In Flüchtlingsheimen wie hier in Sigmaringen kommt es immer wieder zu Streit unter Asylbewerbern. Gegenseitige Anzeigen folgen auf dem Fuß. Foto: dpa

Ein Terrorverdacht ist schnell in der Welt, doch Staatsanwälte haben oft Mühe, diesen auf seinen Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Was den Ermittlungsbehörden in Baden-Württemberg Probleme bereitet.

Stuttgart - Hinweise auf Terrorverdächtige oder radikalisierte Flüchtlinge erhalten die Ermittlungsbehörden in letzter Zeit häufig von Flüchtlingen selbst. „Wir haben eine Vielzahl von Anzeigen gegen Personen, die beim IS gekämpft haben sollen oder angeblich einen Anschlag planen“, sagte am Mittwoch der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen gegenüber Medienvertretern. Die Hinweise beruhten zum Teil auf Videoclips von Facebook. Aber auch Äußerungen bei Auseinandersetzungen nach dem Motto „Pass auf, ich war beim IS!“ seien immer wieder Anlass für Ermittlungen, sagte Sandra Bischoff, die bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart zuständige Leiterin der Abteilung Terrorismus/Extremismus.

Die Ermittlungen in solchen Fällen seien äußerst aufwendig, denn man müsse große Datenmengen auswerten, übersetzen und auch verdeckt arbeiten. Und letztlich stelle sich immer die Frage der Ernstlichkeit solcher Hinweise. Brauneisen: „Da stoßen wir manchmal an unsere rechtlichen und tatsächlichen Grenzen.“ Das sei vor allem dann der Fall, wenn man versuche, von Deutschland aus Sachverhalte in Syrien aufzuklären. Es gebe auch unterschiedliche Motive der Flüchtlinge, solche Hinweise zu melden. Gleichzeitig ständen die Ermittler unter dem Druck, Gefahren abzuwehren: „Wir müssen eingreifen bevor etwas passiert“, sagte Bischoff. Glücklicherweise ermögliche der Gesetzgeber ein niedrigschwelliges Reagieren.

Ein Lob der Bündelung

Als äußerst hilfreich wertete Brauneisen die Neuordnung der Terror- und Extremismusermittlungen im Februar 2016. Seither sind die Kompetenzen in Baden-Württemberg auf die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart sowie die Staatsanwaltschaften in Karlsruhe und Stuttgart konzentriert. „Wir sind deutlich schlagkräftiger aufgestellt als noch vor einem Jahr“, wertete Brauneisen die Bündelung. Dies liege auch an der personellen Aufstockung. So habe der Landtag 14 neue Staatsanwaltsstellen für die Terrorbekämpfung geschaffen. Stuttgart habe mittlerweile eine Zentralstellenfunktion für das ganze Land.

Brauneisen und Bischoff halten diese Veränderung nicht nur wegen der aktuellen Bedrohungslage für geboten, sondern auch wegen der wachsenden Ermittlungsarbeit: Denn der Generalbundesanwalt, der eigentlich für Verfahren wegen der Mitgliedschaft oder der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland zuständig ist, gebe aus Kapazitätsgründen immer mehr Fälle an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder ab – auch an Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr waren dies 18 Verfahren und im Januar 2017 weitere drei. Brauneisen: „Wir sind in einer Ausnahmesituation, da müssen die Länder dem Generalbundesanwalt helfen.“

Neue Gesetze erwünscht

Der Stuttgarter Generalstaatanwalt – er hat die Fachaufsicht über die acht Staatsanwaltschaften in Württemberg – geht von einer weiteren Zunahme der Terror-Ermittlungen und -prozesse aus: „Das Thema wird uns noch lange Zeit beschäftigen.“ Brauneisen sprach sich für eine neue Rechtsgrundlage aus, um die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung durchführen zu können. Dabei geht es um die Kontrolle von Internet-Messengern wie Whatsapp oder Skype, die ihre Inhalte verschlüsselt weitergeben. Da dies den Einsatz von Spionageprogrammen – sogenannte Trojaner – notwendig mache, müsse der Bundesgesetzgeber reagieren.