Auf dem Löschboot Europa 1 proben Deutsche und Franzosen gemeinsam den Ernstfall / Spektakuläre Einsätze

Kehl/Straßburg (red/sad). Mittwoch, 8 Uhr: Victor Martz von der unter-elsässischen Feuerwehr hat den roten Wasserwerfer rasch abgedeckt und in Gang gesetzt. Das Wasser wird aber nicht benötigt, um einem Brand Herr zu werden. Auf dem deutsch-französischen Feuerlöschboot Europa 1 ist die wöchentliche Reinigung angesagt.

Als das Boot richtig nass ist, schwingt der französische Schiffsführer Martz gemeinsam mit seinen Kollegen von der Straßburger und der Kehler Feuerwehr Besen, Scheuertuch und Putzlappen. Jeder Mittwoch ist ein besonderer Tag auf dem deutsch-französischen Feuerlöschboot Europa 1. Dann kommen Feuerwehrmänner aus den Kasernen Nord und Finkwiller aus Straßburg sowie von der Feuerwache Kehl auf das Schiff, das im Straßburger Nordhafen seinen Liegeplatz hat, reinigen das 23 Meter lange Löschboot und üben gemeinsam. Die Szenarien dafür gehen auch sechs Jahre nach der Inbetriebnahme der Europa 1 nicht aus. Denn: Die Vorgehensweisen bei Bränden sind auf der deutschen und der französischen Rheinseite verschieden – die Einsatzmöglichkeiten des Löschbootes sind vielfältig – selbst bei Bränden an Land.

Aus diesem Grund wurde im Rahmen eines deutsch-französischen Projekts eine sogenannte Mobile Übungsanlage zur Gefahrenabwehr auf Binnenwasserstraßen (MÜB) geplant. Der Umbau eines ehemaligen Tankschiffes zur MÜB ist bereits abgeschlossen. Die gemeinsame Übungsanlage wird voraussichtlich im September ihren Testbetrieb aufnehmen und ab 2015 offiziell in Dienst gestellt.

Nach einer Stunde haben die Feuerwehrleute das ganze Boot vom Vorder- bis zum Achterdeck gereinigt. "Mittwochs gehen wir oft im Kehler Hafen bei der Wasserschutzpolizei tanken", sagt Ralf Moßmann. Die Feuerwehrmänner auf der Europa 1 haben ein gutes Verhältnis zur deutsch-französischen Wasserschutzpolizei. "Anlegen mit einem Löschboot sieht ein bisschen kompliziert aus", erklärt Moßmann. Und in der Tat: Der Schiffsführer muss rückwärts ran manövrieren, um die Zapfsäule erreichen zu können. Während das Boot vertäut wird, kann man einen Teil der Knotentechniken beobachten, welche die Besatzung bei ihrer Ausbildung gelernt hat. 35 Minuten später ist der Tank der Europa 1 mit 4000 Litern Schiffsdiesel gefüllt.

Als nächstes steht die Kontrolle der technischen Geräte an Bord an. Dabei überprüfen die Feuerwehrleute auch, ob alles an seinem Platz verstaut ist. Im Einsatzfall muss jedes Mitglied der Besatzung wissen, wo welche Gerätschaften zu finden sind.

Die Stimmung an Deck ist gut. Und wenn die Worte auf Deutsch fehlen, hilft das Elsässische ganz gut weiter. "Unsere zwei Dialekte sind sehr hilfreich", betont Roland Walter, stellvertretender Kommandant der Kehler Feuerwehr. Die meisten der Feuerwehrmänner, die auf der Europa 1 Dienst tun, haben sich bemüht, zumindest Grundkenntnisse in der Sprache des Nachbarn zu erwerben. Seit das 2,5 Millionen Euro teure grenzüberschreitende Feuerlöschboot, das von der Europäischen Union, dem Land Baden-Württemberg, dem französischen Staat und mehreren französischen Gebietskörperschaften finanziert und nach den Vorgaben der unter-elsässischen sowie der Kehler Feuerwehr in der Ebert-Werft in Neckarsteinach konzipiert worden ist, sind die Beziehungen deutlich enger geworden. "Ich betrachte die Straßburger Feuermänner als richtige Kollegen", so Moßmann.

