Asylbewerber dürfen mit ihren Gutscheinen nur in den Geschäften einkaufen, die sich an dem System beteiligen. Etliche Geschäfte nehmen die Gutscheine nicht an. Foto: dpa

Mehrere Supermärkte lassen Asylbewerber nicht bei sich einkaufen: Gutscheine werden nicht angenommen. Mit Kommentar.

Kreis Freudenstadt - Die Flüchtlingsversorgung ist im Landkreis immer noch nicht optimal gelöst: Nach Protesten der Asylsuchenden gegen Essenspakete hat der Kreis begonnen, Gutscheine auszugeben. Das Problem: Viele Supermärkte nehmen diese nicht an.

Netto, Aldi und Norma nehmen grundsätzlich keine Gutscheine an, heißt es in einer Kreistagsunterlage. In Dornstetten mache auch Lidl nicht mit – "so dass dort nur der Edeka als Einkaufsmöglichkeit zur Verfügung steht", heißt es in den Unterlagen.

Menschen, die in Aach in der Flüchtlingsunterkunft leben, müssen nach Informationen des Freundeskreis Asyl mit dem Bus zum Einkaufen nach Pfalzgrafenweiler fahren. Werner Hoffmann vom Freundeskreis sagt: "Zeit haben sie ja. Aber sie müssen für die Fahrt noch mal Geld ausgeben."

FDP-Kreisrätin Margarete Rebholz hält die Ablehung der Märkte für "ein Politikum". In der Sozialausschuss-Sitzung zum Thema sagte sie: "Es ist diskriminierend, dass die Flüchtlinge nicht überall einkaufen dürfen." Kreisrat Dieter Bischoff (Freie Wähler) findet die Versorgung mit den Gutscheinen "nicht optimal gelöst".
Rainer Rentschler macht mit: "Wo sollen die Leute sonst hin?"

Die Firma Sodexo in Frankfurt gibt die Gutscheine für den Landkreis aus. Der Unternehmenssprecher George Wyrwoll zählt auf, dass zum Beispiel zwei Lidl-Märkte, aber auch Kaufland und Penny im Kreis Freudenstadt dabei seien. Er sagt: "Sodexo ist bestrebt, alle Anbieter anzusprechen, die unser Auftraggeber für wichtig empfindet." Ein Problemfall aus dem Kreis Freudenstadt sei ihm aber gar nicht bekannt.

Die Lebensmittelläden stören sich an einer Gebühr, die sie für eingelöste Gutscheine bezahlen müssen. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt Netto mit: "Wir nehmen selbstverständlich Sozialscheine von Behörden, Landratsamt, Kirchen oder ähnlichen öffentlichen Körperschaften an. Gebührenpflichtige Gutscheine wie zum Beispiel von dem von Ihnen genannten Dienstleister werden hingegen nicht akzeptiert." Norma reagierte auf eine Anfrage gar nicht. Bei Aldi-Süd entscheidet jede der 31 Aldi Süd Regionalgesellschaften, ob sie Sozialgutscheine annimmt.

Weder Sodexo, noch der Landkreis oder einer der beteiligten Supermärkte will sagen, wie hoch die Gebühr ist. Der Händler könne die abgegebenen Gutscheine einreichen oder von Sodexo abholen lassen. Daraufhin würden die Gutscheine gezählt und dem Supermarkt auf Wunsch wöchentlich oder monatlich in Euro erstattet.

Der Landkreis selber zahlt eine Gebühr von 2,25 Prozent des Gutscheinwerts an Sodexo. Laut Sozialamt sind das pro Asylbewerber und Monat 3,73 Euro, Versandkosten kommen noch dazu.

Kreisrätin Rebholz ärgert sich über die Ablehnung einiger Supermarktketten. Sie sagt: "Man kann natürlich niemanden zwingen, mitzumachen." Sie appelliere aber an die Solidarität in der Gesellschaft, vor allem in der angespannten Flüchtlingssituation zurzeit.

Alteingesessene Läden nehmen die Gutscheine nach Aussage des Landrats eher an als die großen Ketten. Edeka Rentschler macht zum Beispiel mit. "Das ist nicht so einfach", sagt eine Mitarbeiterin der Geschäftsführung auf Anfrage. Hauptproblem sei die Sprache. Die Asylbewerber müssten versuchen, den Geldbetrag des Gutscheins (kann zwischen zwei und 25 Euro liegen) komplett auszunutzen, weil nur zehn Prozent des Gutscheinwerts als Rückgeld gegeben werden dürfen. Der Restwert verfällt.

