Bürgermeister Volker Schuler (Mitte), Kassenverwalter Arnd Wurster und Ebhauser Sänger-Urgestein Roland Pfeifle (rechts) sind sich einig: Vereine erbringen nicht nur für die Dorfgemeinschaft, sondern allen voran für die Gesellschaft einen ungeheuer wertvollen Beitrag. Im Ebhauser "Vereinshaus" haben alle – ob Künstler, Naturschützer oder Schwarzwaldverein – ihr Stübchen. Foto: Mikulcic

Alternde Gesellschaft und gewandelte Strukturen machen sich bemerkbar. Entwicklung verlangt neue Lösungen.

Ebhausen/Calmbach/Calw - Zum Zeitpunkt seines 100-jährigen Bestehens im Jahr 1963 zählte der Liederkranz Ebhausen fast 70 aktive Mitglieder. Keine 52 Jahre später ist der traditionsreiche Chor von der Bildfläche der Vereinslandschaft verschwunden.

Plötzlich kam das Ende nicht. Es war ein schleichender Prozess. Einer der verbliebenen fünf Aktiven, die sich bei der letzten Mitgliederversammlung das Liederkranzes im Mai 2014 dazu durchrangen, ihren Verein aufzulösen, ist Roland Pfeifle. Was Vereine angeht, ist der Ebhauser Senior ein wahrer Tausendsassa. Doch er weiß: "Richtig aktiv kann man nur in einem Verein sein." Zunächst war Pfeifle bei den Dorfschützen dabei. Mit 30 stieß er zu den Sängern. Sein ganzes Leben war er dem Liederkranz als aktiver Sänger treu. Ein Szenario wie es für einen heute 30-Jährigen kaum mehr vorstellbar ist.

Angebote, die auf Disziplin und Verbindlichkeit fußten, gingen heutzutage fast grundsätzlich baden, sagt Arnd Wurster. Er ist Ebhausens Kassenverwalter. Wurster hat die Scheckübergabe organisiert, die das offizielle Ende des Liederkranzes markierte. Das verbliebene Vereinsguthaben wurde auf mehrere Kindergärten aufgeteilt. Dort reifen die Vereinsmitglieder von morgen heran. Könnte man meinen.

"Allein aus Tradition kann sich kein Verein mehr halten", sagt Volker Schuler, Ebhausens Bürgermeister. In zweiter Funktion ist Schuler Vorsitzender des Sportkreises Calw, einer Untereinheit des Württembergischen Landessportbundes. Mehr als 200 Vereine sind im Gebiet dieses Sportkreises organisiert. Das klingt nach einer Menge. Ist es auch. Doch der Trend zeigt weg von traditionellen Vereinsstrukturen. Zwar ist der klassische Fußballverein vor Ort nicht akut in seiner Existenz bedroht, die fetten Jahre sind aber auch hier passé. Spielgemeinschaften, Verbünde, die Spieler mehrerer Ortschaften in einer Mannschaft zusammenfassen, sind das Gebilde der Stunde.

Sportstudios, gibt Schuler zu Bedenken, verzeichneten hingegen einen Mitgliederzuwachs. Dabei ist eine Mitgliedschaft dort oft relativ teuer. Dass Mitglieder bereit sind, viel Geld auszugeben, hat für Schuler seinen Grund in der Individualisierung der Gesellschaft. Man zahle, sei dafür aber völlig unabhängig. Dieses Streben nach Unabhängigkeit, gekoppelt mit einer fortschreitenden Alterung nicht nur derer, die bisher das personelle Rückgrat der Vereine darstellten und immer noch ausmachen, sondern der gesamten Gesellschaft, zwingt Vereine, in ihrem Bemühen um Fortbestand neue Wege zu erproben.

Mehrere solcher neuen Modelle praktiziert der Kreisverband Blasmusik. Beispielsweise können Eltern zeitgleich mit der Unterrichtsstunde des Sprösslings ein Instrument erlernen oder auffrischen. So ist die oftmals mit den Musikstunden oder der Vereinstätigkeit der Kinder verbundene Fahrerei für die Eltern nicht nur Aufwand, sondern hat plötzlich einen Mehrwert. "Ein großer Erfolg sind unsere Bläserklassen", sagt der Calmbacher Uwe Göbel, Geschäftsführer des Blasmusik-Kreisverbandes.

Erst vor Kurzem ist "Max der Regenbogenritter" an der Fünf-Täler-Schule in Calmbach über die Bühne gegangen. Ganz vorne mit dabei: Bläser aus den Gruppen, die an der Realschule unterrichtet werden. Für Göbel eine gewinnbringende Konstellation. "Das bringt alle zusammen", sagt er. Das Kind habe eine Bühne für sein Können, die Angehörigen im Publikum einen Anlass zur Freude über das Erreichte.

Viele Musikvereine begriffen dieses Verhältnis Schule-Verein als Patenschaft. Den Unterricht erteile qualifiziertes Personal. Gleichzeitig würden Schüler bei wichtigen Vereinsterminen wie "Sommerhock’" oder Jahreskonzert eingebunden. "Als Vereinsmann hofft man natürlich, dass der ein oder andere dabei bleibt", hebt Göbel ein wichtiges Anliegen der Bläserklassen hervor. Nicht immer kommt es dazu.

Was für die Arbeitswelt der Erwachsenen gilt, trifft auf den Alltag der Kinder oft noch stärker zu. Ob Büffeln, Betrieb oder Büro – alle sind "mit Arbeit zugerammt", wie Arnd Wurster es ausdrückt. Und dann erst der Freizeitstress. Ein Widerspruch in sich. Wie man es wendet, regelmäßig frei verfügbare Zeit scheint Mangelware geworden zu sein. "Wir sind nicht mehr in der Lage, uns zu entschleunigen", so der Eindruck von Dieter Haag. Das Postulat des Vorsitzenden des Hermann-Hesse-Chorverbandes und Leiters der Calwer Musikschule lautet: Auf die Jugend setzen. Mit alltagskompatiblen Angeboten. Wie den vom Landratsamt mit einem Etat ausgestatteten Bläserklassen, zum Beispiel. Dort erlernt das Kind innerhalb der Unterrichtszeiten ein Instrument und erwirbt es eine wertvolle Grundfertigkeit.

Vielleicht beim ersten Hinsehen nicht offensichtlich, im Grunde an Wichtigkeit aber kaum zu übertreffen, sind die sozialen Fähigkeiten, die das Kind in einer solchen Struktur erlernt. Dieser Gesichtspunkt sei einer der großen Gewinne, die einer Gemeinschaft durch das Vereinswesen erwachsen – bejahen Pfeifle, Wurster und Schuler einmütig. Einen Weiteren benennt Arnd Wurster ganz lapidar: "Ohne Vereine keine Feste". Wenn das nicht Grund genug ist, dem Vereinswesen für seine Reformbereitschaft aus der Bevölkerung den bestmöglichen Zuspruch zu wünschen.