Trotzdem ist es auch nach sechs Jahren immer noch so, dass die Kehler Feuerwehr alarmiert wird, wenn die Europa 1 nachts oder an Wochenenden zu einem Einsatz auslaufen muss – die Berufsfeuerwehr aus Straßburg übernimmt die Einsätze unter der Woche tagsüber. Einsätze mit gemischter deutsch-französischer Besatzung gibt es nicht – lediglich der Schiffsführer kann auch von der jeweils anderen Feuerwehr kommen.

Weil in Frankreich und in Deutschland andere Dienstvorschriften gelten, ist die taktische Vorgehensweise zu unterschiedlich. Die Feuerwehrleute müssen eine besondere Ausbildung auf dem Feuerlöschboot absolvieren, um an Einsätzen der Europa 1 dabei sein zu können. Die sieben Kehler und 14 französischen Maschinisten kümmern sich um die Pumpen und um das Funktionieren der Technik an Bord. Im Moment gibt es acht Schiffsführer: vier aus Straßburg und vier aus Kehl. Zusätzlich sind zwei Feuerwehrmänner aus Kehl in Ausbildung und werden Anfang 2015 das Behördenpatent erhalten. Die Ausbildung zum Schiffsführer dauert drei Jahre. Seine Aufgabe ist es, das Feuerlöschboot nach den auf dem Rhein gültigen Navigationsrichtlinien zu steuern. An den Löscheinsätzen selbst sind Schiffsführer nicht beteiligt.

Beim Einsatz muss jeder Handgriff sitzen, jeder muss aufs Wort sofort verstehen, was der andere sagt, die Abläufe müssen automatisiert sein. Viele Feuerwehrmänner bedauern, dass sie mit ihren deutschen oder französischen Kollegen nicht noch häufiger zusammenarbeiten können. Daher ist Mittwoch für sie ein wichtiger Tag. Jede Woche wird ein anderes Szenario geübt: ein Ertrinkender, der aus dem Wasser gerettet werden muss, ein Brand auf einem Schiff, den es zu löschen gilt, ein Brand auf einem Schiff, das Gefahrgut geladen hat, ein Brand im Hafengebiet, bei dem die Europa 1 mit ihren leistungsstarken Pumpen die Wasserversorgung sicherstellt. 15 000 Liter können die Pumpen pro Minute fördern. Jeder Feuerwehrmann muss für jedes dieser Szenarien das Vorgehen verinnerlicht haben. "Nur so können wir effizient sein und sichergehen, dass niemand seinen Kollegen gefährdet", betont Schiffsführer Martz.

Ein 120 Tonnen schwerer Kran treibt auf dem Rhein

Was passieren kann, hat Viktor Liehr von der Kehler Feuerwehr bereits erlebt: Ein 120 Tonnen schwerer Schwimmkran ohne eigenen Motor hatte sich vom Ufer gelöst und trieb auf den Rhein hinaus. Der Europa 1 gelang es, die Plattform wieder ans Ufer zu schleppen. Einen besonderen Einsatz hatte die Europa 1 während des NATO-Gipfels 2009 zu bestehen: Französische Feuerwehrkräfte, die sich in Straßburg nicht auskannten, mussten vor gewaltbereiten Demonstranten in den Straßburger Hafen flüchten und waren in einer Hafenspitze gefangen. In letzter Minute hatte die Europa 1 die Kollegen an Bord holen können. Allein bei diesen beiden Einsätzen habe sich die Europa 1 bereits bezahlt gemacht, ist sich der Zugführer sicher.