Gewalt gegen Frauen ist im Landkreis Freudenstadt keine Seltenheit. Betroffenen in akuter Gefahr bleibt oft nur der Umzug ins Frauenhaus. Ein solches gibt es im Landkreis allerdings nicht. Foto: dpa

Urteil: Heilbronn nimmt Freudenstädterin auf und bleibt auf Kosten sitzen. Heftige Kritik von Frauenbeauftragten.

 Kreis Freudenstadt/Heilbronn - Eine Frau aus dem Kreis Freudenstadt fand Schutz vor ihrem gewalttätigen Mann im Frauenhaus Heilbronn. Der Landkreis Freudenstadt lehnte es aber ab, die Betreuung zu zahlen und bekam vor dem Sozialgericht Heilbronn Recht. Frauenbeauftragte kritisieren das Urteil.

Im Dezember 2010 packt eine 59-jährige Frau aus dem Kreis Freudenstadt ihre Sachen. Ihr Leben mit ihrem alkoholabhängigen und gewalttätigen Mann soll vorbei sein. Doch wohin? Im Kreis Freudenstadt gibt es kein Frauenhaus. Sie findet Zuflucht in einer Einrichtung in Heilbronn, betrieben vom Diakonischen Werk, und bleibt bis Ende September 2011. Zehn Monate. Das kostet 28.500 Euro: 3500 Euro für das Zimmer der Frau und 25.000 Euro für ihre psychosoziale Betreuung. Bezahlt hat zunächst das Jobcenter der Stadt Heilbronn, forderte das Geld aber vom Heimatkreis Freudenstadt zurück.

Frauenhilfe: Von Urteil geht gefährliches Signal aus

Der Kreis Freudenstadt hat die 3500 Euro für Unterkunft bezahlt, mehr nicht. Eine Klage des Jobcenters der Stadt Heilbronn hat das dortige Sozialgericht abgewiesen. Birgit Herrmann von der Frauenhilfe Freudenstadt befürchtet, dass von diesem Urteil ein gefährliches Signal ausgeht. "Wir befürchten, dass wir keine Frauen mehr unterbringen können.Womöglich wird es bei unseren Anfragen künftig heißen: Eine Frau aus Freudenstadt? Die wollen wir nicht. Da bleiben wir nur auf den Kosten sitzen."

Von den zehn Frauen, die durchschnittlich pro Monat bei der Frauenhilfe Schutz suchen, muss sie all jene an Frauenhäuser in anderen Landkreisen vermitteln, die zuhause einer akuten Gefahr ausgesetzt sind. Das passiere leider gar nicht selten. Birgit Herrmann geht davon aus, dass der Landkreis bisher immer gezahlt hat.

Bei der Landkreisverwaltung fühlt man sich im Recht – Grund für den Streit mit Heilbronn ist offenbar ein bürokratischer Fehler. Es fehle an einem Vertrag zwischen dem Jobcenter der Stadt Heilbronn und dem Diakonischen Werk. Ohne den sei der Kreis Freudenstadt nicht zur Zahlung verpflichtet, heißt es nun auch in einer Mitteilung des Sozialgerichts. Außerdem sei der Tagessatz des Heilbronner Frauenhauses von mehr als 100 Euro weit überhöht, argumentiert der Landkreis. Durchschnittlich liege der bei nur 40 Euro. Wie der Landkreis auf Anfrage mitteilt, hat dieser 2013 in fünf Fällen den Aufenthalt in einem Frauen mit insgesamt 33.690 Euro finanziert.

Das Thema schlägt landesweit Wellen. Der Landkreis wolle sich mit einer "formaljuristischen Spitzfindigkeit" aus der Verantwortung stehlen, kritisiert die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (LAG) in einer Pressemitteilung. Das Urteil signalisiere, dass diejenigen Kommunen oder Kreise am günstigsten wegkommen, die selbst kein Frauenhaus unterhalten – wie eben der Kreis Freudenstadt.

Die Arbeitsgruppe fordert bundeseinheitliche Abrechungsmodalitäten der Hilfen im Frauenhaus. Birgit Herrmann von der Frauenhilfe beklagt grundsätzlich eine gewisse Knausrigkeit des Landkreises ihrem Verein gegenüber. "Wir haben Schwierigkeiten bei der Finanzierung unserer Arbeit", sagt sie. Nach der Gründung 2007 habe der Landkreis 3000 Euro pro Jahr an den Verein gezahlt, seit vergangenem Jahr seien es 10 000 Euro. "Wir bräuchten aber 20.000 Euro", sagt Herrmann. Anträge auf die Mitfinanzierung einer halben Stelle für die Beratungsstelle habe der Kreistag abgelehnt. "Das ist ziemlich einzigartig in ganz Baden-Württemberg: Ein Landkreis, der kein Frauenhaus, und keine Beratungsstelle finanziert."

Die Kreisverwaltung argumentiere, dass das Sozialamt ebenfalls Beratungsmöglichkeiten für Gewaltopfer biete. Herrmann sagt aber: "Unsere Frauen gehen ungern zu einem Amt mit ihren Problemen, weil die Angst haben, ihnen würden dann die Kinder weggenommen." Also arbeitet der Verein weiter wie bisher – mit viel ehrenamtlichem Engagement.

Die Heilbronner Frauenschutzhäuser werden nach Informationen der "Heilbronner Stimme" künftig nur noch Hilfesuchende aus dem Stadt- und Landkreis Heilbronn aufnehmen.