Besucher und Aktionäre der Daimler AG schauen sich vor der Hauptversammlung des Konzerns in Berlin einen Mercedes-Benz SLS AMG Electric Drive an Foto: dpa

Daimlers Strategie geht auf – doch wer könnte einmal Chef werden? Denn die Krönung des Lebenswerks eines Topmanagers ist nicht der Erfolg der Firma, sondern die gelungene Nachfolge, findet unser Kommentator Klaus Köster.

Stuttgart - Manchmal fügen sich Ereignisse so zusammen, dass es so aussieht, als stünde eine Dramaturgie dahinter. Vor wenigen Tagen konnte der Daimler-Konzern stolz verkünden, im März so viele Autos verkauft zu haben wie noch nie zuvor in einem Monat. Wenige Tage später steht Konzernchef Dieter Zetsche vor Tausenden Aktionären in Berlin, um deren Einschätzung zu seiner Strategie abzuholen. Eine bessere Einstimmung für die Anleger hätte es gar nicht geben können.

Jahrelang hatte Zetsche die Anleger ein ums andere Mal mit dem Hinweis vertröstet, man befinde sich in einem Übergangsjahr. Inzwischen sieht man, dass Zetsche tatsächlich dabei ist, seine Versprechungen einzulösen. Eine ganze Reihe neuer Modelle sind in den vergangenen Monaten auf den Markt gekommen – und allesamt kommen sie gut beim Kunden an. Bei den neuen Kompaktwagen hat Daimler das Durchschnittsalter der Käufer schlagartig um zehn Jahre gesenkt – kaum etwas zeigt deutlicher, wie stark Daimler aus seiner Routine ausgebrochen ist.

Auf den ersten Blick wirkt es merkwürdig, dass große Aktienfonds ausgerechnet jetzt, da Zetsche die Früchte seiner Bemühungen einfährt, dessen starke Stellung im Konzern bemängeln. „Zwei Jobs sind auf Dauer auch für den besten Manager einer zu viel“, sagte etwa Fondsmanager Info Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment – ein Lob, auf das Zetsche sicher gern verzichtet hätte. Denn tatsächlich ist die Doppelfunktion Zetsches als Chef von Daimler und der Mercedes-Autosparte eine logische Folge der Konzentration aufs Kerngeschäft.

Unproduktiven Machtkämpfe

Zetsches Vorvorgänger Edzard Reuter verfolgte seinerzeit die Strategie des integrierten Technologiekonzerns, zu dem eine Bahntechnik-Tochter ebenso gehörte wie der Elektrokonzern AEG und milliardenschwere Engagements in der Luft- und Raumfahrt. Reuters Nachfolger Jürgen Schrempp richtete das Unternehmen bereits deutlich stärker auf das Fahrzeuggeschäft aus, blieb aber weiter stark in der Luft- und Raumfahrt engagiert. Erst unter Zetsche wurde der Konzern wieder zum fast lupenreinen Fahrzeugbauer.

Doch wofür, wenn nicht für das Autogeschäft, soll der Chef eines Autokonzerns verantwortlich sein? Zetsches Doppelrolle als Mister Daimler und Mister Mercedes sorgt für klare Verantwortlichkeiten, vereinfacht die Abstimmung und beugt unproduktiven Machtkämpfen vor. Der Konzern spart Zeit und Geld, die Mitarbeiter Nerven – all das ist im Kampf um Marktanteile weit besser aufgehoben als in einem Dauer-Hickhack zwischen Daimler und Mercedes, wie man es aus früheren Zeiten kennt.

Weitaus berechtigter erscheint der Einwand, dass es bisher an einem Nachfolger für Zetsche fehlt. In all den Jahren, da er sich im Kreuzfeuer befand, hatte Zetsche womöglich weder die Zeit noch ein Interesse, mit Blick auf einen Generationswechsel Führungskräfte in den Vorstand zu holen. Etliche Vorstandsmitglieder liegen beim Alter so nahe beisammen, dass sie fast die gleiche Schulklasse hätten besuchen können. Vier Vorstände sind zwischen 53 und 55 Jahren, die übrigen drei zwischen 59 und 63. Ein Generationswechsel ist aus dem heutigen Vorstand nicht zu bewerkstelligen. Bei BMW ist das jüngste Vorstandsmitglied dagegen 48, bei VW sogar nur 45 Jahre alt.

Krönung des Lebenswerks

Gewiss, Zetsche hat Erfolg und sitzt zu Recht fest im Sattel. Doch die Krönung des Lebenswerks eines Topmanagers ist nicht der Erfolg der Firma, sondern die gelungene Nachfolge. So menschlich es ist, wenn Chefs sich lieber mit den nächsten Modellen als mit möglichen Thronfolgern befassen – für ein Unternehmen ist die frühzeitige Beschäftigung mit der Nachfolge existenznotwendig.

k.koester@stn.zgs.de