Gastgeber und Moderator der SWR-Talkshow „Nachtcafé“ Wieland Backes. Foto: SWR-Pressestelle/Fotoredaktion

Lieber großes statt kleines Dorf: Die bald einzige Talk-Show des SWR, das „Nachtcafé", gehört auch weiterhin nach Stuttgart, findet Redakteur Uwe Bogen.

Stuttgart - Die Kirche bleibt im Dorf – aber die Talk-show nicht im Schloss. Es wäre auch zu schön gewesen. Da ging es mit dem SWR aufwärts, seit die Anstalt 2012 in Christoph Hauser, 57, dem früheren Arte-Programmdirektor, einen ideenreichen und unkonventionellen Fernsehdirektor bekommen hat. Nicht zuletzt dank der Regionalserie „Die Kirche bleibt im Dorf“ gelang es dem SWR, das Tabellenende in der Liga der dritten TV-Programme zu verlassen.

Vom barocken Lustbau ins E-Werk

Beim zweitgrößten Mitglied der ARD-Familie stieg der Jahresmarktanteil von mageren 6,8 Prozent auf 7,1 Prozent, was ihm einen Platz im Mittelfeld beschert. Alles schien auf Erfolg programmiert. Doch dann schlug die Sparkeule zu.

Beim Streichen und Kürzen traf es ausgerechnet einen Quotenbringer – die Talk-Show „Nachtcafé“, die nach 27 Jahren nicht nur ihren Moderator Wieland Backes (einen Rentenanwärter) verliert, sondern auch ihren prunkvollen Ausstrahlungsort (einen barocken Lustbau). 2015 geht’s vom Ludwigsburger Schloss Favorite ins E-Werk nach Baden-Baden. Wieder mal hat die Medienregion Stuttgart verloren. Und das soll diese tatenlos hinnehmen?

Gebühreneinnahmen verschwinden in Rücklagen

Für den interessierten Beitragszahler ist es nur schwer zu begreifen, was sich bei den Öffentlich-Rechtlichen tut. Nach Umstellung der GEZ-Gebühr wurde mehr Geld als erwartet eingenommen. Doch die Funkhäuser dürfen Mittel, die über den gemeldeten Bedarf hinausgehen, nicht verwenden, sondern müssen sie einer Rücklage zuführen. Weil 2015 der Rundfunkbeitrag um 48 Cent gesenkt wird, muss der SWR erneut ein Sparpaket schnüren. Es fehlen acht Millionen Euro.

Verstehen Sie die Logik? Mit Spaß, den der SWR dank versteckter Kamera bereiten will, hat das nichts zu tun. Die Dummen in der Rechnung sind die Stuttgarter. Sie finden es nicht lustig, erneut geleimt zu werden. Auch der Ludwigsburger OB ist enttäuscht. Er eilte zum SWR-Intendanten, versprach ihm, man könne auch während der Sanierung das Schloss Favorite nutzen, um daraus zu senden.

Intendant in Stuttgart lässt Talkshows ziehen

Der Hörfunk-Chefredakteur sitzt in Baden-Baden, der Fernseh-Chefredakteur in Mainz, die Tigerente muss von Göppingen nach Baden-Baden – und der in Stuttgart amtierende Intendant schafft (oder will?) es nicht, die bald einzige Talk-Sendung in seiner Nähe zu halten. Mit Standortpolitik habe der Umzug der Produktionsstätte des „Nachtcafés“ ins E-Werk von Baden-Baden nichts zu tun, sagt Peter Boudgoust. Zufällig wird dieser Ort im nächsten Jahr frei, wenn Frank Elstner mit dann 73 Jahren Abschied von der Sendung „Menschen der Woche“ nimmt, die wohl nicht ersetzt wird.

Wenn es nur um wirtschaftliche Aspekte geht, empfiehlt es sich, noch mal nachzurechnen. Das E-Werk gehört nicht dem Sender, es kostet Miete, auch wenn dank Glasfasertechnik keine Übertragungswagen notwendig sind. In Stuttgart steht das neu gebaute TV-Studio oft leer – bald auch freitags. Das neue „Nachtcafé“ könnte von dort mietfrei senden, freitags live, was andere Talks auch hinbekommen.

Die wenigsten Mitarbeiter wollen nach Baden-Baden

Unpraktisch ist, wenn die Redaktion in Stuttgart bleibt, was den Mitarbeitern nach den Protesten versprochen worden ist – etliche von ihnen müssen dann jede Woche zur Gästebetreuung und Aufzeichnung nach Baden-Baden fahren. Hat jemand die Reisekosten ausgerechnet?

Natürlich wird bei den SWR-Mitarbeitern, von denen die wenigsten nach Baden-Baden wollen, auf hohem Niveau gejammert. Nach Sparsamkeit sah es noch nie aus, wenn bei manchen Ereignissen mehrere SWR-Kamerateams für verschiedene Sendungen anrücken. Hoffen wir, dass noch ein großes Naturwunder geschieht, damit die Landeshauptstadt nicht erneut gegen Baden-Baden das Nachsehen hat. Lasst die Kirche im großen Dorf! Lasst die Talkshow in Stuttgart!

u.bogen@stn.zgs.de