717 Haltestellen mit einem solchen Schild gibt es für den Centro bereits im Kreis Calw. Die könnten nun alle wieder abgebaut werden, wenn der Kreis als Träger des ÖPNV keine Initiative zur Rettung des Centro-Konzepts startet. Foto: Schwarzwälder-Bote

Nahverkehr: Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember droht dem innovativen ÖPNV-Konzept die Einstellung.

Kreis Calw - Der "Centro", das Rufbussystem im Landkreis Calw, gilt als das Modell schlechthin, wie der Personennahverkehr im ländlichen Raum in Zukunft aussehen könnte. Doch jetzt droht dem "Centro" das Aus.

Auf Nachfrage bestätigt der Geschäftsführer von Rexer-Busreisen, Arno Ayasse, als Betreiber der im Moment acht "Centro"-Busse im Kreis, dass zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember die Einstellung des Rufbus-Systems im Kreis Calw drohe. Der Grund ist einfach: "Der Centro ist ein Modellprojekt in der Anschubphase, dessen Verluste das Unternehmen Rexer bisher allein getragen hat" – als Investition in die Zukunft. Und um zu zeigen, welche Vorteile und Möglichkeiten "das geilste ÖPNV-Modell überhaupt" den Fahrgästen bietet. Aber auf Dauer könne sich sein Unternehmen, so Ayasse, diese Verluste "in Höhe eines großen sechsstelligen Betrags pro Jahr" natürlich nicht leisten.

Eine Einstellung des "Centro" wäre besonders bitter, weil die Kundenzufriedenheit und die Akzeptanz bei den Fahrgästen überwältigend sei. Bisher fahre der "Centro" in den Bezirken Bad Wildbad/Calmbach, Oberreichenbach, Simmersfeld, Neuweiler und Altensteig – immer mit der Orientierung in die Kreisstadt Calw. Aber praktisch von allen Kommunen im Kreis lägen Anfragen nach Anschluss an den "Centro" vor.

"Näher kommt der ÖPNV dem Auto nicht"

Auch in ganz Baden-Württemberg und sogar national und international sei das Interesse an dem innovativen Buskonzept groß. Weil "sich beim Centro der Fahrplan nach dem Fahrgästen richtet". Und die Haltestellen nie mehr als 200 Meter von der eigenen Haustür entfernt sind. 717 dieser Centro-Haltestellen gibt es bisher im Kreis Calw. "Näher kommt der ÖPNV nicht an den Komfort des Individualverkehrs – den privaten Pkw – heran."

Was sich auch im Profil der Fahrgäste des "Centro" widerspiegelt. Drei Monate lang hat Rexer-Chef Ayasse seine "Centro"-Busfahrer jeden Fahrgast, dessen gewählte Fahrroute und vor allen die Art des dabei genutzten Bustickets protokollieren lassen. Denn alle Zeit- und Dauerkarten im hiesigen Tarifsystem gelten auch im "Centro". Dann wurden die Ergebnisse aufs Jahr hochgerechnet. Was dabei herauskam: Vor allem Jugendliche nutzten mit ihren Schülerfahrausweisen den "Centro". Und das mit einem Schwerpunkt in außerschulischen Aktivitäten – als Fahrdienst etwa zum Konfirmandenunterricht oder zum Fußballtraining. Damit konnte sich der "Centro" als beliebte Alternative zum "Eltern-Taxi" im Kreis Calw etablieren. Kein Wunder also, dass Bürgerbefragungen wie etwa jüngst in Neuweiler unisono ergaben, dass der "Centro" ganz oben auf der Mobilitäts-Wunschliste der Bevölkerung im Kreis Calw steht. "Für die ländlichen Kommunen im Kreis ist der Centro längst zu einem Standortvorteil geworden."

Dem nun das Aus droht – obwohl alle begeistert sind. Und nicht nur die Nutzer, die Fahrgäste, von dem "Centro"-Prinzip überzeugt sind. Seit dem Sommer, so Arno Ayasse, seien die Zahlen des "Centro" beim Landratsamt als Planungsbehörde und in den zuständigen Ausschüssen des Kreistags bekannt. Und es seien dort auch Maßnahmen diskutiert worden, wie man unter Umständen den "Centro" noch retten könnte – etwa durch Leistungseinschnitte. Oder die Umwandlung in ein Sammeltaxi-System.

Ayasse fordert "eigentlich nichts"

"Aber das ist dann kein Centro mehr, weil es wieder fixe Fahrpläne mit festen Abfahrzeiten geben würde." Der Charme des "Centro" sei ja gerade, dass sich das System nach den Fahrgästen richtete – mit nur einer Stunde Vorlauf für die individuelle Disposition der gewünschten Abfahrtzeiten. Aber so oder so – eine Entscheidung des Kreises gab es bisher nicht.

Was Ayasse in der aktuelle Situation fordere? "Eigentlich nichts." Die in den vergangenen rund zwei Jahren seit der ersten Fahrt eines "Centro" in Oberreichenbach aufgelaufenen Verluste trage sein Unternehmen, da wolle er kein Geld zurück. "Der Centro war immer ein Angebot an den Kreis und seine Bürger. Wir wollten zeigen, was im ÖPNV heute alles möglich sein kann." Es läge jetzt beim Kreis und der Politik – als den von den Bürgern gewählten Entscheidungsträgern – ob sie dieses Konzept im Kreis Calw auch zukünftig den Bürgern anbieten wollten. Denn der Öffentliche Personen-Nahverkehr sei immer und überall ein politisches Infrastruktur-Instrument – weshalb Kommunen und Kreise sich die Planungs- und Entscheidungshoheit über Linien und Tarife für den ÖPNV stets vorbehalten würden. "Deshalb kann ich als Unternehmer nicht einfach Fahrpreise erhöhen oder das Tarifsystem umstellen." Wenn zum Beispiel jeder "Centro"-Nutzer, also auch Dauer- oder Schülerkarten-Besitzer, ein Euro pro Fahrt draufzahlen würden, würde sich der "Centro" bereits rechnen. Aber die Entscheidung darüber läge bei den Planungsgremien des Kreises.

"Im Moment haben wir keine Alternative"

Doch die Zeit werde langsam sehr knapp, so Ayasse. "Stichtag ist für uns die bevorstehende Fahrplan-Umstellung Mitte Dezember." Denn zu diesem Stichtag könne sich das Unternehmens Rexer als ÖPNV-Konzessionär vom "Centro"-Betrieb freistellen lassen. Womit die Uhren wieder zurückgedreht würden auf den Zustand im Busliniendienst vor der Einführung des "Centro". "Im Moment haben wir dazu keine Alternative." Denn die Verluste alleine weiterzutragen, sei natürlich keine Option.