Auch im Kinzigtal suchen viele Flüchtlinge Asyl – in der Gemeinde Steinach sind Wohncontainer errichtet worden, die demnächst bezogen werden. Foto: Schwannauer

Wie beurteilt man die Situation im Kinzigtal bei der Polizei? Leiter des Polizeireviers Haslach gibt eine Einschätzung der Lage.

Kinzigtal - Herr Huber, wirkt sich der Zuzug von Flüchtlingen auf die Polizeiarbeit aus?

Grundsätzlich ja. Wir als Polizei sind in vielfältiger Art und Weise gefordert. Ganz stark natürlich die Bundespolizei, aber auch die regionalen Polizeipräsidien, in deren Zuständigkeit Landeserstaufnahmestellen liegen. Für den Revierbereich hier im Kinzigtal sehen wir noch keine dramatische Auswirkung durch die Ereignisse. Gewiss ist aber, dass in Zukunft auch mehr Flüchtlinge hier her kommen werden. In Steinach ist das Containerdorf für rund 90 Menschen gerade im Aufbau. Der Gemeinderat Haslach hat gerade ebenfalls eine Containerlösung verabschiedet.

Die Unterstützung der Zuwanderer durch die Bürger ist an vielen Orten überwältigend. An manchen Orten in Baden-Württemberg scheint die Stimmung aber bereits seit einiger Zeit am kippen zu sein.

Ich glaube, dass es insgesamt darauf ankommt, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden. Überall dort, wo es gute Möglichkeiten gibt, Flüchtlinge zu integrieren in die Gesellschaft und die Bürger nicht überfordert werden, dort klappt das auch mit der Integration. Die Mehrzahl von ihnen werden sich integrieren wollen: Denn diese Menschen sind ja aus schlechten Verhältnissen abgewandert, um ein besseres Leben zu haben. Ich glaube, dort wo das bürgerschaftliche Engagement mit diesem Interesse einhergeht, dort haben wir gute Chancen, dass die Willkommenskultur auch so erhalten bleibt.

Und dort, wo man sich gegen das freundliche Willkommen entscheidet: Leute, die die Situation in einem ganz anderen Sinne beurteilen und versuchen Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen? Was wäre bei rechter Hetze und im schlimmsten Fall Anschlägen?

»Was wäre, wenn« ist weniger die Frage, sondern »was ist tatsächlich?«. Man kann schlecht im Vorfeld alle möglichen Szenarien überlegen und einen entsprechenden Aktionsplan aufstellen. Wo beginnen wir da? Und wo hören wir auf? Was wir aber durchaus machen, ist, radikale und fremdenfeindliche Szenen zu beleuchten, so man sie denn hat. Ich erkenne eine solche fürs Kinzigtal nicht. Allerdings gab es schon die eine oder andere ablehnende Äußerung von Bürgern, die dann im Stillen Plakate gehisst haben oder Schilder aufgestellt haben. Mit diesen Aktionen wollen sie mitteilen, dass sie mit der Entwicklung nicht einverstanden sind.

Von welchen Orten sprechen Sie?

In Oberharmersbach wurde ein Plakat gespannt, und ein paar Schilder und Aufkleber wurden in Hausach angebracht. Aus meiner Sicht ist das alles im Rahmen der freien Meinungsäußerung zu sehen, und noch kein wirkliches Problem.

Machen Sie Erfahrung mit Konflikten innerhalb der Gruppe der Flüchtlinge?

Wo Menschen miteinander leben, da gibt es auch Konflikte. Das haben wir bei Flüchtlingen, aber auch bei den Leuten, die hier schon seit eh und je wohnen. Und in dem Rahmen gab es hier noch nichts Außergewöhnliches, im Gegenteil: Im Gros dieser Unterkünfte ist es sehr ruhig. Die sind polizeilich unauffällig. Und ab und zu gibt es eine Auseinandersetzung, die, polizeilich begleitet, dann auch befriedet werden kann.

Sind Sie bei den Flüchtlingsheimen präsent?

Wir bestreifen die Flüchtlingsheime, sind präsent. Aber: Das Kinzigtal war, was die Kriminalitätsbelastung angeht, schon immer sehr ruhig im Vergleich zu anderen Bereichen auch innerhalb des Polizeipräsidiums Offenburg. Ich habe keine wirkliche Sorge, dass sich das im Thema Flüchtlinge anders zeigen wird.

Wissen Sie, wie viele Flüchtlinge im Kinzigtal genau leben und wo?

