Szene aus „Papas Arme sind ein Boot“ Foto: Meyer Originals

Das Ensemble pulk fiktion ist zu Gast im Jungen Ensemble Stuttgart mit „Papas Arme sind ein Boot“. Gearbeitet wird gerne mit Mitteln außerhalb der üblichen Schauspielkunst.

Stuttgart - Auch Kinder haben Probleme beim Einschlafen oder wachen auf mit Erinnerungen an schlechte Träume. Davon künden zahlreiche jugendliche Lautsprecherstimmen in der jüngsten Gastspielproduktion „Papas Arme sind ein Boot“ auf der Probebühne des Jungen Ensembles Stuttgart (Jes). Tröstlich ist es da, wenn eines der Kinder von der Existenz eines großen Bären weiß, der böse Träume verjagt.

Was sie in dem Stück jedoch eigentlich beschäftigt, aber nie explizit ausgesprochen wird: Sie leben ohne Mutter nur mit ihrem Vater zusammen. Das muss kein existenzielles Problem sein, wie es das Stück von Stein Erik Lunde und Oyvind Torseter zeigt.

Mit pulk fiktion gastiert derzeit eine der angesagtesten freien Kindertheatergruppen im Jes. Herausragend ist ihr Bemühen, möglichst viele andere Dinge außerhalb der klassischen Schauspielkunst in ihr Spiel einzubinden. Da gibt es viel Überraschendes für die jugendlichen Besucher von fünf Jahren an, aber zugleich wird auch ein Sog entwickelt, dem sich die Besucher nicht entziehen können. So wird etwa das Genießen des Morgenkaffees elektronisch erheblich verstärkt und in die Wiederholungsschleife geschickt, das Genussgefühl und der Ritualisierungseffekt von morgendlichem Kaffeetrinken wird also erheblich verlängert.

Überraschend ist auch, wie etwa der Knistereffekt eines Klebebands vor dem Mikrofon durch elektronische Bearbeitung in den Knistereffekt eines wärmenden Holzfeuers übergeht. Es sind also nicht nur die schauspielerischen Kniffe, die hier in den Bann ziehen. Mit wenigen Strichen werden etwa ein Waschbecken und ein Wasserhahn auf eine Papierleinwand gezeichnet. Was das soll, zeigt sich, als einer der beiden Schauspieler hinter die Leinwand geht und von dort beleuchtet wird: Zu sehen ist der Filius beim abendlichen Zähneputzen per Schattentheater. Abendliche Rituale wie das Zähneputzen sind also genauso notwendig wie morgens das Kaffeetrinken. Und um dies zu unterstreichen, wechseln Norman Grotegut und Matthias Meyer mehrfach die Rollen als Vater und Sohn. Was sie auch sonst immer wieder tun, denn Hierarchien sollen sich hier nicht einstellen.

Neben dem Schattentheater gibt es auch noch diverse Projektionen von Zeichnungen mit roten Vögeln und einem Fuchs. Besonders groß ist die Freude bei den jungen Besuchern, wenn diese Projektionen auf der Wand hinter ihnen entlangwandern und sie sie dann berühren können, denn wie in einem Zirkus befinden sich die Sitzreihen rund um das Geschehen im Mittelpunkt.

Nicht alles wird sich erschließen wie die vielen Musikeinspielungen, zum Teil über einen alten Plattenspieler. Doch dann gibt es Mitmachklassiker, etwa wenn die beiden Schauspieler nach Pizzaresten suchen. Und da hier sehr viele Pizzakartons herumliegen, ist die Entdeckerfreude groß, auf verborgene Kartons hinzuweisen. Doch dann ist da auf einmal als weiteres theatralisches Mittel eine kleine Figur oder eine szenische Installation drin. Und immer wieder dringt der Tenor durch: Papas Arme sind ein Boot.

Das Jes beteiligt sich finanziell an einer solchen Produktion, um mal einen etwas anderen Blick auf Kindertheater werfen zu können sowie um zu testen, wie dies beim hiesigen Publikum ankommt. „Das sind Produktionen, die sonst im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm, in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel oder im Jungen Staatstheater Berlin zu sehen sind. Das sind Häuser, die in einer anderen Liga als wir spielen“, so die Jes-Leiterin Brigitte Dethier. Ein weiterer Versuch wird am 7. Mai gestartet mit dem freien Ensemble Showcase Beat Le Mot, das sich mit George Orwells „Animal Farm“ auseinandergesetzt hat.