Vor dem Landgericht Rottweil muss sich derzeit eine 39-jährige Frau verantworten. Sie ist in Teilen geständig. Foto: Nädele

Staatsanwaltschaft wirft 39-Jähriger versuchten Mord vor. Beschuldigte gesteht Zündelei - aber nicht Tötungsabsicht.

Kreis Freudenstadt - Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung lautet die Anklage von Oberstaatsanwältin Sabine Mayländer am Rottweiler Landgericht gegen eine 39-jährige Frau. Die Angeklagte, die krankheitsbedingt in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist und deshalb mit einer Begleiterin vor Gericht erschien, soll am 4. September 2013 gegen 21 Uhr versucht haben, einen Bewohner einer sozialen Einrichtung im Landkreis Freudenstadt umzubringen.

Urteil soll am Freitag gesprochen werden

Zu einem Urteil kam es noch nicht, doch die Frau gestand in der Verhandlung: Sie sei, während der Mann schlief, in dessen Zimmer gegangen und habe mit einem Feuerzeug seine Matratze angezündet. Die Beschuldigte, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Bewohnerin der Einrichtung war, verließ das Zimmer sofort wieder und holte nach wenigen Minuten Hilfe bei der Nachtbereitschaft, nachdem sie gesehen hatte, wie der Rauch unter der Zimmertür hervorquoll. Zu einem Vollbrand kam es deshalb nicht. Doch die diensthabenden Mitarbeiter der Einrichtung bestätigten als Zeugen, dass das Bettzeug zerstört worden sei und der Rauch sich bis in den Flur ausgebreitet habe. Der Rauchmelder wurde ausgelöst. Das Betreuerteam entfernte die glimmende Matratze.

Der Mann, den die Angeklagte bereits aus einer anderen Einrichtung kannte, erlitt außer Brandblasen an der rechten Hand und dem linken Fuß keine weiteren Verletzungen. Brandsachverständiger Karl-Heinz Simon erklärte der Schwurgerichtskammer jedoch, durch die glimmende Matratze hätte sich durchaus so viel Rauch entwickeln können, dass die Situation für den Mann tödlich geworden wäre – je nachdem, ob das Fenster offen oder zu ist, innerhalb von fünf bis zehn Minuten.

Dem vorsitzenden Richter Karlheinz Münzer ging es darum, herauszufinden, was die Absichten der Beschuldigten waren und ob sie die Tat im Vorfeld geplant hatte. Den Gedanken, ein Feuer zu legen, habe sie "erst an diesem Tag" gefasst, so die Beschuldigte. "Ich wollte nur, dass er eine Strafe bekommt", erklärte sie – eine Strafe für seine Drohungen im Vorfeld. Er habe ihr den neuen Freund nicht gegönnt, so die Angeklagte, die zuvor mit dem Opfer selbst liiert war. "Er hatte was dagegen und sagte, ›dir zahle ich’s mal heim‹", beschrieb sie die Streitigkeiten mit ihrem ehemaligen Freund. "Ich wollte ihn nicht töten, ich wollte ihm nur Angst einjagen, es tut mir sehr leid", beteuerte die 39-Jährige. Sie habe nicht gedacht, dass jemand ersticken könnte.

Gerold Renner, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sagte in seiner Aussage etwas anderes: In einem Gespräch einige Tage nach dem Vorfall habe die Angeklagte ihm gegenüber zugegeben, "ich wollte ihn totmachen". Sie habe sich von dem Mann eingeengt gefühlt. Auf die Frage, warum sie dann überhaupt Hilfe holte, habe sie geantwortet: "Ich hatte Angst, dass den anderen Bewohnern etwas passiert und ich dachte, er ist schon tot."

Erst von da an ermittelte die Polizei. Zuvor, so Kriminalhauptkommissar Steffen Fahrbach vom Polizeirevier Freudenstadt, sei man von Eigenbrandstiftung des Opfers ausgegangen, da es in dessen Zimmer am Tag zuvor schon mal gebrannt habe. Vermutlich sei der Bewohner damals mit einer Zigarette in der Hand eingeschlafen und habe selbst die Matratze leicht entzündet. Fahrbach glaubt, dass die Angeklagte schon verstanden habe, was sie tat, nur habe sie die Konsequenzen nicht überblickt.

Der psychiatrische Sachverständige forderte bei der Angeklagten, die bereits fünf stationäre Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich hat, verminderte Schuldfähigkeit gelten zu lassen. "Akustische Halluzinationen kann ich nicht ausschließen", erklärte er. Die Angeklagte habe gegenüber mehreren Ärzten behauptet, Stimmen zu hören. Hinzu kämen eine leichte Intelligenzminderung mit Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen. Außerdem sei ihre psychische Belastbarkeit eingeschränkt.

Der Sachverständige glaubt, dass die Frau die Tat spontan beschlossen und nicht über mehrere Tage hinweg geplant hatte. Sie habe aber seiner Ansicht nach gehofft, dass der Mann erstickt. Bei einer Bewährungsstrafe, schlägt er vor, sollte die Frau in ihrer jetzigen Einrichtung im Ortenaukreis bleiben, in die sie nach dem Vorfall im Kreis Freudenstadt verlegt worden war. Dort gehe es ihr laut ihrem gesetzlichen Betreuer gut, sie habe einen Freund und die Entfernung zu ihren Eltern sei nicht weit.

Die Schlussplädoyers und das Urteil sollen am kommenden Freitag ab 9 Uhr gesprochen werden.