Die Anlage ist das Prunkstück

Jungingen. Da hätte Herr von Ribbeck auf Ribbeck in Fontanes gleichnamigem Gedicht nicht schlecht gestaunt. Anstatt eines einzelnen Birnbaums stehen im Lehrgarten des Obst- und Gartenbauvereins Jungingen über 100 Bäume und Sträucher. Alljährlich im Herbst wird Mostfest gefeiert – in diesem Jahr in Verbindung mit dem 110-jährigen Vereinsjubiläum.

Sie haben Namen wie Florina, Kardinal Bea oder Gute Luise. Und zur Erntezeit werden sie in großer Zahl vom Baum, beziehungsweise vom Strauch geholt: die Früchte im Lehrgarten des OGV Jungingen.

Auf der ein Hektar großen Anlage ist die Auswahl im wahrsten Sinne des Wortes bunt. Neben Äpfeln wachsen hier Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen und Nüsse. Zwischen dem grünen Laub der Beerensträucher leuchten rote, von der Sonne verwöhnte Himbeeren hervor. Auch schwarze, weiße und rote Johannisbeeren gehören, ebenso wie Stachelbeeren, zum fruchtigen Repertoire.

Aus einer Ecke des Gartens dringt emsiges Summen. Dort hat, wie Vorstandsmitglied Gustolf Kohler erklärt, ein Imker einige Bienenkästen aufgestellt. Auch im Insektenhotel herrscht reges Kommen und Gehen.

Es ist idyllisch hier – eine Idylle, die allerdings mit viel Arbeit verbunden ist. Fast das ganze Jahr über hält die Anlage die Obstbauern auf Trab. "Allein die Pflege der Bäume erfordert von den Mitgliedern großen Einsatz", weiß Kohler.

Doch nicht nur auf den richtigen Schnitt, den der Verein Interessierten im Frühjahr bei seinen Lehrgängen demonstriert, kommt es an. Im Sommer und im Herbst muss das ganze Obst auch geerntet werden.

In den sprichwörtlichen Genuss der Erträge kommen indes nicht nur die Vereinsmitglieder. Beim Mostfest, das alljährlich gefeiert wird, werden sie gegen ein geringes Entgeld abgegeben. Seit 2014 stellt der Verein, der über eine eigene Kleinkelter verfügt, auch Apfelsaft her. Im 65-Liter-Fass wird der Saft auf 85 Grad erhitzt und in sogenannte "Bag -in-Boxes" abgefüllt.

Dass das süße Getränk auch bei den Kindern gut ankommt, freut die Obstbauern; ist es ihnen doch ein besonderes Anliegen, schon die Kleinen für ihre Arbeit zu begeistern.

Mit der mobilen Presse werden im Herbst deshalb oft der Kindergarten und die Schule besucht, wo den Kindern gezeigt wird, wie der Apfel ins Glas kommt – eine kleine Kostprobe natürlich inbegriffen.

"Die vorteilhafte Verwendung des Obstes zu fördern" – das war ein Grundsatz, der schon im Gründungsjahr des OGV Jungingen in den Vereinsstatuten verankert war. Am 14. Januar 1905 trafen sich interessierte Bürger im Gasthaus "Engel", um den Verein aus der Taufe zu heben. Insgesamt 70 Mitglieder traten ihm bei, zum ersten Vorsitzenden wurde Hauptlehrer Karl Nerz ernannt.

Die letzte Hauptversammlung vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fand 1937 statt und erst 17 Jahre später konnte die "Wiedergeburt" des OGV gefeiert werden. Unter dem Vorsitz von Johann Haiß hatte der Verein damals 57 Mitglieder in seinen Reihen.

Zum "Schicksalsjahr" für die Obstbauern wurde das Jahr 1983, in dem zunächst kein Vorsitzender gefunden werden konnte. Es war schließlich Horst Bendix, der dieses Amt – ohne zuvor Mitglied zu sein – übernahm.

In den folgenden Jahrzehnten ging es stetig bergauf, die Mitgliederzahl stieg stark an und das Angebot von Schnittlehrgängen und Seminaren wurde kontinuierlich ausgebaut. Mit der Einweihung des Lehrgartens im Gewann Langwasen ging für den OGV am 4. Juli 1993 ein großer Traum in Erfüllung.

Heute hat der Verein 105 Mitglieder, darunter vier ausgebildete Fachwarte, in seinen Reihen. Zum aktuellen Vorstands-Team gehören der Vorsitzende Josef Freudenmann, seine Stellvertreterin Eva Blendinger, Schriftführerin Mateja Sattler und Rechnungsführer Gustolf Kohler.

Gefeiert wird das 110-jährige Bestehen des OGV Jungingen am Samstag und Sonntag, 10. und 11. Oktober, im Rahmen des traditionellen Mostfestes. Am Samstag wird im Lehrgarten unter anderem die Herstellung von Apfelsaft demonstriert. Für Kinder steht ein kleines Quiz auf dem Programm. Am Sonntag ist gemütliches Beisammensein angesagt.