Die Commerzbank will, dass Kunden ihr Konto nicht mehr so lange überziehen Foto: dpa

Die Banken verlangen hohe Zinsen für den Dispo – aber das können sie nur, weil Kunden achtlos mit ihrem eignen Geld umgehen.

Stuttgart - Wenn Banker plötzlich ihr Herz für den Kunden entdecken, muss die Not schon groß sein. Noch vor einem Jahr verteidigte Martin Blessing, Chef der staatlich gestützten Commerzbank, die hohen Zinsen auf Kontoüberziehungen – nun befürwortet er plötzlich eine gesetzliche Bremse, die es den Kunden schwerer machen soll, das Konto für mehr als zehn Tage ins Minus zu fahren. „Niemand sollte dauerhaft im Dispo sein“, sagte er. Nach zehn Tagen, so sein Vorschlag, sollten Kunden günstigere Angebote unterbreitet werden.

Damit stellt sich die erste Großbank gegen den eigenen Verband, dessen Chef Jürgen Fitschen noch vor kurzem erklärt hatte, Kunden würden sich durch solche Hinweise wohl eher belästigt fühlen. Was Fitschen, zugleich Co-Chef der Deutschen Bank, nicht erwähnt hatte, ist dies: Der Dispokredit ist in Zeiten der Niedrigzinsen noch eine der wenigen Möglichkeiten, bei denen die Banken noch einmal richtig zulangen können. Während sich die Banken bei der Notenbank für 0,25 Prozent Geld leihen können, nehmen sie für Kontoüberziehungen schnell zwölf Prozent und mehr – also einen Gewinn- und Risikoaufschlag von rund 5000 Prozent.

Angesichts des Dauerfeuers, unter dem die Banken stehen, weichen nun die ersten Institute zurück. Doch so fragwürdig der Umgang von Banken mit Kunden in vielen Fällen auch ist – zur Abzocke gehören immer zwei. Dass den Banken in der öffentlichen Debatte meist die Rolle des gierigen Geiers und dem Kunden die des wehrlosen Opfers zugeteilt wird, hängt nicht nur mit den Banken zusammen, sondern auch damit, dass ausgerechnet im wirtschaftsstarken Deutschland das Wissen vieler Bürger über ökonomische Zusammenhänge wenig ausgeprägt ist. Gäbe es eine bessere Wirtschaftsbildung, würden nicht so viele Menschen ihr Konto monatelang ins Minus fahren, um dann erstaunt festzustellen, dass sie den Banken damit viel Geld hinterherwerfen. Sie würden sich vielmehr von vornherein nach günstigen Finanzierungsmöglichkeiten umschauen oder – auch nicht schlecht – Anschaffungen erst dann tätigen, wenn sie sich diese leisten können.

Nicht jeder, der den Banken zu viel bezahlt, wird abgezockt – manch einer zockt sich auch selbst ab, weil er sich gar nicht mit der Frage beschäftigt, wie er besser mit seinem Geld umgehen könnte. Umfragen und Auswertungen – nicht zuletzt solche der Commerzbank – zeigen seit Jahren, dass es vielen Menschen an elementaren wirtschaftlichen Kenntnissen fehlt. Bei einer Studie der Comdirect-Bank zum „Tabuthema Geld“ konnte jeder Vierte nichts mit Grundbegriffen wie Rezession oder Inflation anfangen. Bei anderen Studien zeigte sich, dass viele nicht einmal eine vage Einschätzung hatten, zu welchen Belastungen bestimmte Zinssätze führen. Dabei ist der Dispo-Zinssatz noch ein vergleichsweise einfaches Thema in einer Zeit, da sich die Menschen zunehmend mit der langfristigen Vorsorge fürs Alter befassen müssen.

Jahrzehntelang hat der Staat den Bürger dazu erzogen, seine Vorsorge in die Hände der Politiker zu legen – diese Mentalität zeigt nun ihre unerwünschten Nebenwirkungen. Wirklich beheben lässt sich das nur, indem das Thema Wirtschaft im Bildungswesen den Stellenwert bekommt, den es im täglichen Leben längst eingenommen hat. In diese Richtung geht auch ein Vorschlag von Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid, der vor einem Jahr ein Schulfach „Wirtschaft und Berufsorientierung“ vorgeschlagen hat. Um diesen Vorschlag ist es aber schnell ruhig geworden. Für manche Politiker ist es schön, wenn der Bürger ein potenzielles Opfer von Banken bleibt – denn nur dann ist er diesen Politikern auch in Zukunft dankbar für deren Hilfestellungen.