Der Versorgungsgrad mit Ärzten lässt im Kreis Freudenstadt in manchen Bereichen zu wünschen übrig. Foto: © kebox/Fotolia.com

Bei Frauenärzten laut AOK-Ärzteatlas bundesweit auf dem letzten Platz. Anreize für Allgemeinmediziner.

Kreis Freudenstadt - Gerade hat der Kreistag den Grundsatzbeschluss zum Neubau des Krankenhauses getroffen. Doch die Sorgen um die Gesundheitsversorgung hören nicht auf: Laut AOK-Ärzteatlas ist die Versorgung bei Frauenärzten und Orthopäden die schlechteste in ganz Deutschland.

Der AOK Ärzteatlas 2016 wurde kürzlich veröffentlicht. Er bezieht sich auf die Zahlen aus dem Jahr 2015. In zwei Kategorien fällt der Landkreis Freudenstadt negativ auf: Bei den Frauenärzten liegt der Landkreis Freudenstadt mit einem Versorgungsgrad von 72,1 Prozent bundesweit auf dem letzten Platz. Auch bei den Orthopäden sieht es nicht besser aus: Mit 93,8 Prozent ist der Kreis Freudenstadt im Bundesvergleich ganz weit hinten.

Was sind die Ursachen? Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) von Baden-Württemberg: "Man muss diese Zahlen zur Bedarfsplanung mit einer gewissen Vorsicht genießen. Sie basieren auf einer Verteilung von Ärzten auf die Einwohnerzahl. Da der Landkreis Freudenstadt im Vergleich mit anderen Landkreisen recht wenig Einwohner hat, fällt hier der Wegfall von einer besetzten Praxis statistisch stärker ins Gewicht als in dicht besiedelten Gebieten. Dennoch ist klar, dass wir im Landkreis Freudenstadt auf alle Fälle mehr Ärzte benötigen."

Die Sorgen der KV

Zwei Tendenzen machen der Kassenärztlichen Vereinigung aber Sorgen. Sonntag: "Insgesamt stellen wir fest, dass sich die Fachärzte eher auf die Zentren konzentrieren und dazu noch auf größere Praxisformen. Der ländliche Raum dagegen ist von Einzelpraxen geprägt." Dazu kommt: Die Ärzteschaft im Landkreis Freudenstadt ist – statistisch gesehen – schon ziemlich alt. Bei den Hausärzten liegt der Anteil der Mediziner über 60 Jahren bei 42 Prozent – der Landesdurchschnitt zum 1. Januar 2016 war dagegen 35 Prozent.

Aushilfe auf Zeit

Bei den Orthopäden sind im Landkreis Freudenstadt 50 Prozent der Ärzte über 60 Jahre alt. Der Landesdurchschnitt beträgt 23 Prozent. Bei den Frauenärzten lag der Anteil der über 60-Jährigen bei 62 Prozent – 28 Prozent ist der Landesdurchschnitt.

Kein Wunder, dass die KLF im medizinischen Versorgungszentrum Horb Archibald Fridrich mit 73 Jahren wieder aus der Rente holte, weil sein Nachfolger Udo Wistruk aufgehört hatte. Deshalb kann die KV Baden-Württemberg mit Stand vom 6. Juli 2016 eine etwas bessere Frauenarzt-Quote für den Landkreis Freudenstadt melden: Immerhin beträgt der Versorgungsgrad sechs Tage nach dem Amtsantritt von Fridrich jetzt 77,2 Prozent. Das heißt: Nach der KV-Statistik arbeiten 7,5 niedergelassene Frauenärzte im Landkreis Freudenstadt. Sechs davon sind selbstständig, eineinhalb sind angestellte Frauenärzte.

