Uve Sievers (rechts) und Hagen Strohhäker sind die Ärzte des Medizinischen Versorgungszentrums in Bad Wildbad. Foto: Fritsch

Interview Betriebsleiterin Zeitler-Dauner spricht über Medizinisches Versorgungszentrum und Praxissterben.

Kreis Calw/Sindelfingen - Der Klinikverbund Südwest hat in Bad Wildbad nun sein erstes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) außerhalb seiner Klinikstandorte übernommen und so eine Praxis vor dem Aus bewahrt. In einem Interview spricht Melanie Zeitler-Dauner, Betriebsleiterin der MVZ im Klinikverbund Südwest sowie stellvertretende Geschäftsführerin der Krankenhaus-Service GmbH, über den Weg zum MVZ, den Beitrag des Klinikverbundes und die Möglichkeit, dass MVZ dem drohenden Praxissterben ein Ende setzen könnten.

Was sind MVZ auch im Unterschied zu einer normalen Praxis und was ändert sich für die behandelnden Ärzte?

Zeitler-Dauner: Bei Medizinischen Versorgungszentren, kurz MVZ, handelt es sich um ambulante Gesundheitseinrichtungen, meist geführt von Ärzten unterschiedlicher Fachdisziplinen. Im Gegensatz zu niedergelassenen, selbständigen Ärzten, die das volle unternehmerische Risiko tragen und ihre Praxis mitsamt Personal und Interieur aus eigener Kraft finanzieren müssen, bietet ein MVZ Medizinern einen Arbeitsplatz im Angestelltenverhältnis. Als Arbeitgeber, sprich Träger des MVZ, kommen von Gesetzes wegen neben Ärzten selbst auch Krankenhausbetreiber oder beispielsweise Kommunen in Frage.

Was machte den Einstieg des Klinikverbunds in die Praxis in Bad Wildbad nötig?

Dr. Uve Sievers und Dr. Hagen Strohhäker boten uns die Praxis zum Kauf an, nachdem die intensive Suche nach einem selbständigen, ärztlichen Praxisnachfolger jahrelang erfolglos blieb – was natürlich im Endeffekt früher oder später die Schließung der Praxis bedeutet hätte. Der Klinikverbund führt jetzt seit Oktober die Praxis für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sportmedizin als MVZ weiter und ist nach dem Ausscheiden der bisherigen Praxisinhaber dann natürlich auch in der Verantwortung, zukünftig fachlich geeignete Ärzte für den Fortbetrieb zu finden.

Welche formalen Hürden mussten auf dem Weg zum MVZ Bad Wildbad übersprungen werden?

Die Gründung eines MVZ ist an strenge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft, insbesondere ist dies nur im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung möglich. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) legt für bestimmte Regionen fest, wie viele Ärzte einer bestimmten Disziplin sich dort höchstens niederlassen dürfen und vergibt eine entsprechende Anzahl an Sitzen. Das maßgebliche Kriterium dafür ist die Bevölkerungszahl. Für Bad Wildbad mussten wir uns somit ganz regulär dem Zulassungsausschuss der KV stellen, um die Praxis übernehmen zu dürfen.

Wie sieht der konkrete Beitrag des Klinikverbunds zum Betrieb des MVZ aus?

Wir sind fortan Arbeitgeber der gesamten Belegschaft der bisherigen Praxis, sprich wir haben alle Mitarbeiter übernommen. Zudem werden wir künftig den Ärzten einen Großteil ihrer Verwaltungsaufgaben abnehmen.

Gibt es weitere MVZ im Kreis Calw und im Klinikverbund und welche Erfahrungen hat man bisher damit gemacht?

Das am 1. Juli diesen Jahres eröffnete MVZ in Nagold beispielsweise umfasst eine Praxis für Innere Medizin mit Gastroenterologie und Proktologie sowie eine Praxis für Allgemeinmedizin. Zudem gibt es im Klinikverbund bereits seit mehreren Jahren MVZs in Sindelfingen und Böblingen mit den fachlichen Schwerpunkten Radiologie, Onkologie, Pathologie und Labormedizin, die sich mittlerweile sehr gut etabliert haben.

Nimmt die Bevölkerung MVZs an?

Ja, sehr gut sogar. Grundsätzlich ist es für Patienten ohnehin nicht sehr bedeutsam, in welcher Trägerschaft eine Praxis geführt wird. Für die Menschen ist es einfach wichtig, weiterhin eine wohnortnahe, medizinische Anlaufstelle zu haben mit qualifizierten Ärzten, denen sie vertrauen.

Sind weitere MVZ im Kreis angedacht oder schon konkret in Planung?

Dem Klinikverbund werden regelmäßig Angebote unterbreitet, zumal wenn Praxen vor der Schließung stehen. Wir sind uns da unserer Verantwortung bewusst, sehen wir uns doch als wichtigen Bestandteil der medizinischen Versorgung in der Region – sei es im stationären oder im ambulanten Bereich – und wollen solche Sitze natürlich nicht verwaisen lassen. Allerdings müssen sie natürlich in das Portfolio des Klinikverbundes Südwest passen. Wenn wir zum Beispiel sicher sind, dass wir die benötigten Facharztstellen nicht dauerhaft mit Nachwuchskräften besetzt bekommen, macht eine Übernahme wenig Sinn und würde nur einem Sterben auf Raten gleichkommen. Die Qualität der medizinischen Versorgung steht und fällt nun mal mit den Ärzten, die sich einer Region verschreiben wollen, sei es im Angestelltenverhältnis im MVZ oder klassisch als niedergelassener Arzt.

Ist das Modell MVZ auch an anderen Orten im Kreis Calw  als Mittel gegen das Praxissterben denkbar?

Im Prinzip ja, Städte und Gemeinden sehen sich gerade im ländlichen Raum zunehmend mit einem Ärztemangel konfrontiert. Gibt ein niedergelassener Arzt seine Praxis auf und findet keinen Nachfolger, kann es passieren, dass sein kassenärztlicher Sitz verwaist oder – falls es im weiteren Umfeld eine Alternative gibt – sogar ganz verfällt. In dem Fall würde der Bevölkerung ein Arzt ersatzlos verloren gehen; lange Anfahrtswege und möglicherweise sogar Unterversorgung wären die Folgen. Es sei denn, es findet sich eine Kommune oder eine Einrichtung, die diesen Sitz übernimmt und ihn so für die Region sichert. Die Gründung und Führung eines MVZ bedarf aber einiger Erfahrung im Dschungel des Gesundheitswesens und Kommunen tun sich hier ohne Expertenbeistand erfahrungsgemäß oftmals noch schwer.

Info: Informationsabend zum MVZ

Die chirurgische Versorgung in Bad Wildbad stellt sich neu auf: Ob der Fuß verdreht ist, die Hüfte schmerzt oder der Bauch zwickt, im neuen Medizinischen Versorgungszentrum Bad Wildbad werden Patienten wie gewohnt umgehend und wohnortnah versorgt. Im Rahmen eines Informationsabends am heutigen Mittwoch, 4. November, um 18 Uhr im Forum König-Karls-Bad (Haus des Gastes), Bad Wildbad, unter dem Motto "Wir bieten dem Praxissterben im ländlichen Raum die Stirn" stellen Bürgermeister Klaus Mack und Uve Sievers das neue Versorgungskonzept der Bürgerschaft vor. Als Gastredner werden zudem die Chefärzte Martin Handel und Ralf Wilke vom Kreisklinikum Calw-Nagold anwesend sein.