Viele Bürger von Stutengarten wollten Autogramme und Fotos mit OB Kuhn. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Kinder dürfen hier eine Woche lang erwachsen sein – in der Kinderspielstadt. Dort gibt es alles, was zu einer echten Stadt dazugehört – vom Polizeipräsidium über einen Floristen bis hin zum Gemeinderat mit zwei Bürgermeisterinnen.

Stuttgart - Es wirkt wie ein echter Staatsbesuch, als OB Fritz Kuhn mit seiner Frau Waltraud Ulshöfer in Stutengarten im Reitstadion in Bad Cannstatt ankommt. Ein Spalier von Feuerwehr und Polizei in Uniform wartet bereits auf den Ehrengast. Doch die Größe der Einsatzkräfte verrät gleich, dass es sich nicht um die echten handelt. Kinder dürfen hier eine Woche lang erwachsen sein. Auch wenn es nur eine Kinderspielstadt ist, gibt es alles, was zu einer echten Stadt dazugehört – vom Polizeipräsidium über einen Floristen bis hin zum Gemeinderat mit zwei Bürgermeisterinnen.

Amy und Ella, beide 12 Jahre alt, haben diese Aufgabe in diesem Jahr bereits zum dritten Mal. Routiniert führen sie den Oberbürgermeister und seine Gattin durch die Stadt. „Ich bin beeindruckt von der guten Infrastruktur und der Vielfältigkeit des Projekts“, sagt Kuhn dem Jungmoderator von Stuggi.tv, der professionell seine Fragen stellt. Auf dem Marktplatz bekommt der Oberbürgermeister dann zur Hymne der Stadt Stutengarten den Ehrenbürgerpass und einen Brustbeutel verliehen.

500 Kinder sind in der Spielstadt

Das Projekt gibt es laut Sieghard Kelle von der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft seit 2007. Die Kinder – oder Bürger, wie sie in Stutengarten heißen – sind für eine Woche hier. „Jeweils 500 Kinder bevölkern in den drei Wochen die Spielstadt und dürfen in den unterschiedlichen Berufen arbeiten“, sagt Kelle. Die 6- bis 13-jährigen Kinder können täglich einen von 70 Berufen auswählen. Auch das geschieht wie im echten Leben auf dem Arbeitsamt.

Begleitet werden die Bürger von 120 Betreuern. Der elfjährige Till ist blind und wird deswegen die ganze Zeit von Veronika betreut. Seit 2012 ist er jedes Jahr dabei und hat schon in vielen Berufen gearbeitet. Momentan probiert er sich als Pizzabäcker. Vorher war er bei der Werbeagentur und hat Slogans gedichtet. Am besten hat es ihm als Sprecher beim Radio gefallen. „Ich will mal Radiomoderator werden“, sagt er. Am Ende der Woche wird er in der Volkshochschule einen Kurs in Blindenschrift geben.

Sogar ein Pressehaus in klein befindet sich auf dem Gelände. Die acht Redakteure führen wie in einer richtigen Redaktion Interviews, stellen verschiedene Berufe vor und berichten über Ereignisse in Stutengarten. „Am Abend, bevor die Bürger nach Hause gehen, können sie die gedruckte Ausgabe kaufen“, sagt der 16-jährige Betreuer Felix.

Bezahlen geht in der Spielstadt mit den Stuggis, einer eigenen Stadtwährung. Die Kinder bekommen sie für ihre Arbeit und können dann davon Essen, Getränke oder andere Dinge kaufen. Die Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, komplexe Abläufe in einer Stadt zu verstehen und mitzugestalten. „Schließlich sind hier die Stuttgarter Bürger von morgen unterwegs“, sagt Till. Er will auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder kommen. Und auch der Oberbürgermeister meint: „Wenn ich noch einmal Kind sein könnte, dann würde ich bestimmt als Polizist durch Stutengarten laufen.“