Seit 2012 ist Joachim Gauck Bundespräsident. An seiner Seite: "First Freundin" Daniela Schadt. Foto: dpa

Dass Joachim Gauck mit einer zweiten Amtszeit libäugelt, ist ein offenes Geheimnis. Träte er 2017 noch einmal an, wäre er der älteste Bundespräsident, den Deutschland je hatte. Der frühere DDR-Bürgerrechtler hat keine Angst vor klaren Positionen.

Stuttgart - Für Bundespräsidenten gibt es keine Altersbeschränkung. Am Samstag wird Joachim Gauck 75. Damit ist er das älteste bundesdeutsche Staatsoberhaupt seit Theodor Heuss.

Vor fünf Jahren, bei seinem 70. Geburtstag, war Joachim Gauck dem Ruhestand deutlich näher. Zehn Jahre war er damals schon ohne das Amt, das ihn bekannt gemacht hatte: Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik. Auch wegen des sperrigen Titels bürgerte sich die Variante „Gauck-Behörde“ ein.

"Versöhner, Einheitsstifter und Mahner"

Seit seinem Ausscheiden im Jahr 2000 war Gauck vor allem als Vortragsreisender unterwegs, als Anwalt von Freiheit und Bürgerrechten, als „Erinnerungsprofi“. Zu seinem 70. Geburtstag würdigte ihn Kanzlern Angela Merkel als „Versöhner, Einheitsstifter und Mahner“. Und sagte, auf sein Ego anspielend: „Eigentlich könnte Joachim Gauck die Laudatio auf sich am allerbesten selbst halten.“ Als „Demokratielehrer“ lobte sie ihn. Der Höhepunkt seines Berufslebens schien damals aber schon weit zurückzuliegen.

Doch dann kam der 31. Mai 2010. Bundespräsident Horst Köhler trat zurück, und die rot-grüne Opposition nominierte Gauck als ihren Kandidaten für die Nachfolge. Es war ein Coup, die Zustimmung für den Ex-Pastor aus Rostock ging weit über SPD und Grüne hinaus. Doch am Ende reichte es nicht. Der zehnte Bundespräsident hieß Christian Wulff. Das wäre es dann gewesen mit den Ambitionen Gaucks. Aber auch Wulff trat 20 Monate später ab. Diesmal unterstützten Gauck auch FDP und Union - und nach einigem Widerstand auch die Kanzlerin. Am 18. März 2012 wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt.

Glück hatte Gauck, was seine Karriere angeht, auch schon 1990. Als Abgeordneter von Bündnis 90 bei der ersten und einzigen freien Wahl der Volkskammer ins Parlament geschickt, landete er im eher unpopulären Innenausschuss, wo die Hinterlassenschaft der DDR-Staatssicherheit erörtert wurde. Eigentlich Zufall, er war halt nicht so berühmt wie andere DDR-Oppositionelle, räumte Gauck in seiner Autobiografie „Winter im Sommer, Frühling im Herbst“ ein.

Frühling im Herbst: 1989 und 1990 sind die Schlüsseljahre im Leben des Joachim Gauck. Damal wurde er 50 Jahre alt. Die Ereignisse Ende 1989 bedeuteten auch persönlich eine so tiefgreifende Wende, dass danach nichts mehr war wie zuvor. Johann Legner schreibt in seiner Gauck-Biografie: „Es brauchte einen Volksaufstand, um ihn zu einem persönlichen Aufstand zu bewegen.“

In innerer und äußerer Opposition zum DDR-Regime

Ein Gegner des DDR-Regimes war er von Anfang an, auch aus persönlichen Gründen. Sein Vater war 1951 von den Sowjets verschleppt worden, erst vier Jahre später kehrte er aus dem Gulag zurück. Gauck wies später immer wieder die Vorstellung zurück, sein negatives Russland-Bild sei durch seine Biografie und das Schicksal seines Vaters bestimmt.

Auf der Danziger Westerplatte übte er 2014 scharfe Kritik an der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt. Aber er erinnerte kürzlich auch daran, dass deutsche Soldaten „einen furchtbaren Krieg“ gegen die Völker der Sowjetunion geführt haben. Unter diesen Menschen habe es besonders viele Opfer gegeben. „Ich kann nur mit Erschrecken, Trauer und Dankbarkeit an diese Menschen denken und ihre Rolle bei der Befreiung vom Nationalsozialismus würdigen.“

Beim Volk beliebt

Fast drei Jahre ist Gauck nun Bundespräsident, weithin geachtet, ebenso wie seine Lebensgefährtin Daniela Schadt an seiner Seite. Im ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen kam er im Dezember auf 2,4 Punkte, nur knapp hinter Merkel. Widerspruch gibt es vor allem von der Linken, die ihn nicht gewählt hat. Pazifisten werfen ihm nach seiner Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz zu Deutschlands neuer Rolle in der Welt Kriegstreiberei vor.

Immer wieder erklärt er, wie die Münchner Rede gemeint war: „Ich selbst habe etliche Jahre gebraucht, bis ich mich zu der Position durchgerungen hatte, dass Deutschland nach seinem unendlich tiefen Fall im Nationalsozialismus heute auch international eine größere Verantwortung annehmen und ausbauen sollte“, sagt er.

Nach einiger Unsicherheit im ersten Jahr weiß Gauck nun, was er sagen darf - und was nicht. „Es ist einfacher, als Bürger ohne Amt seine Meinung zu vertreten. Da darf man auch mal übertreiben, ironisch sein und sehr zugespitzt formulieren. All das passt nicht so recht zum Amt des Präsidenten.“ Dennoch gebe es Dinge, die ein Bundespräsident deutlich aussprechen dürfe. Richtung Pegida etwa sagt er: „Der Vorwurf „Lügenpresse“ ist geschichtsvergessener Unsinn. Mal abgesehen davon, dass dieses Wort auch ein Kampfbegriff der Nazis war.“

Ob er 2017 noch einmal antritt, dann mit Abstand der älteste Bundespräsident, den es je gab? Die Frage bleibt regelmäßig unbeantwortet. Also offen.