Symbolbild. Foto: dpa

Interview: Kripochef Uwe Carl registriert kaum Auswirkungen der gut 1.000 Flüchtlinge auf Kriminalitätsgeschehen.

Calw - Stellen die vielen Flüchtlinge und Asylsuchenden im Land ein Sicherheitsproblem da – wenn ja: Auch im Kreis Calw?

Die Kriminalpolizei sieht sich gerade im Nordschwarzwald einem wachsenden öffentlichen Druck gegenüber, weil die "gefühlte" Sicherheitslage der Bürger mehr Gefährdung wahrnimmt als es die konkreten Meldungen der Polizei in den Medien rechtfertigen würden. Der Verdacht, der im Raum steht: Die Polizei nimmt politische Rücksicht auf Flüchtlinge. Grund genug beim Chef der Kriminalpolizei in Calw, Kriminaloberrat Uwe Carl, einmal im Detail nachzufragen.

Herr Carl, wie verändert sich aus Sicht der örtlichen Kriminalpolizei die allgemeine Sicherheitslage im Kreis Calw tatsächlich vor dem Hintergrund der aktuellen massiven Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsuchenden?

Uwe Carl: Im Moment sieht die Lage so aus, dass wir von der ganz großen Flüchtlingswanderung hier im Kreis Calw noch nicht so unmittelbar betroffen sind. Derzeit sind etwas über tausend Flüchtlinge und Asylsuchende bei uns, die der Landkreis Calw und die Gemeinden in aktuell knapp 60 Unterkünften kreisweit untergebracht haben. Wenn man das mit den Zahlen beispielsweise aus Karlsruhe mit der Erstaufnahmestelle oder auch bundesweit vergleicht, relativiert sich die Situation hier bei uns vor der Haustür doch sehr erheblich. Entsprechend können wir auch keine gravierenden Auswirkungen durch Flüchtlinge und Asylsuchende auf die Kriminalstatistik für den Kreis Calw feststellen. Im Vergleich zu den Vorjahren fällt das Jahr 2015 trotz seiner Höhen und Tiefen im bisherigen Verlauf nicht besonders auf.

Aber es fällt auf – wenn auch nicht ‘besonders’?

Die Veränderung in der laufenden Statistik macht vielleicht einen Zuwachs von rund ein bis zwei Prozent aus – über alles betrachtet.

Wenn man sich an den Stammtischen umhört oder in die sozialen Netzwerke schaut, könnte man aber einen ganz anderen Eindruck gewinnen.

Also – die Polizei hat mit dieser Zuwanderung, die stattfindet, tatsächlich jede Menge Arbeit. Allerdings in vielfältiger Form. Das sind aber nicht nur Straftaten, die wir verfolgen müssen. Es gibt diese Straftaten, keinen Zweifel, aber in der Gesamtsumme – noch einmal – wirklich nichts Gravierendes. Der größte Aufwand für uns durch die veränderte Situation – in der Summe etwa achtzig Prozent der Einsätze – entsteht durch Aufgaben, die nichts mit Straftaten zu tun haben; jedenfalls nicht direkt. Zum Beispiel Objektschutzaufgaben. Da können aber die Flüchtlinge nichts dafür, da sind andere Schuld, vor denen wir die Flüchtlinge wiederum schützen müssen. Wie ich sagte, das sind annähernd 60 Objekte im Kreis – da gibt es einiges zu tun. Aber die Polizei kümmert sich auch um Abklärungssachverhalte unterhalb von Straftaten, die es immer wieder einmal gibt. Und um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Das beschäftigt die Kollegen von den Streifendiensten und auf den Polizeiposten schon ganz ordentlich.

Und die übrigen 20 Prozent der Einsätze?

