Bei jedem Alarm – ob nun Fehlalarm oder nicht – werden bis zu 50 Wehrleute alarmiert. Ein Löschzug geht auf jeden Fall raus. Wie frustrierend es ist, wenn es ein Fehlalarm ist, davon weiß Martin Rentschler ein Lied zu singen. Foto: Bernklau

Viele wählen ohne Grund 112. Gefahr: Echte Alarmierungen kommen nicht durch. Frust bei Einsatzkräften.

Kreis Calw - Es ist der 21. Mai. Ein Sonntag. Im Bereich Bad Herrenalb/Dobel fällt der Strom aus. Binnen einer Stunde gehen in der Integrierten Leitstelle in Calw unter der Notrufnummer 112 rund 50 Notrufe ein. "Doch da war kein Notruf darunter. Kein Brand, kein Unfall. Die Leute wollten wissen, wann der Strom wieder da ist", erzählt Michael Rentschler, Leiter der Leitstelle, und weiß nicht recht, ob er nur verständnislos den Kopf schütteln oder sich ärgern soll. Denn es hätte gut sein können, dass durch diese 50 Anrufe ein echter Notruf blockiert worden wäre und ein Mensch dadurch im schlimmsten Fall ums Leben hätte kommen können.

Es ist ein ärgerliches Phänomen, mit dem sich die Feuerwehren im Kreis Calw aktuell immer öfter herumschlagen müssen: Immer mehr Menschen wählen aus vollkommen nichtigen Gründen den Notruf 112. Kreisbrandmeister Hans-Georg Heide und Leitstellenchef Rentschler haben da jede Menge Geschichten auf Lager. "Einer hat den Notruf angerufen und gefragt, wie er seinen Feuermelder montieren soll, wie viel Abstand er von der Wand haben muss", erinnert sich Heide.

Ein echter Notruf lief deswegen ins Leere

Ein anderer habe gefragt, wie groß der Abstand von einem Lagerfeuer im Garten zur Hauswand sein muss. Ein weiterer Anrufer wollte eine Beratung, welcher Feuerlöscher der Beste fürs Auto ist – alles am Notruf. "Die Menschen meinen, die Feuerwehr muss das doch wissen, dann rufe ich eben den Notruf an", sagt Heide. "Bei immer mehr Leuten fehlt es an der Alltagskompetenz, selbst bei jüngeren", analysiert der Kreisbrandmeister. "Früher hätte ein pragmatischer Rundumblick gereicht und die Frage wäre geklärt gewesen", ergänzt Michael Rentschler.

Auch durch ganz andere Dinge wird der Notruf immer wieder blockiert. So wollten 60 Menschen an einem Wochenende ein Gartenfeuer anmelden – und wählten den Notruf. "Durch diese vielen Anrufe lief tatsächlich ein Notruf ins Leere", erinnert sich der Leitstellen-Chef.

Und dann gibt es natürlich die Alarmierungen, die sich später als harmlos herausstellen. Etwa als Jugendliche in der Umkleidekabine einer Sporthalle sich mit Deodorant einnebelten und so den Feuermelder aktivierten. Oder der Großbauernhof, der abends das rötliche Wohlfühllicht für seine Kühe anschaltete. "An dem Tag war es noch richtig neblig und da sah das Ganze aus wie ein Großbrand", erinnert sich der Kreisbrandmeister und muss sich ein Lachen verkneifen.

Gar nicht zum Lachen finden die Retter von der Feuerwehr mutwillig und absichtlich herbeigeführte Fehlalarme, die ein Zehntel der Fehleinsätze der Wehren im Kreis Calw ausmachen. "Mit einem vorgetäuschten Alarm jemand anderen in die Bredouille zu bringen, das ist ein Straftatbestand", macht Kreisbrandmeister Heide klar. "Zu den Kosten für den Einsatz kommt dann auf den Täter auch noch die Strafe des Gerichts dazu", so Heide weiter, der bestätigt, dass es solche Vorkommnisse nicht nur in der Großstadt gibt. "Das gibt es nicht nur in Stuttgart sondern auch bei uns."

Was Heide und Rentschler an Fehlalarmen stört, ist zunächst einmal der große Aufwand, den die Feuerwehr letztlich umsonst betreiben muss. Bei einer großen Wehr wie der in Calw werden mal schnell 50 Wehrleute alarmiert, geht mindestens ein Löschzug raus. "Die Feuerwehr geht da immer von einem Notfall aus. Wir wissen nie ob es ein Fehlalarm sein könnte", erzählt Martin Rentschler von der Feuerwehr Calw. "Eine Unterscheidung gibt es da nicht." Umso größer ist dann die Frustration, wenn es sich um einen Fehlalarm handelt oder einen kokelnden Mülleimer, der neben einem großen Brunnen steht.

"Was viele Menschen da nicht bedenken, sind die Auswirkungen auf die Feuerwehrleute persönlich – und auch auf deren Arbeitgeber. "Wenn dann mal drei Alarmierungen an einem Tag kommen, dann wird es ganz schön kuschlig mit dem Chef", erzählt Martin Rentschler. Da komme dann schon mal das Argument, dass es nicht sein könne, dass ihre Arbeit wegen der Feuerwehr nicht erledigt werde.

Auch privat hinterlässt das Ganze Spuren

Doch den Stress gibt es für die Feuerwehrleute nicht nur beruflich, auch privat hinterlässt das Ganze seine Spuren. Besonders wenn der Alarm in der Nacht kommt. "Du schreckst hoch, das Adrenalin schießt durch den Körper, die Familie wacht natürlich auf", erzählt Martin Rentschler. "Und wenn das dann noch ein Fehlalarm ist, dann ist der Frust natürlich da", gibt er zu.

Und die Moral von der Geschicht? Für die Feuerwehrleute ist sie klar: Nur dann den Notruf wählen, wenn es um einen echten Notfall geht.

INFO

Die Zahlen

 Fehlalarme 2016 insgesamt: 270

 Davon böswillige Fehlalarme: 3

 Täuschungsalarme in gutem Glauben ("..ich glaube, bei meinem Nachbarn brennt es…."): 32

 Fehlalarme über Brandmeldeanlagen : 235

 Alarmierungen insgesamt: 1129

 Anteil der Fehlalarme: 24 Prozent