Marode Straßen - die Kassen der Städte und Gemeinden sind leer. Foto: dpa

Laut Städte- und Gemeindebund ist die Lage dramatisch: Die Infrastruktur verfalle und die Flüchtlingsströme überforderten die Städte und Gemeinden. Das Investitions-Paket, das der Bund schnüren will, wird heiß ersehnt.

Stuttgart - Marode Brücken, holprige Straßen und baufällige Schulen - die Städte und Gemeinden in Deutschland beklagen den größten Verfall von öffentlichem Eigentum seit Bestehen der Bundesrepublik. In Stuttgart haben sie am Dienstag Abhilfe gefordert: Ein Programm des Bundes müsse den milliardenschweren Investitionsstau in der kommunalen Infrastruktur abbauen. „Mit der Flickschusterei vor Ort muss es ein Ende haben“, unterstrich der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Christian Schramm, nach der Hauptausschusssitzung des Dachverbandes. In der diskutierten rund 100 Bürgermeister und Oberbürgermeister aus kleinen Städten wie Paderborn bis hin zu großen wie Hannover über Finanz- und Flüchtlingspolitik.

Überdies solle ein „Marshallplan Flüchtlingshilfe“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbart werden, um den weiter steigenden Flüchtlingsströmen gerecht zu werden. Der Marshallplan war ein nach dem damaligen US-Außenminister George Marshall benanntes Aufbauprogramm für Europa und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Kommunalverband fordert ein Bauprogramm für möglichst dezentrale Flüchtlingsunterkünfte sowie zusätzliche zentrale Aufnahmeeinrichtungen, um die Ankunft der Flüchtlinge in den Kommunen besser vorbereiten zu können. Der Bund müsse außerdem mehr Liegenschaften bereitstellen, etwa ungenutzte Kasernen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

"Gesamtgesellschaftliche Herausforderung"

Mit einem Gesundheitsfonds könnten die extrem hohen Krankenkosten der Flüchtlinge finanziert werden. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der sich auch der Bund stellen muss.“ Der Bund müsse sich auch für einen gerechten Verteilungsschlüssel für die Flüchtlinge in der EU einsetzen. Derzeit werde Deutschland übermäßig beansprucht.

Nach Schramms Worten beläuft sich der bundesweite Investitionsbedarf in Straßen, Brücken, Gebäude und Breitbandverkabelung auf 118 Milliarden Euro. Nach Schätzung des Gemeindetages Baden-Württemberg entfallen davon 20 Milliarden Euro auf den Südwesten.

Die Kommunen spekulieren auf ein Großteil des von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigten Investitionspaketes des Bundes in Höhe von zehn Milliarden Euro. „Wir wollen einen kräftigen Schluck aus der Pulle haben“, sagte der Präsident des Gemeindetages Baden-Württemberg, Roger Kehle. Er schlug ein eigenes Infrastrukturministerium im Südwesten vor. Derzeit ist Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für dieses Thema verantwortlich.

Neben der Unterfinanzierung müssen nach den Worten Schramms aber auch „Investitionskiller“ wie rechtliche oder bürokratische Hemmnisse abgestellt werden - etwa kostentreibende Standards oder Hürden im Vergabe- und Beihilferecht. „Sie würgen die Zukunftsperspektiven für unser Land ab“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt Bautzen. Auch die Kooperation privater Unternehmen mit der öffentlichen Hand (Public-Private-Partnership) müsse vereinfacht werden.

Die geplante Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen müsse die Kommunen entlasten. „Wir wollen einbezogen und angemessen finanziell beteiligt werden“, betonte Kehle. Auch nach Ansicht von Landsberg muss das System mit drei Geber- und 13 Nehmerländer sowie einer überproportionalen Finanzspritze für Berlin dringend reformiert werden. Die fehlende Kontrolle der Finanzströme in die Nehmerländer führe dazu, dass diese sich einen Luxus leisteten, der in Geberländern nicht zu finden sei.