Die Kameras auch überregionaler Medien richteten sich am Donnerstag auf der Kreis Calw und seinen Landrat Helmut Riegger (rechts). Der Kreis gewann auch in zweiter Instanz einen Musterprozess gegen den Bundesverband Deutscher Privatkliniken. Foto: Kunert

Landrat hat gleich doppelten Grund zur Freude. Landesausschuss stimmt derweil Planungsrate für Konzept 3plus zu.

Stuttgart/Kreis Calw - Landrat Helmut Riegger hatte am Donnerstag gleich doppelten Grund zur Freude.

Zum einen verwarf das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart erwartungsgemäß die Berufungsklage des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDP). Bereits zuvor hatte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Baden-Württemberg positiv über die Aufnahme des Konzepts "3plus" für die Calwer Kreiskliniken in den Landeskrankenhausplan entschieden.

"Das ist ein richtig guter Tag für unseren Landkreis und für unsere Kliniken in Nagold und Calw", kommentierte Riegger dann auch folgerichtig diesen "Doppelschlag für die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung". Es sei "ein echter Meilenstein für unsere weitere Planung", jetzt die Zusage des Landesausschusses für eine sogenannte Planungsrate bekommen zu haben, mit der das Konzept "3plus" für die Sanierung des Kreiskrankenhauses Nagold und den Neubau der Klinik Calw nun konkret fortgeschrieben werden könne. Wie hoch diese Planungsrate letztlich in Euro und Cent ausfallen werde, liege jetzt beim Kabinett der Landesregierung. Riegger erwartet hier eine Entscheidung "in sehr kurzer Zeit", so dass dann als nächstes die tatsächlichen Planungen der beiden Bauprojekte finanziert wären und in Angriff genommen werden könnten.

Keine Stunde nach der Entscheidung des Landesausschusses konnte Landrat Riegger dann auch die zweite gute Nachricht des Tages in Empfang nehmen. Der unter anderem für Wettbewerbssachen zuständige zweite Zivilsenat des OLG Stuttgart wies die Berufung des BDP gegen ein Urteil des Landgerichts Tübingen in allen Punkten zurück. Der BDP hatte den Kreis Calw in einem Musterprozess stellvertretend für alle deutschen Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft verklagt, weil dieser seine Kreiskliniken in den Städten Nagold und Calw wiederholt bei der Defizitdeckung unterstützt sowie Ausfallbürgschaften und Investitionszulagen übernommen hatte. Die privaten Kliniken sehen darin einen Wettbewerbsverstoß unter anderem nach europäischen Recht, dem nun aber bereits die zweite Instanz widersprach.

Der Kreis Calw sei zur Unterstützung seiner Kliniken berechtigt, so das OLG Stuttgart in einer Stellungnahme zur Urteilsverkündung, da seine Krankenhäuser eine sogenannte "Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" erbrächten, für die es eine hier greifende Ausnahmeregelung auch in der europäischen Rechtsprechung gebe.

Der BDP hatte argumentiert, diese Ausnahmeregelung greife im konkreten Fall nicht, weil sich der Kreis Calw nur dann auf diese Ausnahmeregelung des europäischen Wettbewerbsrechts berufen könne, wenn eine qualitative medizinische Unterversorgung der Bevölkerung drohe. Nach Ansicht des BDP sei dies im Kreis Calw aber nicht der Fall, da es genug private Kliniken im Umkreis gebe, die den Bedarf der Bevölkerung nach medizinischer Versorgung decken könnten – und dies auch täten.

Das OLG Stuttgart mit seinem Vorsitzenden Richter Peter Röhm folgte dieser Argumentation des BDP allerdings nicht, da es die Ansicht vertrat, es sei nicht Sache des Gerichts, über den tatsächlichen medizinischen Bedarf für Krankenhäuser im Kreis Calw zu urteilen. Dies würde auf dem politischen Wege über den Landeskrankenhausplan geschehen, gegen den der BDP aber ja nicht geklagt habe.

So dürfe sich der Kreis Calw als Träger seiner Kliniken in den Städten Nagold und Calw auf den im Landeskrankenhausplan festgestellten öffentlichen Versorgungsauftrag für seine Krankenhäuser erfolgreich berufen. Mit der Konsequenz, dass er auch Defizite, Bürgschaften und Investitionen seiner Kliniken aus seinem Haushalt – sprich aus Steuermitteln – vollständig finanzieren dürfe.

Allerdings ließ auch das OLG Stuttgart die Revision ihres Urteils ausdrücklich zu, da es einen grundsätzlichen Klärungsbedarf in dieser Sache sicher auch auf Bundes- und europäische Ebene gäbe. Das Verfahren dürfte also als nächstes vor dem Bundesgerichtshof fortgesetzt werden, wenn – wie bereits angekündigt – der BDP tatsächlich Berufung gegen das OLG-Urteil von gestern einlegen wird. Die letzte Entscheidung in dieser Sache würde dann allerdings erst bei der übernächsten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof, liegen. Und hier, so machte nicht nur OLG-Richter Röhm deutlich, könnte es doch noch zu einer ganz anderen Entscheidung kommen.