Chaos pur: Vier bis fünf Mal im Monat muss der Wohnbau-Chef Mietern kündigen, weil die Geruchsbelästigung für die Nachbarn unerträglich wird – oder weil die Miete nicht gezahlt wird. Foto: Lipowsky

Kehler Wohnbau-Gesellschaft hat immer häufiger mit Mietnomaden zu tun. Nachbarn beschweren sich.

Kehl - Zerfetzte PVC-Böden, heruntergerissene Tapeten, eingetretene Türen, Brandspuren, Müllberge, Schimmel: Mehr als 40.000 Euro muss die Städtische Wohnbau-Gesellschaft Kehl pro Jahr aufbringen, um Schäden zu beseitigen, die Mieter mutwillig in ihren Wohnungen angerichtet haben.

Wohnungen, in denen sich Kartons mit allerlei Inhalt bis unter die Decke stapeln und ihren Besitzern kaum noch Bewegungsfreiheit lassen, Balkons, die Müllkippen ähneln, völlig verdreckte Küchen – Wohnbau-Chef Walter Springmann könnte zahllose Geschichten erzählen von Mietern, "die ihren Müll nicht mehr wegbekommen". Irgendwann wird es dann meist den Nachbarn zu viel und sie beschweren sich bei der Wohnbau über die Geruchsbelästigung im Haus. Wenn die betroffenen Bewohner mit Mitarbeitern der Wohnbau vereinbarte Termine immer wieder verschieben, verstreichen lassen und auf Klingelzeichen nicht reagieren, muss die Wohnbau ab und an auch Wohnungen von Feuerwehr und Polizei öffnen lassen.

Oftmals sind es ältere Menschen, die es nicht mehr schaffen, ihren Alltag alleine zu bewältigen, manchmal sind es Alleinerziehende, die mit Kindern in einer Wohnung leben, in der vor Monaten bereits der Strom abgestellt wurde, in der weder Kühlschrank, noch Herd, noch Waschmaschine betrieben werden können. "Es kommt vor, dass eine ganz normale Familie unter die Räder kommt", weiß Walter Springmann. Manchmal sind es alkohol- oder psychisch kranke Menschen, die in völlig verdreckten Wohnungen hausen, manchmal versuchen Menschen, ihre Einsamkeit mit viel zu vielen Tieren in einer kleinen Wohnung zu lindern.

Vor ein paar Jahren haben Mitarbeiter des Tierheims 50 Katzen aus der 50 Quadratmeter großen Wohnung einer alleinstehenden Frau geholt – die Nachbarn hatten sich über den Gestank beklagt. Auf diese Weise haben Mitarbeiter der Wohnbau auch schon Leguane und Schlangen entdeckt, die in vermüllten Wohnungen gehalten wurden.

Weil diese Menschen oft gar nicht wissen, dass sie Hilfe bekommen können oder sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten, arbeitet die Wohnbau in solchen Fällen eng mit der Gemeinwesenarbeit zusammen: Joachim Kubitza, bei der Stadt Kehl für Senioren zuständig, die Sozialpädagogen Cornel Happe oder Claudia Mündel kennen die Bewohner entweder schon oder können den Kontakt herstellen und – wo gewünscht – Hilfen vermitteln. Wenn sich Familien, Senioren oder Alleinstehende helfen lassen – zum Beispiel durch einen Betreuer, "dann nehmen wir die Kündigung zurück", sagt Springmann.

Wenn die Miete mehr als zwei Monate lang nicht bezahlt wurde, kann die Wohnbau den Mietern kündigen. "Das passiert vier- bis fünfmal im Monat", berichtet der Wohnbau-Chef. Einen Monat lang haben die säumigen Zahler Zeit, die Rückstände zu begleichen, dann ist die Kündigung hinfällig. Wird nicht bezahlt und werden die Zustände für die Nachbarn im Haus nicht mehr tragbar, leitet die Wohnbau eine Räumungsklage in die Wege. Nach der Zwangsräumung einer Wohnung finden sich dort meist noch Müllberge und häufig ist eine Generalsanierung fällig, weil die Substanz gelitten hat. Böden sind zerstört, Wände verschimmelt, weil sie mit Müll zugebaut waren und nicht mehr gelüftet wurde, Fenster sind aus den Rahmen, Steckdosen aus den Wänden gerissen, Türen eingetreten.

Mutwillige Zerstörung in Wohnungen und Vermüllung, "das gab es schon immer", weiß Springmann aus langjähriger Erfahrung. Verwahrlosung durch Vereinsamung indes nimmt seiner Einschätzung nach zu. Oft seien die Kinder weit weg oder kümmerten sich nicht um die Eltern, manche Menschen hätten auch keine Angehörigen (mehr) und gingen kaum noch aus dem Haus – "das geht querbeet durch alle Nationalitäten", hat Walter Springmann festgestellt.

"80 Prozent unserer Mieter sind gute Mieter", betont der Geschäftsführer der Wohnbau. "Es ist ein kleiner Teil, der Ärger macht." Zehn Prozent der Mieter verursachten Probleme, die sich immer wieder regeln ließen. Wirklich Arbeit und Ärger machen die verbleibenden zehn Prozent, von denen Springmann den Eindruck hat, als seien sie "auf der Flucht".

Diese Mieter bleiben meist nicht mal ein Jahr in einer Wohnung, hinterlassen in der Regel Müll und Schulden – der Geschäftsführer der Städtischen Wohnbau staunt immer wieder, "dass sie woanders unterkommen". Denn Wohnraum gibt es in Kehl keineswegs im Überfluss. Mehr als 200 Interessenten stehen zurzeit auf der Warteliste für eine Wohnbau-Wohnung. Leerstände hat die Wohnbau nicht. Leer ist eine Wohnung gerade solange sie saniert wird.