Beim Haus Bassermann am Bodelschwinghweg ist sich Wolfgang Rockenschuh ganz sicher, dass es von Weigel stammt. Foto: Vaas. Foto: Schwarzwälder-Bote

Architektur: Folkhard Cremer über die "Stuttgarter Schule" / Interessante Einblicke in heimischen Baustil

Die sogenannte Stuttgarter Schule hat in der Kurgemeinde sichtbare architektonische Spuren hinterlassen. Folkhard Cremer ist ein ausgewiesener Fachmann zum Thema. Nicht immer Teilen lokale Kenner aber seine Meinung.

Königsfeld. Cremer ist im Regierungspräsidium Freiburg zuständig für die Inventarisation der Bau- und Kunstdenkmale in den Kreisen Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Emmendingen. Bereits vor einiger Zeit hat der Denkmalpfleger mit einem Artikel auf sich aufmerksam gemacht. Dies veranlasste den Histroischen Verein, ihn zu einem Vortrag einzuladen.

Der promovierte Angestellte des Landesdenkmalamts hat Kunstgeschichte, Geschichte und Neuere Deutsche Literatur studiert. Dabei setzte er seine Schwerpunkte in der mittelalterlichen Kunst und in der Architekturgeschichte. Genau hier setzt die Stuttgarter Schule an. Ihren Beginn hatte die Stuttgarter Architektur-Schule mit Paul Schmitthenner als Gegenpol des von Walter Gropius in Dessau ins Leben gerufene Bauhaus in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Im Gegensatz zu den Gropius-Bauten, die als Antwort auf fehlenden Platz entstanden, setzte Schmitthenner auf die Volks-Wohnung in recht großzügigen Stadtvillen, die an Goethes Gartenhaus in Weimar angelehnt waren.

Ein Beispiel für die Stuttgarter Schule zeigte der Architekt Martin Elsaesser mit der 1910 fertig gestellten Pauluskirche. Entgegen der bisherigen Baustile mit überladenen Stuckfassaden vertraten die Baumeister eine konservativ geprägte Bauweise. In diesem Sinne wurde das Wohnhaus Albert Schweitzers in einfachen reduzierten Formen unter Verwendung natürlicher regionaler Materialien nach der handwerklichen Tradition in einer material- und werkgerechten Bauweise erstellt.

Im damaligen Königsfeld standen sich Herrnhuter, protestantische Christen und assimilierte Juden recht nahe. Der Königsfelder Landarzt August Heisler war dabei treibende Kraft. "In dieses Klima hinein fügte sich die vom Judentum zum Protestantismus konvertierte Familie Mendelssohn-Bartholdy ebenso ein wie die mit Albert Schweitzer verheiratete Halbjüdin Helene geborene Bresslau ein", klärte Cremer über Zusammenhänge auf.

Wilhelm Weigel, von dem es kein Bild gebe, wurde in Nürnberg geboren. Er hatte in München und Berlin-Charlottenburg Architektur studiert und sein Studium im Jahr 1900 beendet. Nur wenige Wochen später heiratete er in Königsfeld Edith Mendelssohn-Bartholdy, eine Großnichte des bekannten Komponisten. Deren Vater Gotthold zog im selben Jahr aus gesundheitlichen Gründen nach Königsfeld.

Vom Schramberger Architekten Ludwig Storz als Baumeister unterzeichnet

Das Wirken Weigels sei bereits in der von Wolfgang Rockenschuh geschriebenen Ortschronik gewürdigt worden. "Allerdings werden Weigel in dieser Chronik auch Entwürfe zugeschrieben, die nachweislich nicht von ihm stammen", war sich Cremer sicher. So seien sowohl die Villa Mendelssohn-Bartholdy als auch die Villa Weigel (oder Villa Griesel) aus dem Jahre 1901 vom Schramberger Architekten Ludwig Storz als Baumeister unterzeichnet. Allerdings sehe er die Möglichkeit, dass Weigel direkt nach seinem Hochschulabschluss im Büro Storz gearbeitet und die örtliche Bauleitung übernommen habe.

Ungesichert sei ebenfalls, ob das Haus Dedie aus der Feder Weigels stammt, weil er laut Aufzeichnungen aus Nürnberg in der Bauzeit dort gelebt haben soll. Das Haus Bassermann im Bodelschwinghweg 1 sei ebenfalls nicht gesichert – es existieren heute keine Pläne mehr.

Im Jahr 1909 verkaufte Weigel sein Königsfelder Anwesen, allerdings sei nicht gesichert, ob er direkt nach Stuttgart ging, denn seine Lehrtätigkeit begann dort erst 1911. Zumindest phasenweise habe er auch während der Stuttgarter Zeit in Königsfeld gelebt. Von hier aus sei er 1929 zurückgegangen nach Nürnberg, wo er 1959 starb.

Im 1913 erschienenen Buch "Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart" wird er gemeinsam mit anderen bedeutenden Architekten dieser Zeit hervorgehoben mit dem Satz "Sie alle arbeiten daran, dem modernen süddeutschen Einfamilienhaus und Villenbau eine typische Form zu geben: Ruhige, kubische Wirkung, die durch Vorsprünge und Anbauten belebt, aber nicht zerrissen wird, Erker, Balkone, Loggien betont, Verzicht auf stark hervortretenden Schmuck und laute Ornamentik." Dabei seien eine bequeme Grundrisslösung und praktischer Komfort unerlässlich. Ab Anfang der 20er Jahre habe Weigel Aufträge in Königsfeld erhalten, so den gartenseitigen Anbau der Villa Voland, im Jahr 1922 das Albert-Schweitzer-Haus und 1927 das Wohn- und Atelierhaus von Otto Leiber.

Unter den Besuchern war auch der Chronist Rockenschuh. Der stellte fest, dass er sicher wisse, dass die Villa Bassermann definitiv von Weigel geplant worden sei. Ansonsten habe er den Vortrag Cremers sehr genossen.