KLF-Geschäftsführer Ralf Heimbach: "Die Mangelversorgung im Bereich der Gynäkologie ist kein Grund für die Reaktivierung von Archibald Fridrich. Es resultiert eher daraus, dass sein Vorgänger uns kurzfristig verlassen hat und wir zur Sicherstellung der Patientenversorgung den hochgeschätzten Archibald Fridrich gebeten haben, uns für eine gewisse Zeit auszuhelfen. Bei der Anstellung eines geeigneten neuen Facharztes gehen wir immer davon aus, dass dadurch auf Sicht ein Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Medizinischen Versorgungszentrums beziehungsweise der KLF geleistet wird. Dies funktioniert in der Praxis nicht immer, ist aber immer der Anspruch."

Bei den Orthopäden hat sich die statistische Lage gegenüber dem AOK-Ärzteatlas mit den Zahlen von 2015 gebessert: Der Versorgungsgrad lag Anfang Juli bei 113 Prozent. Dahinter stecken 5,5 Ärzte, 4,5 selbstständige und ein angestellter Mediziner. Dafür ist die Lage bei Hautärzten deutlich kritischer: Der Versorgungsgrad lag Anfang Juli bei 69,2 Prozent. Hautärzte gibt es derzeit nur zwei im ganzen Landkreis.

Zuschüsse für Ärzte

Bei Kinder- und Jugendpsychiatern ist der Versorgungsgrad sogar nur bei knapp 42 Prozent. Im gesamten Bereich Nordschwarzwald gibt es nur 2,5 Mediziner für dieses Fachgebiet. Bei den Allgemeinmedizinern wurde im Landkreis Freudenschaft schon der Mittelbereich Horb zum "Notstandsgebiet" erklärt. Der Versorgungsgrad liegt dort aktuell bei 81,6 Prozent. Sonntag: "Horb ist im ›Ziel und Zukunft‹-Förderprogramm der KV genannt. Das heißt: Wer hier eine Hausarzt- oder Facharzt-Praxis aufmacht beziehungsweise einen Mediziner anstellt, um mehr Patienten behandeln zu können, bekommt Investitionszuschüsse, Fallwertzuschläge pro Behandlung und weitere Förderungen. Dazu hat die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung gerade beschlossen, solch ein Förderprogramm auch für Fachärzte aufzulegen. Die Gebiete für die Förderung sind noch nicht festgelegt."

Doch was kann der Landkreis tun, um neue Ärzte zu locken? Die Antwort sei nicht leicht, so die Kassenärztliche Vereinigung. Sprecher Sonntag: "Ärztezentren wären eine Lösung. Doch das wird für Investoren nur interessant, wenn auch schon angesiedelte Ärzte bereit sind, sich dem Ärztezentrum anzuschließen." Dazu sind immer weniger Mediziner bereit, selbstständig zu arbeiten und eine eigene Praxis aufzumachen oder zu übernehmen. Sonntag: "Mehr als die Hälfte unserer neuen Mitglieder ist schon im angestellten Bereich. Vor 25 Jahren hat es – außer im Krankenhaus – keinen angestellten Arzt gegeben."

Stipendien für Studenten

Und was tut der Landkreis Freudenstadt gegen den Ärztemangel? Eine Sprecherin: "Die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist nicht Aufgabe des Landkreises, sondern der Kassenärztlichen Vereinigung. Dennoch unternimmt der Landkreis viel gegen die ärztliche Unterversorgung, sowohl im Bereich der Allgemeinmedizin als auch der Fachärzte. So unterstützen wir derzeit 15 Medizinstudenten mit Stipendien; dafür stellt der Kreistag jährlich bis zu 9 000 Euro zur Verfügung. Weiter geben wir einen Zuschuss für die Blockpraktika, die Medizinstudenten bei Ärzten im Landkreis absolvieren. Außerdem besuchen immer wieder zahlreiche Medizinstudenten im Rahmen verschiedener Veranstaltungsreihen den Landkreis Freudenstadt, um sich vor Ort sowohl über den Landkreis und seine Besonderheiten als auch über Niederlassungsmöglichkeiten ein Bild zu machen. Hier war bereits im Juni eine Delegation im Landratsamt, eine weitere erwarten wir im Oktober. Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung hat der Landkreis Freudenstadt auch eine politische Initiative gestartet, um eine Landarztquote einzuführen."