Matthias Weippert im Wintergemüse bei der Kohlrabiernte. Zur nächsten Erntesaison soll das Projekt Solawi laufen. Foto: red

Solidarische Landwirtschaft auf dem Lärchenhof in Öschelbronn ins Leben gerufen.

Gäufelden-Öschelbronn/Nagold - In Öschelbronn auf dem Hof des Bauern Weippert geht ein außergewöhnliches Projekt der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) an den Start. Ackerbauer und Kunde tun sich zusammen.

In der Gaststätte am Radstadion drehte sich jetzt alles um die »Solidarische Landwirtschaft«, ein alternatives Konzept, bei dem sich Erzeuger und Verbraucher direkt zusammenschließen: Haushalte finanzieren die Kosten des Bauers vor und erhalten im Gegenzug dessen Ernteertrag.

Diese Art des marktunabhängigen Wirtschaftens habe ihn überzeugt, seit er sie kennengelernt habe, erzählt Matthias Weippert, dessen Familie schon seit mehreren Generationen in der Landwirtschaft tätig ist. Kennengelernt hat er die Solidarische Landwirtschaft, kurz »Solawi« genannt, über Freunde, während er in der Nähe von Freiburg seine Ausbildung zum Gärtner mit Fachrichtung Gemüseanbau in einem Bioland-Gemüsebaubetrieb absolviert hat.

Nun möchte der 27-Jährige auf seinem Lärchenhof auf fünf Hektar Fläche, die er vom elterlichen Betrieb gepachtet hat und die er nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet, das Projekt »Solawi« realisieren: 1,3 Hektar sind für den Gemüseanbau vorgesehen, rund 50 Sorten soll das Sortiment umfassen. Dazu kommen verschiedene Obstsorten und auf drei Hektar Getreide wie Dinkel und Einkorn, das in einer nahen Mühle gemahlen wird.

Für diesen Anbauplan kalkuliert Matthias Weippert mit rund 100 Anteilseignern, die die Finanzierung des Anbaus sowie die Abnahme der erzeugten Produkte für jeweils ein Jahr garantieren. Das reguläre Wirtschaftsjahr startet dabei immer am 1. Juli und geht bis zum 30. Juni des Folgejahres. Das Auftaktjahr verkürze sich daher, weil es erst zum 1. Dezember 2015 startet, auf sieben Monate, erläutert Weippert gemeinsam mit Klaus Gräff, der mit seiner Expertise als Diplom-Agraringenieur noch weitere Solawi-Projekte im Raum Tübingen und Stuttgart koordinierend begleitet.

Die interessierten Gäste erhalten aber nicht nur Einblick in die Konzeption, sondern auch in die Vollkostenkalkulation: Mit rund 112 000 Euro Kosten rechnet der Junglandwirt, den größten Anteil daran machen mit rund zwei Drittel die Lohnkosten aus.

Das bedeutet für den einzelnen Anteilnehmer, dass er monatlich einen durchschnittlichen Beitrag in Höhe von 93 Euro zu tragen hat, also rund 23 Euro pro Woche. Welche Mengen Gemüse, Obst und Mehl die Mitglieder dann im Gegenzug erhalten, darüber gibt der Saisonkalender Auskunft.

Das Ernterisiko tragen die Anteilsnehmer, der Landwirt bleibe aber Unternehmer und stehe auch in der entsprechenden Verantwortung, betonte Klaus Gräff. Aber, so Weippert, beim Gemüseanbau würden durch die relativ kurzen Zeiten, die die einzelnen Kulturen auf dem Feld stünden beispielsweise bei Hagel keine langfristigen Ausfälle entstehen und das Risiko werde zudem auf vielen Schultern verteilt. Nur ein Vorteil der »Solawi«, so Weippert und Gräff.

Landwirte hätten zudem Planungssicherheit durch die Vorfinanzierung, machten sich von den Marktmechanismen, die die Preise für landwirtschaftliche Produkte üblicherweise bestimmen, unabhängig. Außerdem werde ihre Arbeit bei fairen Arbeitsbedingungen anständig entlohnt: 18 Euro Stundenlohn werden für den Landwirt bei der Kalkulation zugrunde gelegt. Die Anteilsnehmer eines Solawi-Projekts erhalten im Gegenzug nicht nur frische, regionale und saisonale Lebensmittel, sondern können sich zudem über den sogenannten »Solawi-Kreis«, der sich regelmäßig trifft, unter anderem in die Anbauplanung einbringen. Daher seien die Anteilsnehmer nicht nur Konsumenten, sondern gleichzeitig auch Produzenten, weshalb sie in der Solidarischen Landwirtschaft auch »Prosumenten« bezeichnet werden, um die Verschmelzung von Konsumenten und Produzenten zu betonen, so Gräff weiter.

Diese haben auch die Möglichkeit, an mehreren Terminen im Jahr auf den Feldern mitzuhelfen: »Das ist ein Kann, kein Muss!«
Abholgemeinschaft auch für Nagold geplant

Eine weitere gemeinschaftsbildende Maßnahme wäre zum Beispiel die Bildung von Abholgemeinschaften, die sich gegenseitig bei der wöchentlichen Abholung der Erzeugnisse unterstützen. Eine solche Abholstelle soll nicht nur der Hof selbst sein; sobald geeignete Räumlichkeiten gefunden werden, sollen weitere Punktstationen auch in Rottenburg, Nagold und Herrenberg eingerichtet werden.

Damit die Solidarische Landwirtschaft starten kann, müssen mindestens 55 Anteilnehmer gefunden werden, mit 70 hat Matthias Weippert für die ersten sieben Monate kalkuliert. Die Abnahmemenge sei dabei für eine mehrköpfige Familie oder für Nachbarn, die sich zusammentun und nicht an Einzelpersonen ausgerichtet, erläuterte Klaus Gräff. In einer ersten »Bieterrunde«, die im Anschluss an die allgemeine Informationsversammlung stattfand, haben sich 35 Anteilsnehmer gefunden, die den Einzelvertrag mit Mattias Weippert bereits unterzeichnet haben. »Ein gutes Ergebnis«, zeigte sich Klaus Gräff zufrieden.

Diese Bieterrunden, die es bei laufenden Solawis einmal im Jahr gibt, zeichnen sich dadurch aus, dass es die Bieterrunde als Gemeinschaft auch weniger Gutbetuchten ermöglichen kann, Mitglied der Gruppe zu werden: Wenn einige bereit sind, mehr zu zahlen, können andere wiederum mit einem Abschlag von maximal rund 15 Prozent unter dem Richtwert auch einen Anteil erwerben, erläuterte Klaus Gräff eine weitere soziale Komponente der Solawi.

Eine weitere Bieterrunde wird es am 13. November ab 19 Uhr im Öschelbronner Radsportheim, Brenntenwäldle 1, geben.

Weitere Informationen: http://www.laerchenhof-solawi.de