Mehr Zeit für den Nachwuchs: Die Elternzeit soll’s möglich machen – auch Landtagsabgeordneten Foto: dpa

Soll eine Gesellschaft, die Familienfreundlichkeit als eines ihrer zentralen Ziele formuliert, vor dem Parlament haltmachen? Nein, das wäre Unsinn, meint Landtags-Korrespondent Arnold Rieger.

Stuttgart - Abgeordnete sind etwas Besonderes: nicht angestellt, nicht selbstständig, auch nicht im Dienst des Staates. Über ihre Diäten entscheiden sie selbst, niemand kann ihnen kündigen, niemand schreibt ihnen vor, wie lange sie arbeiten. Die Wahl hebt Parlamentarier aus dem Volk heraus, das sie vertreten. Ist es da nicht folgerichtig, dass sie auch auf einem weiteren Feld eine Sonderrolle einnehmen: bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Die Erleichterungen jedenfalls, die der Gesetzgeber Arbeitnehmern gewährt, gelten nicht für ihn selbst. Ein Mandat hat man entweder voll – oder gar nicht.

Nun mag man einwenden, dass Mütter und Väter darüber frei entscheiden können. Niemand wird zur Politik gezwungen. Aber abgesehen davon, dass sich beides unerwartet überschneiden kann, stellt sich auch eine grundsätzliche Frage: Soll eine Gesellschaft, die Familienfreundlichkeit als eines ihrer zentralen Ziele formuliert, vor dem Parlament haltmachen? Nein, das wäre Unsinn. Denn die Zeit, da Volksvertreter allesamt männlich und ihre Kinder in häuslicher Obhut treusorgender Ehefrauen waren, ist vorbei. Insofern ist der Vorschlag der Landtagsarbeitsgruppe, ein Mindestmaß an Familienfreundlichkeit zu schaffen, legitim.

Allerdings gibt es noch ein paar Hürden. Was passiert zum Beispiel, wenn bei spontanen Abstimmungen ein Volksvertreter zu Hause gerade Windeln wechselt? Ist dann die Regierungsmehrheit in Gefahr? Klar ist: Man darf keinen Abgeordneten zwingen, gegen seine Überzeugung zu votieren. Die Elternzeit im Landtag wird also nur mit viel gutem Willen und einer großen Kinderkoalition funktionieren. Die Gefahr, dass jemand den Erziehungsurlaub ausnutzt, ist übrigens gering: Der Wähler wird nach fünf Jahren den Daumen heben – oder senken.

a.rieger@stn.zgs.de