Afghanisches Kind in der Flüchtlingsaufnahmestätte in Meßstetten: Die Bereitschaft, Flüchtlingen zu unterstützen, ist auch im Kreis Freudenstadt groß. Aber die Belastbarkeit der Helfer stößt mittlerweile an ihre Grenzen. Foto: Hopp

Mitarbeiter haben bereits mehr als 200 Überstunden. Caritas-Leiter: "Wir stoßen total an unsere Grenzen."

Kreis Freudenstadt - "Die Politik muss endlich handeln", appelliert Erwin Reck, Leiter des Caritas-Zentrums in Horb. Die nicht abreißenden Flüchtlingsströme sorgen im Landkreis Freudenstadt für Überlastung und Sorgenfalten. Reck befürchtet einen "Rechts-Ruck".

Es war eine schwere Entscheidung für Erwin Reck. Wird der Horber Tafelladen auch für Flüchtlinge geöffnet? "Wir haben uns entschieden, diesen Schritt zu gehen. Das ist eine große Herausforderung für uns", erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Rund 200 Flüchtlinge könnten das Angebot in Anspruch nehmen. Es ist eine Entscheidung mit Konfliktpotenzial.

Das weiß auch Erwin Reck. Die bisherigen Berechtigten des Tafelladens könnten in den Flüchtlingen Konkurrenz sehen. "Wir sind noch mehr auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen, wenn es um Lebensmittelspenden geht", sagt der Horber Caritas-Chef. Auch schmiedet Reck gerade noch weitere Pläne, um die Lebensmittelversorgung noch auszubauen.

Der Tafelladen ist aber nur eine von vielen Baustellen. "Wir stoßen total an unsere Grenzen", berichtet Reck. Die Caritas ist auch mit zwei Personalstellen in die Betreuung der Flüchtlinge im Landkreis involviert. "Die haben mittlerweile jeweils über 200 Überstunden." Auch die psychische Belastung sei groß. "Ich weiß nicht, wie lange die das noch durchhalten."

Auch Dekanatsreferent Achim Wicker macht sich Sorgen, dass die ehrenamtlichen Helfer überlastet werden. "Die Hilfsbereitschaft ist in den Kirchengemeinden sehr groß. Die Freundeskreise im Westen des Landkreises sind schon lange dabei. Im Ostkreis läuft der Aufbau der Freundeskreise eigentlich auch gut. Doch auch hier steigt die Frustration."

Der Caritas-Chef befürchtet, dass es in der Gesellschaft zu einem Rechts-Ruck kommen könnte. Gerade bei Menschen, die selbst nicht viel Geld haben. "Jetzt geht es vielen gut. Aber wenn erst mal eine Rezension kommen sollte und einige ihren Job verlieren, dann könnte es zu einer heiklen Entwicklung kommen." Auch die Situation für die Flüchtlinge sei bedenklich. Lange Asylverfahren, keine Teilnahme an der Gesellschaft, Langeweile.

"Als ich kürzlich in Meßstetten war, habe ich gesehen, wie sich dort das Stadtbild verändert hat. Meine Kinder haben mich gefragt: Papa, was ist denn hier los?" Flüchtlinge zogen massenweise zu den Einkaufsläden. Setzten sich aus Langeweile in die Parks oder auf die Bänke. Bilder, die es auch schon im Kreis Freudenstadt gibt. "Ich kann verstehen, dass es für Einheimische schwierig ist, weil es ihnen fremd ist", so Wicker. "An Integration kann man derzeit gar nicht denken", lautet Recks ernüchternde Botschaft.

Eine weitere Sorge: Die Überfüllung der Asylunterkünfte wird zunehmen, so Reck. "1000 Flüchtlinge sollten in die Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen einziehen, Inzwischen sind es 1500." Reck befürchtet Ähnliches im Kreis Freudenstadt. "Im umgebauten Hotel in Loßburg sollen 67 Flüchtlinge unterkommen. Vielleicht sind es da aber bald 100." Das könnte auch in den Unterkünften zu Konflikten führen.

Reck findet, dass man auch unterscheiden muss zwischen den Balkan-Flüchtlingen, die kaum eine Chance auf Asyl haben, und den anderen Flüchtlingen, beispielsweise aus Syrien. "Alle müssen willkommen geheißen werden. Aber man kann nicht alle Flüchtlinge gleich behandeln." Deswegen sei es wichtig, die Asylverfahren für Balkan-Flüchtlinge zu beschleunigen. Die Politik sei nun gefordert, schnell zu handeln, finden Reck und Wicker. Der Caritas-Leiter sagt: "Schon vor 35 Jahren war ich im Asylbereich im Einsatz. Die Probleme waren damals schon die selben: Unterkünfte, Dauer der Asylverfahren, Gemeinschafsverpflegung und, und, und... Es hat sich nichts getan."