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Auch unter dem Druck der Opposition will die Landes­regierung möglichst schon von 2016 an keine neuen Schulden mehr machen. Dennoch hat sie bei den Lehrerstellen jetzt die Notbremse gezogen. Denn Grüne und SPD wissen: Mit dem Thema Schule können Wahlen verloren werden, meint unsere Kommentatorin Maria Wetzel.

Stuttgart - Das soll nicht mehr passieren. Jahrelang ist die Landesregierung bei der sogenannten Lehrerbedarfsplanung von falschen Zahlen ausgegangen. In diesem Schuljahr sitzen rund 31 000 Schüler mehr in den öffentlichen Schulen, als das Statistische Landesamt 2010 vorausberechnet hatte. Jetzt ist amtlich, was sich seit Jahren schon abzeichnet: dass die Schülerzahlen bis zum Jahr 2020 deutlich weniger sinken werden als erwartet. Damit ist der Plan von Grün-Rot, von 2013 bis 2020 insgesamt 11 600 Lehrerstellen zu streichen, nicht mehr haltbar. Auf eine neue Zahl will sich Grün-Rot nicht mehr festlegen. Künftig soll auf Sicht gefahren werden.

Das ist gut. Erstaunlich ist allerdings, dass die Verantwortlichen in den Ministerien und im Statistischen Landesamt erst jetzt auf diese Idee kommen. Wie viele Schüler in den Klassen sitzen, melden die Schulen dem Kultusministerium schließlich jeden Herbst, und Ende April ist dort auch bekannt, wie viele sich wo für das folgende Schuljahr angemeldet haben. Natürlich ändern sich diese Zahlen noch etwas – aber die Tendenz ist klar. Damit ist eine frühzeitige und relativ verlässliche Planung für die Lehrereinstellung möglich. Die soll es künftig geben.

Die gute Nachricht, die SPD-Kultusminister Andreas Stoch Lehrern und Eltern mit in die Sommerferien gibt, ist, dass zum neuen Schuljahr nicht 1200 frei werdende Stellen wegfallen, sondern nur 363. Das ist wichtig, weil die Nöte und Anforderungen an vielen Schulen ja sichtbar sind. So ist die Zahl der Schüler unter anderem aufgrund von Einwanderung gestiegen – zum Teil lockt die gute Konjunktur Arbeitskräfte aus Südeuropa an, zum Teil suchen Flüchtlinge mit ihren Kindern hierzulande Schutz. Für die Vorbereitungsklassen, in denen diese Kinder und Jugendlichen zügig Deutsch lernen sollen, werden 200 Lehrerstellen bereitgestellt.

Zusätzliche Lehrer werden auch gebraucht, weil im nächsten Schuljahr 162 Grundschulen und 15 Förderschulen zu Ganztagsschulen werden und für ihr neues Konzept deutlich mehr Lehrerstunden erhalten. Auch für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen werden mehr Lehrer benötigt. Wenn im kommenden Jahr das Inklusionsgesetz in Kraft tritt, dürfte der Bedarf deutlich steigen. Denn Inklusion gelingt nur, wenn die Schüler an den Regelschulen die erforderliche Unterstützung erhalten. Gleichzeitig dürfen die Sonderschulen nicht ausbluten, denn viele Eltern sehen ihre Kinder dort besser aufgehoben.

Dass weniger Lehrerstellen gestrichen werden als geplant, hat natürlich Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Das Thema Schuldenbremse bleibt – ab 2020 sind neue Kredite untersagt. Auch unter dem Druck der Opposition will die Landesregierung möglichst schon von 2016 an keine neuen Schulden mehr machen. Dennoch hat sie bei den Lehrerstellen jetzt die Notbremse gezogen. Denn Grüne und SPD wissen: Mit dem Thema Schule können Wahlen verloren werden – das haben andere Bundesländer bereits erlebt. Vorfahrt für Bildung propagieren die beiden Regierungspartner nun einmütig. Die Ankündigung, weniger Lehrerstellen zu streichen, ist bereits die zweite gute Nachricht in dieser Woche. Erst am Mittwoch haben Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Finanzminister Nils Schmid bekanntgegeben, dass die Hochschulen im Südwesten bis zum Jahr 2020 rund 1,7 Milliarden Euro zusätzlich erhalten sollen, damit Baden-Württemberg Spitze bleibt.

m.wetzel@stn.zgs.de