Es hätte durchaus die Gelegenheit gegeben, gegen Wilfried Klenk zu stimmen. Foto: dpa

Das Old-Boys-System funktioniert in der Südwest-CDU noch gut. Es beschert einem bislang unbeschriebenem Blatt ein prestigeträchtiges und hoch dotiertes Amt. Eine Kollegin muss zurückstecken - obwohl sich die CDU gerade die Frauenförderung auf die Fahnen geschrieben hat.

Stuttgart - Die Kommentare der Frauen sind bissig: „Frauen im Fokus - Hokuspokus“ oder „Bei der CDU-BW zählt nur Man-Power“.

Vertreterinnen von Gewerkschaften und Frauenverbänden haben am Mittwoch mit Plakaten ihrem Unmut über die Wahl eines Mannes zum Landtagspräsidenten Luft gemacht. Auch für manche Frauenbewegten im Plenum war das Votum für den CDU-Sozialpolitiker Wilfried Klenk eine Ohrfeige.

„Es wäre doch so einfach gewesen, dieses mal eine Frau zu küren“, lautete der einhellige Tenor über die Fraktionen hinweg. Denn mit Ex-Agrarstaatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch habe eine parteiübergreifend geschätzte und kompetente Frau zur Abstimmung gestanden. Auch dem neuen CDU-Fraktionschef Guido Wolf wird angekreidet, dass die Frau für das Spitzenamt den Kürzeren zog - in einem Landtag, der ohnehin nur wenig weibliche Abgeordnete hat.

Die Sozialdemokratin Sabine Wölfle brachte es auf den Punkt: „Wenn Friedlinde Gurr-Hirsch ein Friedbert gewesen wäre, wäre sie konkurrenzlos aufgestellt worden.“ Ihre Solidarität mit der unterlegenen Kandidatin drückten dann auch 21 Parlamentarier aus, indem sie sie als Wahlvorschlag auf ihrem Stimmzettel vermerkten. Nach Ansicht der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, ist dies ein Zeichen der Anerkennung für die 60-Jährige. „Trotzdem ist das ein bitterer Tag für sie“, sagte die Grüne, die Gurr-Hirsch in den höchsten Tönen lobt. Die Handelsschulrätin wäre bestens geeignet gewesen für das repräsentative Amt, könne sich auf jedem Parkett bewegen und sei alles andere als eine Parteisoldatin.

Nach Einschätzung der Koalitionsfraktionen verweigerten nicht nur Grüne und Sozialdemokraten, sondern auch Christdemokraten Klenk die Gefolgschaft. Dieser fuhr mit einer Zustimmung von nur 70,8 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Auch für CDU-Fraktionschef Guido Wolf dürfte die Abstimmung kein Ruhmesblatt sein, denn er hatte im Zuge seiner Spitzenkandidatur verlautbart, im Fall eines Wahlsieges werde er das Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzen.

Der Tübinger Politologe Hans-Georg Wehling spricht vor diesem Hintergrund von einer Niederlage Wolfs. „Wenn er nicht mal eine Frau als Landtagspräsidentin durchbekommt, ist sein Einfluss in der Fraktion doch sehr gering.“ Allerdings ist gar nicht klar, dass Wolf sich für Gurr-Hirsch einsetzte. Dem Vernehmen nach zeigte er keine Präferenz. SPD-Frau Wölfle sprach von einer „fatalen Außenwirkung für Wolf“.

Aus dem Umfeld von CDU-Landeschef Thomas Strobl ist zu hören, dass dieser seine Parteifreundin gerne an der Landtagsspitze gesehen hätte. Denn das von ihm angestoßene Projekt „Frauen im Fokus“ wird durch den Verzicht auf eine Frau auf einem Spitzenposten nicht gerade glaubwürdiger. Es soll der Südwest-Union mit derzeit nur etwa 23 Prozent weiblichen Mitgliedern mehr Frauen als Wähler und Mitglieder bescheren. Nicht nur die CDU im Südwesten auch das gesamte Parlament hat frauenpolitischen Nachholbedarf. Mit 28 Frauen von 138 Abgeordneten ist der baden-württembergische Landtag bundesweit ein Schlusslicht.

Der CDU-Sozialpolitiker Klenk gibt sich trotz seiner schwierigen Lage selbstbewusst und macht in seiner Antrittsrede klar: Er ist kein Übergangskandidat. „Dieses Amt braucht jetzt Kontinuität, damit seine Bedeutung nicht erodiert.“ Damit macht er auch jene kleine Hoffnung bei den CDU-Frauen zunichte, dass die Karten nach der Landtagswahl 2016 neu gemischt werden könnten. CDU-Generalsekretärin Katrin Schütz hatte darauf hingewiesen, dass Klenk nach seiner Wahl nur 14 Monate amtieren werde. „Danach ist wieder alles offen“, sagte sie mit Blick auf die Landtagswahl im März 2016, bei der die CDU wahrscheinlich wieder stärkste Fraktion wird.

Für die Nachwuchspolitikern Eva Gredel von der Jungen Union ist diese Wahl die nächste Bewährungsprobe für ihre Partei: Sie tritt gegen ein Mann im Wahlkreis Schwetzingen an. Zudem nimmt die 30-Jährige Spitzenkandidat Wolf mit seinem Bekenntnis zu mehr Frauen im Kabinett beim Wort: „Wir erinnern uns genau an diese Aussage.“