Der Reisepass Elise Wertheimers: Auf ihm prangen Stempel mit dem Hoheitszeichen der Nationalsozialisten, dem Reichsadler mit dem Hakenkreuz. Foto: Stadt Kehl

Gedenken: Stadt Kehl lässt am 2. Mai weitere Stolpersteine verlegen / Recherchen zu jüdischen Bewohnern

Wer in Kehl zu Fuß unterwegs ist, wird bereits heute durch 45 sogenannte Stolpersteine an jüdische Bewohner erinnert, die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur wurden. Am Dienstag, 2. Mai, kommen 18 weitere hinzu.

Kehl (red/fx). Sie erinnern an die Familien Bensinger und Wertheimer und werden an sechs verschiedenen Standorten verlegt. Die Stadt Kehl lädt dazu ein, an der öffentlichen Gedenkveranstaltung teilzunehmen.

Der Kehler Gemeinderat beschloss 2010 einstimmig, sich an der Stolpersteinaktion zu beteiligen. Damals beauftragte das Gremium Ute Scherb, Leiterin des Hanauer Museums sowie des Stadtarchivs, die Biografien der Kehler Opfer zu erforschen. Die Historikerin konnte dabei auf Vorarbeiten der Lehrer Peter Friedrich und Karl Britz zurückgreifen. Dennoch gestalteten sich die Recherchen schwierig, da in Archiven generell wenige Dokumente zu jüdischen Einwohnern aus der Zeit der Hitler-Diktatur erhalten sind. So wurden auch in Kehl offenbar systematisch Meldekarten vernichtet, um Spuren der NS-Verbrechen zu beseitigen. In den wenigen Fällen, in denen Meldekarten erhalten sind, handelt es sich um Zufallsfunde. Diese liefern wichtige Informationen wie etwa Wohnadressen, Geburtstage, Verheiratungen oder Umzüge.

Die Ergebnisse der Recherchen haben bislang drei Stolperstein-Verlegungen in Kehl ermöglicht: Im Juli 2011, im September 2012 und im Oktober 2013 wurden insgesamt 45 Steine in das Pflaster eingelassen, um an das Schicksal der jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner Kehls zu erinnern, die während der nationalsozialistischen Diktatur ermordet oder vertrieben wurden. In die Messingplättchen sind die Lebensdaten der Opfer eingraviert, verlegt wurden die Stolpersteine jeweils vor ihren letzten Wohnhäusern.

Nun sind die Recherchen so weit fortgeschritten, dass am 2. Mai 18 weitere Stolpersteine verlegt werden können, wie die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung schreibt.

Fünf Stolpersteine wird Gunter Demnig, geboren 1947 in Berlin, in der Kinzigstraße verlegen. Diese tragen die Namen des Ehepaars Julius und Elise Wertheimer, deren beider Söhne Fritz und Kurt sowie der Großmutter der beiden Jungen, Mina Wertheimer. Für Fritz Wertheimer, Jahrgang 1928, wird ein zweiter Stolperstein vor dem Hauptportal der Falkenhausenschule verlegt, die er besucht hatte. Dort befindet sich seit 2011 auch ein Stolperstein für den Lehrer Lazarus Mannheimer, ebenfalls ein Opfer des Holocausts.

Vor der Wilhelmschule wird ab Mai ein Stolperstein an Renate Bensinger erinnern, die dort Schülerin war. Ihre Familie wohnte in der Spießgasse, wo Gunter Demnig weitere fünf Stolpersteine in das Straßenpflaster einlassen wird. In Dorf-Kehl wird mit einem Stolperstein an Max Bensinger erinnert, der ein Bruder Simon Bensingers war. Als unverheirateter, selbstständiger Kaufmann wohnte er ab 1935 in der Hauptstraße in Kehl, die damals Adolf-Hitler-Straße hieß.

Die letzte Verlegestelle befindet sich in der Hauptstraße unweit des Marktplatzes. Dort werden fünf Stolpersteine für Rosa und ihre Kinder Louis, Karolina, Gertrud und Elsa Bensinger verlegt, die zwischen 1883 und 1891 geboren wurden. Elsa und Getrud Bensinger betrieben bis 1938 im Elternhaus in der Hauptstraße ein Weiß- und Wollwarengeschäft.

INFO

Veranstaltung

Die Gedenkveranstaltung am 2. Mai wird vom "Arbeitskreis 27. Januar" organisiert, der aus der Stadt Kehl, dem Historischen Verein Kehl, den beiden Kirchengemeinden sowie weiteren Gruppierungen und Einzelpersonen besteht. Zeitzeugen der Familien Wertheimer und Bensinger gibt es nicht mehr, der Arbeitskreis hat aber Nachkommen der Familien aus Argentinien, Frankreich, Israel und den USA zur Stolpersteinverlegung eingeladen. Auch Kehler Schüler, die sich im Unterricht mit dem Leben der Kehler Juden während der NS-Zeit beschäftigen, werden sich an der Gedenkveranstaltung beteiligen. "Alles Gedenken an den Nationalsozialismus macht nur Sinn, wenn jüngere Generationen für dieses Thema sensibilisiert werden", sagt Ute Scherb über dieses Engagement. Der städtische Betriebshof wird die Eintiefungen im Straßenpflaster für die Stolpersteinverlegung vorbereiten. Oberbürgermeister Toni Vetrano wird an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. Der genaue Ablauf und der Beginn der Stolpersteinverlegung sollen noch bekannt gegeben werden.