Wo wir echte Veränderungen feststellen, ist zum Einen bei der Zahl der Eigentumsdelikte. Da sind auch registrierte Flüchtlinge und Asylbewerber vertreten – durch Ladendiebstahl. Der zweite Bereich sind Rohheitsdelikte – also Körperverletzung. Aber die spielen sich in den Einrichtungen selbst ab. Da sind halt viele unterschiedliche Kulturen eng beieinander unter einem Dach, da kommt es leider immer wieder einmal zu Reibungspunkten. Da sind aber so gut wie nie Deutsche betroffen. In die Öffentlichkeit bringen wir solche Geschehnisse in der Regel nicht, da wir über vergleichbare Fälle unter Deutschen, aus Gründen des Opferschutzes, auch keine Veröffentlichungen durchführen. Da gibt es kein nachrichtliches Interesse der Öffentlichkeit. Die schweren Delikte, also Raub oder Sexualdelikte, finden bei uns bisher nicht statt – sieht man einmal von einem Exhibitionisten und einem auffälligen Verhalten eines namentlich bekannten Asylbewerbers im Schwimmbad ab.

Und was ist mit dieser Frau im Bus nach Bad Herrenalb, die Anfang September mutmaßlich von drei dunkelhäutigen Männern sexuell belästigt worden sein soll? In sozialen Netzwerken wird der Polizei hier Vertuschung vorgeworfen.

Grundsätzlich kann die Polizei sich nur zu Dingen äußern, die ihr auch belastbar zur Kenntnis gelangen. In diesem konkreten Fall haben wir bisher nur die Aussage und die Anzeige des Busfahrers. Wir suchen nach wie vor die mutmaßliche Geschädigte, die sich nicht gemeldet hat, um zu bestätigen oder zu erklären, was da damals genau passiert ist. Ob da wirklich eine Straftat vorliegt oder ob es sich um ein Geschehen im Rahmen einer schon länger andauernden Beziehung handelt, ist bisher offen. Oft erreichen uns auch sogenannte HOAX-Meldungen, die in den sozialen Medien kursieren und denen wir auch immer nachgehen, um sie so weit wie möglich aufzuklären. Aber ich möchte davor warnen, solche Sachverhalte dazu zu benutzen, um Ängste in der Öffentlichkeit zu schüren, die mit der Realität bei uns nichts zu tun haben.

Wie erklären Sie die Diskrepanz, zwischen dem, was die Bürger offenbar subjektiv erleben in Bezug auf Kriminalität durch Asylbewerber und der objektiven Realität, wie sie die Kriminalstatistik widerspiegelt?

Genau das ist im Augenblick die Herausforderung für die Polizei, diese Diskrepanz den Bürgern gegenüber aufzuklären. Und zu zeigen, dass es hier bei uns im Kreis Calw keine besondere Gefährdung durch Flüchtlinge gibt. Zwischen der gefühlten und der objektiven Sicherheit gibt es aber schon immer gewisse Differenzen. Im Moment kommt da sicher noch die extreme große mediale Aufmerksamkeit hinzu, die das Thema Flüchtlinge allgemein im Augenblick genießt. Aber wir sind hier nicht in Karlsruhe, wo das Thema Raub in diesem Zusammenhang beispielsweise eine ganz andere Dimension hat. Aber hier bei uns im Kreis Calw gibt es das eben gar nicht. Wir waren immer unter den Top-Drei oder -Vier der sichersten Landkreise in Baden-Württemberg. Und sind es auch jetzt. Das Sicherheitsniveau hat sich nicht verändert.

Und wie ist es mit der Sicherheit für die Flüchtlinge – wenn die auch hier bei uns Objektschutz brauchen?

Bislang verzeichnen wir einige öffentliche ausländerfeindliche Schmierereien und eine Sachbeschädigung am damaligen Rohbau der Flüchtlingseinrichtung in Wimberg. Sorge bereiten uns aber in letzter Zeit einige Kommentare in den sozialen Medien, die so locker dahingeschrieben werden, jedoch von ihrem Inhalt des Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklichen. Da ermitteln wir von der Kripo in allen Fällen. Im Großen und Ganzen kann man jedoch schon feststellen, dass der Kreis Calw auch für Flüchtlinge sicher ist. Ich wünsche mir, dass die Bürger des Landkreises auch weiterhin so besonnen wie bisher agieren.

Die Fragen stellte Axel H. Kunert