Kreis Calw - Angebrüllt, beleidigt, angegriffen: Polizisten müssen manchmal einiges aushalten. Vor kurzem hat die Bundesregierung daher ein Gesetz auf den Weg gebracht, das solche Übergriffe härter bestraft. Auch im Kreis Calw kommt es immer wieder zu Attacken – Tendenz steigend.

Als am 17. Februar eine Schuhwerkstatt in der Nagolder Bahnhofstraße brannte, war die Feuerwehr mit einem Großaufgebot vor Ort. Doch nicht nur die Einsatzkräfte, auch schaulustige Passanten hielten sich dort auf. Einer von ihnen sollte aus dem Weg gehen, um der Feuerwehr die Arbeit zu erleichtern – doch der missachtete einfach die Anweisungen der Polizei. "Der ist beinahe handgreiflich geworden", erzählt Kreisbrandmeister Hans-Georg Heide. Ein Einzelfall?

Ja und nein. Denn in einem Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) über Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte sind weitere Fälle des Widerstandes gegen die Staatsgewalt für den Landkreis Calw aufgelistet – insgesamt sieben Stück für das Jahr 2015. Und damit 4,6 Fälle pro 100.000 Einwohnern.

Was im Vergleich zu Städten wie Stuttgart (284 Fälle; 46,4 Fälle pro 100.000 Einwohnern) oder Berlin (2211 Fälle; 63,7 Fälle pro 100.000 Einwohnern) nach wenig klingt, darf dennoch nicht unterschätzt werden, macht Sabine Doll, Sprecherin des Polizeipräsidiums Karlsruhe deutlich. Denn obwohl die genauen Zahlen für die Statistik des Jahres 2016 noch nicht öffentlich sind, stehe zum Thema Übergriffe gegen Polizisten fest: "Es hat massiv zugenommen", berichtet Doll. "Tendenz steigend."

Eine Entwicklung, die angesichts des BKA-Berichts nicht überrascht. So heißt es dort, dass die Entwicklung der Fall- und Opferzahlen "die in Deutschland unvermindert hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung" gegen Polizisten verdeutliche. Und zwar Gewaltbereitschaft, die sich nicht nur bei Großereignissen wie Demonstrationen zeige, sondern auch im alltäglichen Streifendienst.

Das beweisen auch die Übergriffe im Kreis Calw. So habe sich in einem Fall ein Täter geweigert, seine Personalien anzugeben. Wie in einem solchen Fall oft üblich, wollten die Polizisten ihn daraufhin mit zur Dienststelle nehmen, um seine Identität zu klären. Massive Gegenwehr war die Folge.

In einem anderen Fall habe ein Täter eine auferlegte Geldstrafe nicht bezahlt. Nach zahlreichen Mahnungen kam es zu einem sogenannten Vorführbefehl. Dann muss die Polizei den säumigen Schuldner abholen und inhaftieren, bis die Strafe abgesessen ist – oder eben doch bezahlt wird. Der Täter sah das offenbar nicht ein und leistete erheblichen Widerstand.

In etwa zwei Drittel bis drei Viertel aller Fälle, so Doll, seien Alkohol oder Drogen im Spiel; manchmal spielten auch psychische Krankheiten eine Rolle.

Doch wie ist die wachsende Anzahl von Übergriffen im Hinblick auf das Ansehen der Ordnungshüter zu werten? "Der normale Bürger hat schon noch Respekt vor der Polizei", meint dazu die Sprecherin des Polizeipräsidiums. Für jenes Klientel, das die Polizei seit jeher beschäftige – die Gesetzesbrecher – gelte dies jedoch nicht. Hier habe der Respekt spürbar nachgelassen.

All diese Umstände lassen natürlich auch die Ordnungshüter nicht kalt. Man mache sich schon mehr Gedanken als früher darüber, was am Einsatzort warten könnte, sagt Doll. Und auch wenn sieben Fälle in einem Jahr im ganzen Kreis wenig erscheinen, erklärt die Sprecherin unmissverständlich: "Die ganz heile Welt haben wir auch in Calw nicht mehr."

Kommentar: Sieben zu viel

Von Ralf Klormann

Polizisten, die Freunde und Helfer. Sie beschützen Menschen, jagen Verbrecher und achten darauf, dass die Gesetze eingehalten werden. Wichtige Aufgaben, für die die Ordnungshüter Respekt verdienen. Dennoch kommt es immer wieder zu Übergriffen, werden die Polizisten beleidigt, angebrüllt, attackiert – auch im Landkreis Calw. Und die

Fallzahlen steigen. Gewiss: Um ein Massenphänomen handelt es sich mit gerade einmal sieben registrierten Fällen innerhalb eines Jahres im Kreis längst noch nicht. Eine besorgniserregende Entwicklung ist es aber allemal. Denn wenn Respekt und Achtung vor jenen Menschen verloren gehen, die den Rechtsstaat schützen sollen, gerät letzten Endes auch dieser Rechtsstaat selbst in Gefahr. Unter diesem Aspekt wird eines deutlich: Selbst sieben mickrig erscheinende Fälle sind genau sieben zu viel.

Info: Strafen

Wer Vollstreckungsbeamte – also Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr in Ausübung ihrer Pflicht –, bedroht, angreift oder anders Widerstand leistet, wird laut Paragraf 113 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.