Joe Cocker über sein neues Album „Fire It Up“ Foto: Promo

Joe Cocker über sein neues Album „Fire It Up“ und die Schwierigkeiten, als 68-Jähriger noch zeitgemäß zu klingen.

Eigentlich will Joe Cocker nicht über die Schatten seiner Vergangenheit sprechen. Über seine Alkoholabhängigkeit, seine unausstehliche Art als Säufer, über seinen Entzug vor elf Jahren. Beim Interview zu seinem 23. Studioalbum „Fire It Up“ wird aber schnell klar, dass das nicht geht. Sein Alkoholismus gehört zu ihm wie seine ungewöhnlichen Handbewegungen auf der Bühne, hat Spuren im Leben des 68-Jährigen hinterlassen. „Ich war ganz unten. Als ich trank, durchlebte ich die mieseste Zeit meines Lebens“, erzählt Cocker ernst, aber ohne Verbitterung. Er spricht über seinen neuen Song „I Come In Peace“, dessen Botschaft, niemals die Hoffnung zu verlieren, durchaus auf ihn zu beziehen ist. „Ich lernte meine Frau in den frühen 80ern kennen, und erst durch sie merkte ich, dass ich stark sein kann, wenn ich es nur will.“

Der 1944 in Sheffield geborene Sänger hat diese Stärke gezeigt – und zehrt bis heute von diesem Erfolg. „Fire It Up“ ist ein lebensfrohes Album. „Es gibt zu wenig Liebe auf der Welt“, so Cocker. „Ich kann mir nur nicht erklären, weshalb.“ Dennoch gibt es für ihn genug Gegenbeispiele. „Damals hätte niemand gedacht, dass Irland die Lage in den Griff bekommen würde. Doch eines Tages beschlossen sie, nicht mehr gegeneinander zu kämpfen.“

„Fire It Up“ ist noch mehr. Es ist das Statement eines Künstlers, der auch nach 45 Jahren auf den Bühnen der Welt das Feuer nicht verloren hat. „Ein Freund erzählte mir neulich, dass ihr Deutschen mich wirklich liebt. Er sagte das in einer Phase, in der ich einmal mehr all das in Frage stellte, was ich tue. Ist es das wirklich alles wert?“ Letztlich waren es die magischen Momente besonderer Konzerte und Aussagen wie die seines Freundes, die ihn weitermachen ließen. „Diese Momente entschädigen für alles. Außerdem wüsste ich nicht, was ich sonst tun würde. Tomaten anbauen wahrscheinlich.“

Deutschland liebt Joe Cocker

Dazu besteht derzeit kein Grund. Die neuen Songs klingen frisch und tatsächlich etwas zeitgemäßer als die des Vorgängers „Hard Knocks“, das ebenfalls von Matt Serletic produziert wurde. Eine gute Wahl, immerhin landete die Platte 2010 hierzulande an der Spitze der Charts. Deutschland liebt Joe Cocker anscheinend wirklich. Das wird auch mit der neuen Pop-Schlagseite der Fall sein. „Ich konnte gar nichts dagegen tun. Alles, was mir in den Sinn kam, klang so verdammt poppig“, meint er beinahe entschuldigend.

„Jedes Werk ist ein Abenteuer, doch mit zunehmendem Alter wird es schwieriger, etwas Neues abzuliefern“, sagt er und lacht – wohlwissend, es einmal mehr geschafft zu haben. Ob die neuen Songs in zehn Jahren neben Welterfolgen wie dem Beatles-Cover „With A Little Help From My Friends“ bestehen, ist zwar fraglich. „I Come In Peace“ oder „You Don’t Need A Million Dollars“ zeigen aber etwas wichtigeres: Der Cocker-Sound ist überlebensfähig. Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß niemand besser als er selbst: „Wir Musiker leben in harten Zeiten. Auch ich versuche, mit Justin Bieber mitzuhalten.“ Das meint er zwar nicht ganz ernst, weiß aber um seine Rolle als Relikt aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der es nicht darum ging, „möglichst viele Hits aneinanderzureihen und gleich mit einem Kracher einzusteigen.“

Im Mai kommt Joe Cocker in die Schleyerhalle nach Stuttgart

Ein Ewiggestriger ist der Bluesrocker nicht. In der Vergangenheit schwelgt er dennoch gern. „Immer wenn ich in Deutschland bin, muss ich an den Mauerfall denken“, sagt er, „wir waren zu dieser Zeit in Hamburg, und die Atmosphäre war so einzigartig, dass ich oft daran zurückdenke.“ Zu seiner Vergangenheit zählen auch die unzähligen Hits. War er derer zeitweise überdrüssig, so weiß er wieder um ihre Wichtigkeit. „Wenn ich ins Publikum blicke, verstehe ich, warum es Hits sind. Deshalb bringe ich immer noch „You Are So Beautiful“. An einem Song wie diesem kann ich ablesen, wie das Konzert ablaufen wird“, erklärt er. Dasselbe gelte für „With A Little Help From My Friends“, den er bereits 1969 in Woodstock gespielt hat. „Das ist kein Song, das ist eine Reise.“ Und zwar eine, die Anekdoten wie diese in ihm wachruft: „Als ich 1994 auf dem zweiten Woodstock spielte, sagte ich scherzhaft: „Wir sehen uns 2019!“ Ich hätte nie gedacht, dass ich so lange aktiv sein würde – und jetzt ist 2019 gar nicht mehr so weit entfernt.“ Da hätte er dann bereits seinen 75. Geburtstag hinter sich. Konkrete Pläne für das große Fest hat er daher noch nicht. „Wahrscheinlich werde ich auf einer Bühne stehen.“

Jo Cockers Album „Fire It Up“ (Columbia/Sony) ist bereits erschienen, am 4. Mai 2013 tritt er in Stuttgart in der Schleyerhalle auf; Tickets unter: 07 11 / 22 11 05.