Nach den politischen Grundsatzentscheidungen geht es für Landrat Helmut Riegger jetzt an die Umsetzung der Pläne für Kliniken und Hesse-Bahn. Foto: Bernklau

Sommerinterview: Nach Kliniken und Hesse-Bahn bleibt Landrat Helmut Riegger keine Zeit zum Durchschnaufen.

Kreis Calw - Nach zwei mit großer Mehrheit gefassten Grundsatzentscheidungen in Sachen Kliniken und Hesse-Bahn sieht Helmut Riegger die Zeit der Umsetzung für gekommen. Für Calws Landrat bleibt trotzdem keine Zeit zum Durchschnaufen – auch weil er mit der Unterbringung der Flüchtlinge ein riesiges Problem vor der Brust hat.

Das Jahr 2015 hatte es für Helmut Riegger bisher wahrlich in sich. Gleich an zwei Fronten hatte er mächtig zu kämpfen: bei der Hesse-Bahn ebenso wie bei den Krankenhäusern. Sein Vorhaben, vom Kreistag zu beiden Themen noch vor der Sommerpause Grundsatzbeschlüsse zu bekommen, konnte er umsetzen. In beiden Fällen schaffte er es, eine große Mehrheit der Räte für seine Position gewinnen. "Natürlich habe ich mich über diese klaren Mehrheiten gefreut", gibt Riegger im politischen Sommerinterview auf der Dachterrasse des Calwer Landratsamtes zu. "Damit hat der Kreistag bei den großen Themen der Zukunft für den Landkreis eine große Geschlossenheit gezeigt."

100-prozentige Unterstützung vom Land und Kreistag

Diese große Geschlossenheit und diese klaren politischen Mehrheiten müssten die Gegner der beiden Großvorhaben endlich anerkennen, schreibt Riegger seinen Kontrahenten ins Stammbuch. Das gelte für die Calwer Bürgerinitiative pro Krankenhäuser genauso wie für die Politiker aus dem Kreis Böblingen, die immer wieder gegen das Projekt Hesse-Bahn vorgehen.

Genau mit jenen Hesse-Bahn-Kritikern sei man über viele Stunden an einem Tisch gesessen und habe ein Kompromisspapier erarbeitet, dem alle Beteiligten letztlich zugestimmt hätten. "Nun müssen sich auch diese Herren an die Vereinbarung halten", stellt Riegger klar, der das "ständige Nachkarten" aus dem Nachbarkreis scharf kritisiert. "Wir jedenfalls werden uns dran halten und schnell an die Umsetzung gehen." Für diese Linie habe er die 100-prozentige Unterstützung von Kreistag und Land.

Die in jüngster Zeit in der Region Stuttgart entflammte Debatte, statt der Hesse-Bahn lieber die S-Bahn-Linie 6 nach Calw zu verlängern, bereitet dem Calwer Kreischef derzeit keine schlaflosen Nächte. "Sie sehen mich da ganz gelassen", so Riegger. Er habe mit der Hesse-Bahn sein Konzept, das er umsetzen wolle, macht er klar. Bis 2011 habe sich die Region Stuttgart als Betreiberin der S-Bahn noch vehement geweigert, in den Kreis Calw zu fahren, erinnert er sich. weist die aktuellen Stuttgarter Pläne aber nicht in Bausch und Bogen von sich. "Wie die Sache am Ende heißt, ist egal. Wichtig ist die Anbindung von Calw an das S-Bahn-Netz Stuttgart. Die ist ein Muss."

Er könne sich auch die Verlängerung der S-Bahn nach Calw vorstellen, doch nur wenn zwei fundamentale Probleme geklärt seien. Punkt eins ist die Standardisierte Bewertung des Angebots – also die Kosten-Nutzen-Rechnung. Da lag die S-Bahn-Variante stets weit unter dem nötigen Wert von 1. "Wer die S-Bahn will, muss mir zeigen, wie man da über die 1 kommt", so Riegger, der auch eine Antwort auf die Frage einfordert, wer für die Mehrkosten für die S-Bahn-Variante aufkommen soll. Die liegen bei rund 90 Millionen Euro.

"Jetzt fordere ich von ihnen ein, dass sie zu ihrem Wort stehen"

"Bei beiden Fragen muss die Region Stuttgart einfach mal Vorschläge liefern", stellt der Calwer Kreischef fest. "Denn bisher war da viel Konjunktiv in den Aussagen und nichts Konkretes."

