Die Atomkraft-Gegner sehen im Atomkraftwerk Fessenheim ein großes Sicherheitsproblem. Foto: Seeger

Geschäftsführerin des Umweltzentrums Ortenau spricht über die Anti-AKW-Fessenheim-Demos am Sonntag.

Ortenau/Fessenheim - Undichte Stellen, Risse in der Hülle, das Alter und die generelle Bewegung hin zu regenerativen Energien: Kritiker fordern die Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim (AKW).

Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen und um an die Reaktorkatastrophe in Fukushima vor drei Jahren zu erinnern, treffen sich AKW-Gegner aus dem Ortenaukreis und aus dem Elsass am Sonntag, 9. März. Sie werden den Rheinbrücken zwischen Baden-Württemberg und Frankreich demonstrieren.

In Kehl auf der Europabrücke findet eine deutsch-französische Kundgebung statt – auch auf der Brücke Schwanau-Nonnenweier/Gerstheim sind die Aktivisten unterwegs.

Petra Rumpel, Geschäftsführerin des Umweltzentrums Ortenau, erklärt, warum es aus ihrer Sicht wichtig ist, mitzudemonstrieren.

Kommt bei Ihnen zu Hause grüner Strom aus der Steckdose?

Ja, sowohl zu Hause als auch im BUND-Büro beziehen wir schon seit vielen Jahren Strom vom Elektrizitätswerk Schönau.

Warum kein Strom aus einem AKW?

Mit dem Kauf und der Bezahlung einer Ware signalisiere ich, dass ich das Produkt schätze und die Herstellung unterstütze. Insofern muss ich als Verbraucher auch Verantwortung dafür übernehmen. Da ich Atomstrom ablehne und gleichzeitig gute Alternativen vorhanden sind, bin ich froh, der Atomlobby den Rücken kehren zu können. Der Ökostrombezug ist ein wichtiger Schritt zu einer Veränderung auf dem Strommarkt, sozusagen eine Abstimmung mit dem Geldbeutel. Was ist das Gefährliche an einem AKW? In jedem Atomkraftwerk werden Unmengen an radioaktiver Strahlung produziert.

Innerhalb eines Betriebsjahrs entsteht pro Megawatt elektrischer Leistung die Radioaktivität einer Hiroshima-Bombe. In Fessenheim zum Beispiel stehen zwei Reaktoren mit je 900 MW Leistung, die dort jährlich erzeugte Strahlung entspricht also 1800 Hiroshima-Bomben. Wenn von dieser radioaktiven Strahlung auch nur ein Teil entweicht, werden Menschen getötet oder schwer krank, ganze Regionen verseucht und für sehr lange Zeiträume unbewohnbar. Spätestens seit dem Gau von Tschernobyl oder der Reaktorkatastrophe von Fuku-shima ist klar, dass diese Technologie nicht beherrschbar ist und solche Szenarien auch bei uns nicht ausgeschlossen werden können.

Aber selbst ohne Störfall sind die negativen Folgen gravierend: Der Uranabbau, die Herstellung der Brennelemente und der Normalbetrieb von AKWs und Wiederaufbereitungsanlagen bringen eine schleichende radioaktive Verseuchung mit sich. Studien belegen die Häufung von Kinderkrebs in der Nähe von AKWs. Und das weltweit noch immer völlig ungelöste Problem des Atommülls macht den Weiterbetrieb von Atomanlagen in meinen Augen endgültig völlig indiskutabel.

Und was ist an dem in Fessenheim gefährlich?

Die Reaktoren in Fessenheim wurden 1977 und 1978 in Betrieb genommen und sind damit die ältesten Druckwasserreaktoren in Frankreich. Die Laufzeit wurde entgegen der ursprünglichen Planung schon mehrmals verlängert, obwohl immer wieder Probleme aufgetaucht sind, zuletzt zum Beispiel Korrosion an den Hüllrohren des AKW. Kleine Nachbesserungen sind an einer so alten Anlage nicht mehr als Kosmetik. Aber nicht nur das Alter macht uns Sorgen: Das AKW liegt schlecht gesichert in einem Erdbebengebiet, das Fundament der Anlage ist eigentlich viel zu dünn, und für Terroranschläge ist es ebenfalls anfällig.

Auch ein Dammbruch des höher liegenden Rheinkanals könnte das Kraftwerk überfluten und besonders die außen liegenden "Abklingbecken" gefährden. Am Sonntag, 9. März, finden mehrere Demos auf den Rheinbrücken in ganz Baden-Württemberg statt.

Wer steckt dahinter?

An diesem Tag, dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima, rufen Anti-Atom- und Umweltverbände aus vielen europäischen Ländern zu Kundgebungen gegen Atomkraft auf – nicht nur am Oberrhein, sondern zum Beispiel. auch in Neckarwestheim. Die Proteste hier in Südbaden konzentrieren sich auf das Atomkraftwerk Fessenheim, dessen Abschaltung von der momentanen französischen Regierung in Aussicht gestellt, aber noch nicht umgesetzt wurde.

Atomkraftgegner aus ganz Frankreich beteiligen sich an den Demonstrationen gegen Fessenheim, da die Stilllegung ein wichtiges Signal auch für andere Atomanlagen in dem bislang atomfreundlichen Land darstellt. Auch auf deutscher Seite unterstützen viele Gruppen und Verbände die Proteste, nicht nur aus Solidarität gegenüber unseren französischen Nachbarn, sondern auch, weil eine Atomkatastrophe im grenznahen Fessenheim unsere Lebensgrundlagen zerstören würde.

Glauben Sie, dass man mit Demonstrationen heute überhaupt noch etwas erreichen kann?

Ja, ich bin überzeugt, dass Demonstrationen nach wie vor ein wichtiges Zeichen setzen. Kundgebungen und Bauplatzbesetzungen vor vielen Jahrzehnten haben verhindert, dass heute noch viel mehr Atomkraftwerke am Oberrhein stehen. Und die großen Demonstrationen direkt nach der Fukushima-Katastrophe haben zur Stilllegung alter AKWs in Deutschland und zum schnelleren und hoffentlich endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft beigetragen.

Menschen, die für ihre Überzeugungen auf die Straßen gehen, bringen noch viel mehr Motivation mit als solche, die Proteste zum Beispiel über Online-Unterschriftsaktionenzum Ausdruck bringen – was nicht heißen soll, dass nicht auch diese Aktionsform sinnvoll ist. Gerade in Zeiten der Politikverdrossenheit, der Parteienkrisen und des großen Einflusses der Lobbyisten ist es wichtig, dass viele Menschen diese Möglichkeit zur Meinungsäußerung wahrnehmen und alle demokratischen Möglichkeiten ausschöpfen, damit sie von der Politik gehört werden.