Eine Jamaika-Koalition mit CDU/CSU, FDP und Grünen als Partner ist nach den Sondierungsgesprächen gescheitert. Foto: dpa

Vertreter äußern sich zu geplatzten Sondierungsgesprächen in Berlin. Theurer: Über 100 Punkte offen.

Kreis Freudenstadt - Eine Jamaika-Koalition mit CDU/CSU, FDP und Grünen als Partner ist nach den Sondierungsgesprächen gescheitert. Gibt es Neuwahlen, eine Minderheitsregierung oder doch noch eine große Koalition mit der SPD? Der Schwarzwälder Bote hat Vertreter von Parteien nach ihrer Einschätzung gefragt.

Es war Parteichef Christian Lindner von den Liberalen, der in der Nacht zum Montag die Sondierungsgespräche über ein mögliches Jamaika-Bündnis für gescheitert erklärt hat. Es sei nicht gelungen, eine Vertrauensbasis oder eine gemeinsame Idee für die Modernisierung des Landes zu finden, sagte er.

Michael Theurer aus Horb, neu gewählter Bundestagsabgeordneter der FDP für den Wahlkreis Karlsruhe, Landesvorsitzender der FDP und Mitglied des Bundespräsidiums, der auch am Verhandlungstisch in Berlin saß, sagt: "Der Eindruck, Jamaika sei kurz vor dem Durchbruch gestanden, entspricht nicht den Tatsachen." Nach vier Wochen intensivster Gespräche sei immer noch um Halbsätze gestritten worden. "Es waren noch über 100 Punkte offen."

Theurer äußert vor allem Kritik an den Grünen. Unerträglich sei gewesen, dass die Grünen bei jedem Einlenken sofort zwei oder drei neue Punkte nachgeschoben hätten, heißt es in einem Statement des Politikers. Am Sonntagabend habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es keine tragfähige Grundlage für eine Modernisierungskoalition gibt, für die die FDP gewählt worden sei.

"Fakt ist dabei auch", so Theurer weiter, "Jamaika hatte von Anfang an keine tragende Idee. Unsere Vorschläge hierfür wurden von den Verhandlungspartnern leider nicht aufgegriffen." Die Freien Demokraten seien für zehn Trendwenden in der deutschen Politik gewählt worden. Keine dieser Trendwenden habe sich schließlich in dem finalen Sondierungspapier befunden. "Die Verantwortung gegenüber unseren Wählern gebietet, nicht in eine Regierung einzutreten, wenn nicht zumindest Teile unseres Wählerauftrags umgesetzt werden", so Theurer. 

Für den CDU-Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel war der Abbruch der Jamaika-Sondierungen nicht vollkommen überraschend. "Bei so etwas muss man mit allem rechnen", sagte Fuchtel im Gespräch mit unserer Zeitung. Für ihn sei aber schon vor dem Beginn der Sondierungen klar gewesen, dass die Gespräche nicht einfach werden würden. Und wer ist nun schuld am Scheitern? "Erstens kann ich das nicht beurteilen, zweitens sollte man mit Schuldzuweisungen auch vorsichtig sein", so der Abgeordnete. Sie könnten die Startvoraussetzungen für neue Gespräche verschlechtern. Denn für Fuchtel sind weitere Gespräche zwischen den Jamaika-Parteien nicht ausgeschlossen.

Generell sieht der gelernte Jurist die Parteien in der Pflicht, nach einer Lösung zu suchen und die Probleme zu lösen. Und dabei sieht er sich ganz nah bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in seiner Rede genau diese Forderung an die Parteien gerichtet hat. "Neuwahlen sehe ich noch lange nicht", sagt Hans-Joachim Fuchtel erneut mit Blick auf die Verfassung. "Das würde nicht dem Stil des Grundgesetzes entsprechen", mahnt er. Auch eine Minderheitsregierung lehnt er ab. "Das ist für mich überhaupt keine Option. Erstens entspricht auch das nicht dem Sinn des Grundgesetzes. Zweitens würde dadurch die Stabilität des Landes geschwächt. Und das kann auch nicht im Interesse Europas sein."  

"Der SPD muss jetzt nicht bange sein", sagte die Bundestagsabeordnete Saskia Esken. Sie und ihr Team seien am Montag in Berlin gesessen, um "mit vollem Elan" in die neue Legislaturperiode zu starten, heißt es in einer Stellungnahme. Durch die neue Situation würden sich womöglich auch neue Herausforderungen ergeben. Die Bundestagsabgeordnete stellt klar, dass die Sozialdemokraten in Calw und Freudenstadt keine Angst vor einer ungewissen Zukunft haben. Die SPD-Abgeordnete kritisiert das Vorgehen der FDP: "Christian Lindner hat seine Rolle in den Verhandlungen ebenso inszeniert wie jetzt das Ende – als One-Man-Show! Ich finde sein Verhalten hochgradig verantwortungslos."

Esken will nun das Gespräch mit den Mitgliedern und Unterstützern der SPD im Wahlkreis suchen, um direkt über die aktuelle Lage in Berlin zu berichten und zu beraten. Sie stellt sich entschieden hinter das Bekenntnis des Parteivorsitzenden Martin Schulz, nicht über eine große Koalition zu verhandeln. Die große Koalition sei abgewählt worden, "und wir stehen für eine Fortsetzung nicht bereit."

Es komme deshalb jetzt auf den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier an, der den Weg zu einer Regierungsbildung noch ebnen könne. "Oder eben zu Neuwahlen", wie Esken sagt. Auch eine Minderheitsregierung ist für die Bundestagsabgeordnete selbst in schwierigen Zeiten denkbar.  

Michael Fischer, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands Freudenstadt von Bündnis 90/Die Grünen, bedauert es, "dass die FDP so lange brauchte, bis sie feststellte, dass sie doch nicht will". Alle Beteiligten hätten schließlich viel Zeit und Energie in die Sondierungsgespräche gesteckt. Der Arzt aus Alpirsbach will den Freidemokraten allerdings keine Schuld zuschieben: "Es war schon eine schwierige Gruppe, die da zusammengeschweißt werden sollte." Die FDP habe sich nun eben vorgewagt.

Von einer Neuwahl hält Fischer gar nichts. Sie würde seiner Meinung nach nur Zeit und viel Geld kosten. "Was sollte dabei anderes rauskommen?", fragt sich Fischer. Die Meinungen der Wähler hätten sich ja schließlich wohl kaum geändert.

"Eine Minderheitsregierung hat auch was für sich", sagt Fischer im Gespräch mit unserer Zeitung. In einer solchen Regierung sollten die Grünen nach der Meinung des stellvertretenden Kreisvorsitzenden natürlich schon vertreten sein. Und letztlich bleibe wohl auch keine Alternative als ein Bündnis von Christdemokraten und den Grünen übrig. Aber Fischer ist dabei klar: "Schwarz-Grün wäre auch nicht leicht."