Riegger geht derzeit davon aus, dass man zumindest einen konkreten Fürsprecher für das Projekt in der Region Stuttgart hat: den Landkreis Böblingen. "Dort hat man gesagt, dass man zur Hesse-Bahn steht", ruft Landrat Riegger in Erinnerung. "Jetzt fordere ich von ihnen ein, dass sie auch zu ihrem Wort stehen."

Während bei Kliniken und Hesse-Bahn die Spannung etwas abzuflauen scheint, türmt sich seit einigen Wochen und Monaten ein Problem vor dem Landkreis auf, das tiefe Sorgenfalten im Gesicht des Kreischefs hinterlässt: die Unterbringung der Flüchtlinge. "Das ist unser größtes Problem und eine gewaltige Herausforderung", stellt Riegger klar. "Da müssen wir auf den Modus Notsituation umschalten."

Dass im Landratsamt bei diesem Thema die Alarmglocken schrillen, wundert angesichts der Zahlen nicht. Waren es im März noch 80 Flüchtlinge, die man im Monat unterbringen musste, waren es im Juli schon 156. Für das Jahresende plant man in der Behörde mit 250 Flüchtlingen im Monat. Und für die sucht der Landkreis "händeringend" nach Unterbringungsmöglichkeiten. "Wir stehen da wirklich mit dem Rücken zur Wand", sagt der Kreischef. Eine Hallen- oder Zeltstadtlösung, das hat Riegger bereits mehrfach klargestellt, kommt für ihn nicht in Frage. "Ich will die Menschen vernünftig unterbringen." Dabei müsse man auch unkonventionelle Lösungen finden, werde Unterbringungsmöglichkeiten auch in kleineren Gemeinden suchen und auch dort Chancen ergreifen, wenn diese sich bieten.

"Wir stehen mit dem Rücken zur Wand"

Für diese Notsituation hat der Landkreis sein Personal in der zuständigen Abteilung massiv aufgestockt. Waren früher für dieses Thema vier Angestellte verantwortlich, so sind es nun bald 40. Das hat nicht nur zur Folge, dass der Landkreis Calw nach Aussagen von Riegger im kommenden Jahr stolze zehn Millionen Euro für die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung in den Haushalt einstellen muss. Es hat auch zur Folge, dass man im Calwer Landratsamt im wahrsten Sinne des Wortes eng zusammenrücken muss. Für 20 neue Mitarbeiter entsteht im Haus A im oberen Foyer ein Großraumbüro. Darüber hinaus werden die Besprechungsräume zu Büros umfunktioniert.

Riegger: "Wir müssen die Probleme gemeinsam angehen"

Auch auf einem weiteren Sektor ist für Helmut Riegger bald die Zeit des Handels gekommen: bei der Breitbandversorgung. Der umfangreiche bürokratische Vorlauf sei Ende des Jahres abgeschlossen. Danach werde man einen kreisweiten Zweckverband gründen und in der Folge mit großen Schritten in Richtung Breitbandausbau marschieren. Ab nächstem Sommer werde man damit beginnen, die nötigen Kabel zu verlegen – auch in kleinen Orten. Dabei ist klar, auf welche Verkabelung man setzen wird. "Wir brauchen Glasfaserkabel, das ist einfach die Zukunft", macht Riegger deutlich.

Auf einem anderen Gebiethat man beim Landkreis das Heft des Handelns schon länger in der Hand: beim Straßenbau. Da mache man in diesem Jahr einen weiteren Sprung nach vorne, so Riegger. Bis Jahresende würden 16 Millionen in die Straßen im Landkreis investiert.

Grund dafür, dass man beim zuständigen Ministerium in Stuttgart so gut zum Zug komme, sei, dass man in Form des Straßenentwicklungsplans eine längerfristige Strategie vorzuweisen habe. Eine Strategie zu haben, helfe generell, um bei Zuschussgebern zum Zug zu kommen – nicht nur im Straßenbau, ist Riegger überzeugt.

Um die Lösung der anstehenden Probleme besser hinzubekommen, wirbt Helmut Riegger um das, was er bereits in Sachen Kliniken und Hesse-Bahn im Kreis Calw erlebt hat: "Wir müssen die Probleme gemeinsam angehen", sagt der Landrat mit dem Brustton der Überzeugung. "Denn bestimmte Probleme können wir nur gemeinsam annehmen und vernünftig lösen."