Ein Arzt aus dem Kreis Rottweil hat vor Gericht einen schweren Fehler eingeräumt. (Symbolfoto) Foto: Brichta

Patienten als gesund eingestuft. Dieser verursacht tödlichen Unfall. Richterin spricht von fahrlässiger Tötung.

Kreis Rottweil - War es ein Gefallen einem Patienten gegenüber, der indes gravierende Folgen haben sollte? Oder handelte der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen? Diese Fragen standen bei einer Verhandlung am Mittwochmorgen im Amtsgericht Rottweil im Raum. Der Hausarzt räumte immerhin seinen schweren Fehler ein. Im Nachhinein, so sagte er, habe er damals falsch gehandelt. Ein Fehler, der einer Frau Jahre später das Leben kostete.

Angeklagt war ein Hausarzt aus einer Gemeinde im Kreis Rottweil. Er soll im Sommer 2009 einem Berufskraftfahrer attestiert haben, gesund und berufsfähig zu sein. Zuvor war dieser von einem anderen Mediziner wegen anscheinend epileptischer Anfälle krank und berufsunfähig geschrieben worden. Die Folgen: Fünf Jahre lang sollte er kein Fahrzeug mehr führen dürfen. Für einen Berufskraftfahrer kam dies einem Berufsverbot gleich.

Der Hausarzt revidierte mit seinem Attest die Entscheidung. Der Patient durfte wieder ans Steuer. "Aus heutiger Sicht ein Fehler", wie der Arzt jetzt einräumte. Denn vier Jahre später verursachte der Mann am Steuer eines Lastwagens einen schweren Unfall. Dabei kam eine 59 Jahre alte Autofahrerin ums Leben. Offensichtlich hatte der Fahrer am Steuer einen epileptischen Anfall erlitten.

Hätte Unfall verhindert werden können?

Hätte dieser tödlicher Unfall verhindert werden können? Der Hausarzt rückte in den Fokus der Ermittlungen und wurde zur Verantwortung gezogen. Im November erhielt er einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung. Den Schuldspruch akzeptierte er – zunächst. Er legte lediglich Einspruch gegen die Rechtsfolgen ein, eine Geldstrafe von 9000 Euro.

Doch dabei sollte es nicht bleiben. Sein Verteidiger wollte am Mittwoch die vorläufige Einstellung des gesamten Verfahrens erreichen. Begründung: Der Arzt stehe vor dem Ende seiner Berufslaufbahn, er solle nicht mit dem Makel in den Ruhestand gehen müssen, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden zu sein.

Der Fall war aus mehreren Gründen interessant. Zum einen aus juristischer Sicht. Kann ein rechtskräftiges Urteil – hier wegen fahrlässiger Tötung – in einem Einspruchsverfahren gegen die Rechtsfolgen – 9000 Euro Geldstrafe – nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung vorläufig eingestellt werden? Darüber zerbrachen sich Staatsanwaltschaft, Nebenklage, Verteidiger und Richterin den Kopf.

Zum anderen aus medizinischer Sicht. Wann ist ein Patient als Epileptiker einzustufen und wie sehr kann und darf sich ein Hausarzt für die Belange seiner Patienten einspannen lassen? Damals, 2009, kam der Hausarzt einer Bitte seines Patienten nach und überprüfte, ob der Befund im Krankenhaus und die Sichtweise des Neurologen plausibel sind. Handelte es sich in der Klinik, wo der Patient in stationärer Behandlung war, tatsächlich um einen sogenannten Grand-Mal-Anfall, also einen schweren epileptischen Anfall, bei dem Bewusstlosigkeit und ausgeprägte Verkrampfungen am ganzen Körper auftreten?

Aus den Antworten, die er unter anderem vom damaligen Chefarzt des Rottweiler Krankenhauses erhielt, will der Hausarzt herausgelesen haben, dass es sich nicht um so etwas handeln könne. Also schrieb er seinen Patienten gesund. Aus heutiger Sicht ein Fehler, er habe diese Aussagen überbewertet, räumt er bei Gericht ein. Heute würde er anders handeln und einen Neurologen zu Rate ziehen. Das tat er damals nicht.

Die Richterin blieb bei dem Schuldspruch, es bleibt bei der fahrlässigen Tötung. Die Geldstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Diese beträgt drei Jahre, die Auflage: Der Arzt muss 9000 Euro an die "Spittelmühle" bezahlen.

Bleibt die Frage, was der damalige Unfallverursacher heute macht. Ist er weiter beruflich im Straßenverkehr unterwegs, obwohl er gesundheitlich angeschlagen ist?