Auf Glasplatten und Stelen erinnert die Diakonie Kehl-Kork an die 113 Opfer der Nazi-Aktion "T 4". Foto: Freudenberger

Glasplatten und Stelen: Diakonie Kehl-Kork gedenkt der Opfer der "Aktion T 4" von 1940.

Kehl-Kork - In der Berliner Tiergartenstraße 4, wo heute die Philharmonie steht, wurde am heutigen 9. Oktober vor 75 Jahren die Ermordung von mehr als 70.000 kranken und behinderten Menschen organisiert: "Aktion T 4" war das Kürzel für die systematische Erfassung von Menschen in Heil-und Pflegeanstalten oder in Psychiatrien sowie die anschließende Deportation in eigens gebaute Tötungseinrichtungen. Die Diakonie Kehl-Kork gedenkt heute der 113 aus Kehl deportierten Menschen, die im Rahmen der Aktion ermordet worden sind.

Adolf Hitler hatte am 9. Oktober 1939 auf persönlichem Briefpapier Philipp Bouhler, den Leiter seiner Kanzlei, und seinen Leibarzt Karl Brandt "beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann". Der Brief wurde auf den 1. September 1939, den Beginn des Zweiten Weltkriegs, rückdatiert.

Am 9.Oktober Tag wurde festgelegt, dass etwa 70.000 Menschen aus kirchlichen und staatlichen Einrichtungen getötet werden sollten. Amselben Tag wurden an diese Einrichtungen mit einem Runderlass Meldebogen versandt, auf denen neben biografischen Angaben auch Aussagen zur Erkrankung und zur Arbeitsfähigkeit der Anstaltsinsassen erhoben wurden. Zu melden waren unter anderem auch Patienten, die an Schizophrenie, Epilepsie oder Senilität litten. Der Hinweis auf eine "Erhebung im Rahmen planwirtschaftlicher Maßnahmen" ließ keine Rückschlüsse auf eine geplante Mordaktion zu. Schon am 12. Oktober 1939 wurde die Samariteranstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb beschlagnahmt, geräumt und mit einer Vergasungsbaracke und Krematoriums-Öfen zur Tötungseinrichtung umgebaut. Bis Dezember des Jahres 1940 wurden dort mehr als 10.600 Menschen ermordet, darunter auch 113 aus Kork.

Am 28. Mai 1940 wurden aus der damaligen "Heil-und Pflegeanstalt Kork" 70 Frauen und Mädchen nach Grafeneck deportiert und vermutlich am selben Tag vergast und verbrannt. Am 23. Oktober 1940 wurden weitere 35 männliche und acht weibliche Patienten mit den berüchtigten "Grauen Bussen" abgeholt. Mit Hinweis auf die Arbeitsfähigkeit war es dem damaligen Einrichtungsleiter Adolf Meerwein in einem Gespräch im Innenministerium zuvor gelungen, die auf der Transportliste angeordnete Zahl von 101 "zu verlegenden" Bewohnern auf 43 zu senken.

Die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderung wurde nach Erreichen der am 9. Oktober 1939 festgelegten Planzahl von 70.000 und nach Protesten, insbesondere aus Kreisen der Kirchen, im Spätsommer 1941 gestoppt. Bis Kriegsende wurden nach Schätzungen jedoch weitere 200.000 kranke und behinderte Menschen im Deutschen Reich dezentral ermordet.