Im Moment haben wir hier nur registrierte Flüchtlinge, die alle im Rahmen der vorläufigen und Anschlussunterbringung untergebracht sind. Wir wissen im Zweifel aber nicht eins zu eins, wo sie herkommen. Allerdings sind die Zuwanderer im Melderegister der einzelnen Gemeinden aufgeführt, so dass wir uns auf diesem Wege ein Bild von der Situation machen können, so wir Daten für unsere polizeilichen Maßnahmen benötigen. Insgesamt stellt sich die Polizei zu dem Thema breit auf. Neben unserem Koordinator für Flüchtlingsfragen beim Polizeipräsidium, von wo aus Kontakt zu allen befassten Behörden gehalten wird, werden wir hier vor Ort polizeiliche Ansprechpartner für die jeweiligen Flüchtlingsheime benennen, die einen intensiven Kontakt sicherstellen werden.

Wie klappt es mit der Verständigung mit den Flüchtlingen?

Das Thema Verständigung sehe ich als eines der zentralen Herausforderungen überhaupt. Arabisch zum Beispiel kann keiner unserer Beamten. Bei Bedarf sehen wir zu, dass wir einen der entsprechenden vereidigten Dolmetscher bekommen, der beim Polizeipräsidium gelistet ist und angefordert werden kann. Dieses Vorgehen ist im Einzelfall durchaus tauglich. Um im Breiten und Allgemeinen zu kommunizieren, sollten die Städte und Gemeinden Lösungen suchen, wie der Kontakt zu Flüchtlingen möglichst positiv und ohne zu große Sprachbarriere gestaltet werden kann.

Stehen Sie im Austausch mit den Städten und Gemeinden, was die praktischen Alltagsdinge angeht?

Dort, wo die Flüchtlingsproblematik vorhanden ist – wobei wir aus meiner Sicht hier keine Problematik haben – findet dieser Austausch bislang anlassbezogen statt. Wir finden mehr und mehr in das Thema rein und werden absehbar mit den Städten und Gemeinden ins Gespräch kommen. Ansonsten haben wir unsere Ansprechpartner beim Landratsamt. Um aber das eine oder andere unbürokratisch regeln zu können, greifen wir auch jetzt schon auf hilfsbereite Bürger zurück, beispielsweise wenn die Verständigung schwierig ist und die Kollegen jemanden kennen, der zwischenrein mal dolmetscht. Schließlich geht es uns nicht nur darum Straftaten zu verfolgen, sondern auch präventiv tätig zu werden. So lässt sich die eine oder andere Situation schnell klären.

Polizistinnen: Werden weibliche Polizistinnen akzeptiert?

Die Erfahrung, dass Frauen nicht akzeptiert werden, habe ich bei uns noch nicht gemacht. Auszuschließen ist das aber nicht, wenn die entsprechenden Konstellationen aufeinander treffen. Ich glaube, man kann mit einer gewissen Durchsetzungskraft – und die haben die Frauen, die bei uns arbeiten – die meisten Situation durchaus bewerkstelligen.

Wenn Container aufgestellt werden: Was bedeutet das für die Polizei?

Grundsätzlich sind wir für eine reguläre Bewachung nicht zuständig. Schon gar nicht, wenn es keinen besonderen Anlass gibt. Flüchtlinge sind Menschen, die jetzt auch bei uns wohnen und die nicht per se polizeilich bewacht werden müssen. Wir fahren aber verstärkt Streife in den Bereichen, wo sie wohnen, denn leider hat es ja in der Vergangenheit gelegentlich Attacken gegeben. Wenn auch nicht bei uns im Revier- und Präsidiumsbereich. Wir wollen mit unserer Präsenz für Sicherheit und Ordnung Sorge tragen.

Hetze im Internet: Was kann die Polizei da tun?

Es gibt Kollegen, die im Internet ermitteln. Oftmals kommen Hinweise aber auch von Bürgern, die in Foren und auf entsprechenden Seiten Feststellungen zu fremdenfeindlicher Hetze machen. Auch von dieser Art von Kriminalität haben wir im Kinzigtal sehr wenig. Da wäre dann die Kriminalpolizei zuständig. Ich persönlich verurteile es, wenn Leute sich auf diese Art und Weise Luft verschaffen. Verschiedentlich werden auch absichtlich Gerüchte über Straftaten durch Zuwanderer verbreitet. Hier verfolgen die Sicherheitsbehörden eine klare Linie und ermitteln gegen die Verursacher.

Denken Sie, die Bürger haben Angst?

Wenn, dann kommen sie damit nicht zu mir. Ich neige dazu, die Dinge nicht zu dramatisieren. Es ist niemandem geholfen, wenn unrealistische Schreckensszenarien gezeichnet werden. Viel wichtiger ist, dass man die Situation gut im Blick hat und intensiv beobachtet, wie sich die Umstände entwickeln. Bei Problemen handeln wir zügig und mit Wirkung. Ich für meinen Fall möchte mich von den teils düsteren Zukunftsprognosen einiger Zeitgenossen nicht schrecken lassen. Bislang bleiben wir hier gelassen, sind aber wachsam.