SPD-Chef Sigmar Gabriel verlässt das Kanzleramt. Foto: dpa

SPD-Chef Gabriel hat das Wochenende gut geplant. Er setzt den CSU-Ideen ein eigenes Konzept entgegen – dann lässt er die Unionsvertreter einfach sitzen.

Berlin - Vorhang zu – und alle Fragen offen. Der Sonntag war eigentlich zum großen Tag der Entscheidung in Sachen Flüchtlingspolitik aufgebauscht worden. Zum Doppelgipfel sogar, schließlich saß CSU-Chef Horst Seehofer am Samstagabend – einen Tag vor dem eigentlichen Koalitionsgipfel mit SPD-Chef Gabriel – mit der Kanzlerin an einem Tisch, der er ein Ultimatum gestellt hatte. Das Wochenende solle eine Kursumkehr in der Asylpolitik bringen, oder Bayern würde „Notmaßnahmen“ ergreifen.

Aber die Runde am Samstagabend, an der neben Merkel und Seehofer auch Kanzleramtsminister Altmaier, Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt teilnehmen, bringt nichts Konkretes. Und der eigentliche Koalitionsgipfel am Sonntag gerät erst recht zur Farce. Zwei Stunden berät die Runde, was im Klartext bedeutet, dass man sattsam bekannte Positionen austauscht. Dann steht Gabriel auf und geht. Wichtige Anschlusstermine – sagt er. Was an sich schon eine Provokation ist. Denn falls es stimmt, was die Regierung sagt, dass nämlich die Flüchtlingskrise die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung darstellt, dann sind wichtigere „Anschlusstermine“ kaum erfindlich.

So bleibt der verbleibenden Gruppe nur eine Fortführung der wenig fruchtbaren Erörterungen vom Samstag. Die Kanzlerin weigert sich, die Grenzen dichtzumachen, ist aber offen für Vorschläge zur schnelleren Abschiebung nicht Anspruchsberechtigter und für alle Ideen, den Flüchtlingsstrom besser zu ordnen. Der CSU ist das zu wenig.

Einreisezentren statt Transitzonen

Das aber war schon der Stand vom Freitag. Das Signal des Wochenendes ist klar: Seehofer beißt sich an der SPD die Zähne aus. Es hatte Gabriel gewurmt, dass sich der kleinste Partner in der Großen Koalition so mächtig aufstellt. Gabriel will gerade stärker erscheinen, als er eigentlich ist – denn innerparteilich will er sich bis zum Bundesparteitag im Dezember als alternativloser Kanzlerkandidat etablieren. Da kommt der Zusammenstoß mit Seehofer recht. Gabriel zelebriert eine gezielte Strategie der Eskalation. Erst präsentiert er kurz vor der Gipfelrunde sein Konzept der Einreisezentren, die er der Forderung nach grenznahen Transitzonen entgegenstellt. Dann verweigert er sich am Sonntag ausführlichen Verhandlungen. Den Macho-Muskelspielen muss die Kanzlerin einigermaßen sprachlos zusehen. Die öffentliche Wirkung wird entsprechend sein. Schon vorab hatte die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner erklärt: „Wir können es uns nicht leisten, uns nicht zu einigen.“

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der Deutsche Landkreistag eine flehentliche Stellungnahme herausgab, in dem er dafür warb, „künftig bereits an den Landesgrenzen das Bleiberecht von Asylsuchenden überprüfen zu lassen“. Das entspräche dem CSU-Vorschlag der Transitzonen.

Nun sollen die Gespräche am Donnerstag vor einem Treffen der 16 Ministerpräsidenten weitergeführt werden. Bis dahin soll es noch viele Fachgespräche geben. Und eine Fraktionssitzung der Union, in der sich zeigen wird, ob die Abgeordneten weiterhin der Kanzlerin Spielraum und Kredit gewähren. Da ist die Rolle der in dieser Frage Merkel-kritischen Innenpolitiker der Union interessant. Im Gespräch mit unserer Zeitung hat sich der Lörracher Bundestagsabgeordnete Armin Schuster festgelegt. Er sagt: „Das Scheitern des Gipfels folgt einer Inszenierung Sigmar Gabriels. Es ist offenkundig, dass er damit die Kanzlerin in eine schwierige Woche treiben will.“ Für ihn sei deshalb klar: „Weil wir nicht das Geschäft des Herrn Gabriel betreiben, werden der Kollege Clemens Binninger und ich jetzt keinen eigenen Antrag in der Sache vorlegen.“ Was nichts daran ändere, dass er in der Sache weiter die Transitzonen für sinnvoll halte. Um das Gesicht zu wahren, einigen sich Merkel, Seehofer schließlich doch noch auf ein umfangreiches gemeinsames Positionspapier. In diesem werden Transitzonen als „vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze“ bezeichnet.