"Die Leute stehen oft an der Kasse und haben mehr auf dem Band liegen als der Gutschein wert ist. Bargeld haben sie aber oft keins dabei." Die Kassierer müssten auch kontrollieren, dass nur Lebensmittel und Hygieneartikel gekauft werden. Für andere Waren gelten die Gutscheine nicht. "Das kostet Zeit und Kraft", sagt die Mitarbeiterin. Trotz des Aufwands wolle Juniorchef Rainer Rentschler Asylbewerber bei sich einkaufen lassen. "Wo sollen die Leute sonst hin?"

Hoffmann vom Freundeskreis Asyl macht dem Landratsamt den eigentlichen Vorwurf. Die Verwaltung sei dafür verantwortlich, dass sich der Kreistag für die Gutscheine entschieden habe. Doch er hofft, dass sich der Kreistag irgendwann doch noch für Bargeldauszahlung entscheidet.

Kommentar: Zeichen setzen

Von Lena Müssigmann

Es ist beschämend, dass große Discounter keine Gutscheine von Flüchtlingen annehmen. Wegen ein paar Euro Gebühr. Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz. In einer Situation, in der die Gesellschaft alle Kräfte mobilisiert, um Menschen zu helfen, die vor Terror und Krieg geflüchtet sind, dürfen sich Konzerne, die vom Konsumrausch der Überflussgesellschaft leben, nicht aus der Verantwortung ziehen. Dort, wo Kassiererinnen nahezu im Akkord arbeiten müssen, ist es ein Verlust an Effizienz, wenn einem Flüchtling aus Eritrea erklärt werden muss, dass der Restwert seines Gutscheins verfällt, sollte er nur ein Brot kaufen. Kleine Läden, die sich die Zeit nehmen, setzen ein Zeichen für Menschlichkeit. Dafür sollte sich der Kreistag bedanken. Er hat das unflexible und komplizierte System eingeführt, von dem außer dem Dienstleister in Frankfurt niemand profitiert.

Info: Essenspakete, Guteschein oder Geld?

Zur Verpflegung der Asylbewerber hat der Landkreis verschiedene Möglichkeiten, über die kontrovers diskutiert wird.

Essenspaket: Flüchtlinge protestierten ab Ende 2012 gegen Essenspakete, die ihnen vom Landkreis geliefert wurden. Mit Beschluss vom 18. November 2013 hat der Landkreis auf Gutscheine umgestellt.

Gutscheine: Landrat Klaus Michael Rückert lässt keinen Zweifel: "Der Landrat und die Verwaltung sind kein Anhänger der Wertgutscheine." Die Umstellung von Sachleistungen auf Gutscheine kostet laut Sozialamtsleiter Robert Bornhauser etwa 100 000 Euro mehr pro Jahr. Bargeldauszahlung lehnt Landrat Rückert aber kategorisch ab. Die Flüchtlinge bekommen bereits Taschengeld in bar ausgezahlt, 137 Euro für Alleinstehende. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Kreistags für Wertgutscheine war die grundsätzliche Problematik, dass voraussichtlich nicht alle Lebensmittelmärkte im Landkreis Wertgutscheine annehmen, bekannt. Sodexo wurde bei einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählt. Laut Landratsamt wurden aber die genauen Akzeptanzstellen für Wertgutscheine erst nach der Entscheidung benannt.

Geldleistung: Der Landkreis Calw hat die Gutschein-Regelung vor eineinhalb Jahren abgeschafft. Die Asylsuchenden seien in 25 Städten und Dörfern verteilt. "Man kann den Leuten nicht zumuten, weiter zu fahren", sagt Pressesprecher Thiemo Stock. Die Asylbewerber hätten mit allen Mitteln versucht, an Bargeld zu kommen und die Gutscheine weiterverkauft. Nun habe jeder Asylbewerber ein Konto, auf das schlicht und einfach Geld eingezahlt wird. "Wir haben gute Erfahrung mit der Geldleistung", sagt Pressesprecher Stock.