Rückgängiger Nachwuchs im Ehrenamt ist bedauerlich. Problematisch wird es aber bei Institutionen wie der Feuerwehr, wenn dadurch später Rettungskräfte fehlen. Noch sehen die Zahlen – etwa bei den Feuerwehren in Horb – gut aus. Dort und auch andernorts versucht man unter anderem, auf Schulkooperationen. Foto: Eberhardt

Demografischer Wandel und Ganztagsunterricht erfordern neue Wege. TV Baiersbronn setzt auf Bundesprogramm.

Kreis Freudenstadt - Der demografische Wandel macht die Jugendarbeit in Vereinen immer herausfordernder. Mit Ganztagsschulen und G8-Gymnasium wird die Schwierigkeit noch verstärkt. Die Situation zeigt: Im Wettbewerb um junge Menschen müssen Vereine und Schulen neue Wege zueinander finden.

Bernhard Traub, Bezirksvorsitzender der DLRG, braucht sich über den demografischen Wandel noch keine Sorgen zu machen. Der Nachwuchs strömt nach wie vor in die Vereine. "Weil sie schwimmen lernen wollen", erklärt Traub. Schwieriger wird es, Jugendliche anschließend für die aufwendige Rettungsschwimmer-Ausbildung zu begeistern. Denn viele müssen sich nach dem Abitur mittlerweile auf Wanderschaft machen – für das Studium, die Ausbildung, den ersten Job.

Und dann ist da noch das Thema Ganztagsunterricht. Die Landesregierung ermuntere die DLRG, sich mit ihren Trainingsstunden in das nachmittägliche Betreuungsprogramm einzugliedern, erklärt Traub. "Aber ich weiß nicht, wie wir das machen sollen. Unsere Trainer arbeiten alle", sagt Traub.

"Schulen und Sportvereine müssen kooperieren"

Bei den Sportlern wurden dafür neue Wege begangen, wie Andreas Trück, Jugendleiter des Sportkreises Freudenstadt, berichtet. Der demografische Wandel ist insbesondere bei Mannschaftssportarten spürbar, wo man bislang notdürftig mit überörtlichen Kooperationen reagiert. Auf die Frage, wie sich ehrenamtliche Trainer in die Stundenpläne von G8-Gymnasien und Ganztagsunterricht integrieren sollen, hat man aber unter anderem in Trücks Heimatverein TV Baiersbronn eine Antwort gefunden: Das Bundesprogramm "Freiwilligendienst im Sport", bei dem Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahrs nachmittags Sporteinheiten in der Schule anbieten. "Sportvereine können nur überleben, wenn sie mit den Schulen kooperieren", meint Trück.

Diese Einschätzung teilt auch Maik Finkbeiner, Vorsitzender der Bläserjugend im Blasmusikkreisverband Freudenstadt. Er weiß aber aus Rückmeldungen von Vereinen, dass auch das steigende Arbeitspensum der Schüler oft keine Zeit mehr für das musikalische Hobby lässt. "Ich habe das Gefühl, viele müssen die Probenarbeit streichen, um mit dem Lernen nachzukommen", sagt Finkbeiner.

Erfreulich bei dieser Entwicklung: Die grundsätzliche Einsatzbereitschaft der Jugendlichen bleibt dennoch ungebrochen. Die Teilnehmerzahlen an den jährlichen Leistungsprüfungen der Jungmusiker sind stabil, wie Finkbeiner bilanziert. "Doch der Unterricht muss zunehmend auf das Wochenende verlegt werden."

Auch bei der Feuerwehr ist es vor allem das generelle Anforderungspensum der Schüler, das sich auf die Jugendarbeit niederschlägt. Ist der Hausaufgaben-Stapel zu hoch, muss die Feuerwehrübung ausfallen, berichtet Kreisjugendwart Dieter Stahl: "Es wird schwieriger." Auch wenn es darum geht, Jugendliche später für den aktiven Wehrdienst zu halten. Von flächigen Anpassungen der Übungstermine auf Druck der zunehmend längeren Schulzeiten hat der Kreisjugendwart zwar noch nichts mitbekommen. Im Horber Raum haben sich aber bereits einige Wehren auf die Änderungen der Zeit eingerichtet und ebenfalls neue Wege zum Miteinander von Schule und Ehrenamt gefunden: Sie gehen nachmittags in die Schule und haben dort sogar Arbeitsgruppen eröffnet. Doch dafür braucht es das Interesse beider Seiten, wie Thomas Danninger, Stadtjugendwart der Horber Feuerwehr, einräumt: "Die schulischen Voraussetzungen müssen stimmen".

Eine, die im wachsenden Ganztagsbetrieb der Schulen auf Chancen hofft, ist Waltraud Seidel. Sie ist Jugendchor-Leiterin des Chorverbands Kniebis-Nagold, wo die Jugendarbeit "Gott sei Dank" noch ganz gut funktioniere. Doch auch Seidel beobachtet eine besorgniserregende Entwicklung. "Die Schule erdrückt die Kinder. Und zwar nicht nur am Gymnasium." Das Thema Schule dominiere das Familienleben. Oft würden Eltern ihren Nachwuchs anhalten, das Hobby aufzugeben.

Vom Ganztagsschulsystem erhofft sich Seidel deshalb wieder Freiraum: Wenn bei der Heimkehr alle Schulaufgaben erledigt sind, bleibt vielleicht wieder Luft für das Hobby.

Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet, wird die Chorleiterin nächstes Jahr in ihrem Heimatort Loßburg erfahren, wo sie auch die Jugendchöre leitet. Dort ist die Gemeinde gerade dabei, angesichts des kommenden Ganztagsschulbetriebs Kooperationsmöglichkeiten zwischen Schule und Vereinen zu eruieren. "Zunächst hatte ich riesige Bedenken", gibt Seidel zu. Doch die Hoffnung auf ein neues, kinderfreundlicheres System hat den Blick mittlerweile gedreht: "Ich lasse mich gerne positiv überraschen."