundschüler nach der vierten Klasse auf die Hauptschule, 2011/12 waren es noch 26,4 Prozent, und im vergangenen Schuljahr gerade noch 19,3 Prozent – und das bei ohnehin sinkenden Schülerzahlen. Die Folge: Große Standorte, wie beispielsweise die Werkrealschule Sulgen, versuchen sich stärker zu positionieren und ihr Einzugsgebiet zu vergrößern.

Hier könnte, so die Vision, eine zentrale Werkrealschule für den Mittelbereich Schramberg und darüber hinaus entstehen. Kleinere Haupt- und Werkrealschulen dagegen müssen angesichts des Schülerschwunds Konsequenzen ziehen – schlichtweg ganz schließen oder sich mit anderen zusammentun: Die Hauptschulen in Tennenbronn und Epfendorf sind bereits Geschichte, dort sind nur noch Grundschulen vor Ort. Die Hauptschule/Werkrealschule Dietingen/Böhringen schließt endgültig mit Ende des Schuljahrs 2014/15.

Um die Klassen zu füllen, kooperieren beispielsweise Aichhalden und Fluorn-Winzeln, im Bereich Sulz hat sich die Werkrealschule Sulz a.N. – Empfingen – Vöhringen gebildet. Die Karl-Wider-Schule in Oberndorf will angesichts sinkender Anmeldezahlen künftig im Verbund mit der benachbarten Realschule das Überleben sichern. Ein entsprechender Antrag läuft. Gemeinsam könnten nicht zuletzt Angebote wie Mittagessen und Nachmittagsbetreuung an den kleineren Standorten besser gestemmt werden.

Ohnehin spielt das Thema Betreuung bei der Wahl der Schule heute für die Eltern eine mitentscheidende Rolle. So sehen die Gemeinschaftsschulen ihren Trumpf auch in ihrer Form als gebundene Ganztagsschule mit Mittagessen und Nachmittagsbetreuung. Aber auch andere Schulformen haben der steigenden Nachfrage von Elternseite längst Rechnung getragen. Arbeitende Eltern nehmen durchaus auch eine etwas weiter entfernte Schule in Kauf, wenn das Betreuungsangebot stimmt.

Zum Download:

- Weiterführende Schulen im Kreis Rottweil

- Übergangsquote in den vier größeren Städten im Kreis

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Kommentar: Wohin?

Von Corinne Otto 

Manche Eltern freuen sich über die neue Vielfalt, andere wünschen sich die gute, alte Zeit zurück, wo es – neben drei Fernsehsendern – eben auch nur drei Schularten gab: Hauptschule, Realschule, Gymnasium. Wo das Kind hin soll, wurde dann auch noch per Grundschulempfehlung festgelegt. Ein einfacher Weg, aber war er der Richtige?

Heute dürfen, ja müssen die Eltern selbst entscheiden – und das ist schwerer denn je. Die Werkrealschule, die es aber vielleicht im Heimatort bald nicht mehr gibt? Die neue Gemeinschaftsschule mit dem eigenen Kind als "Versuchskaninchen"? Das G8 mit Riesen-Lernpensum? Information tut Not.

Doch trotz redlichem Bemühen um die richtige Entscheidung: Alle Fakten und Schulprofile helfen wenig, wenn das Kind mitredet und schlichtweg sagt: "Ich geh’ dahin, wo meine Freunde hingehen". Es kann so einfach sein.