Kurt Maier war früher Bürgermeister von Oberjettingen. Morgen wird der 78-Jährige für 50 Jahre Singen beim MGV Liederkranz Oberjettingen geehrt. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Morgen ehrt der MGV Liederkranz Oberjettingen Alt-Bürgermeister Kurt Maier für 50 Jahre Singen im Verein

Von Simone Heinzelmann

Jettingen. Wie bekommen wir den Gemeinderat dazu, den Ratssaal zu räumen? Diese Frage stellte sich einst ein junger Vorsitzender des MGV Liederkranz Oberjettingen. Denn er wollte zur gleichen Zeit proben, zu der der Rat immer tagte. Also warb er kurzerhand den damaligen Bürgermeister Kurt Maier an. Dieser wird morgen für 50 Jahre Singen im Verein geehrt.

Die Rechnung des damaligen Vorsitzenden ging also auf: Kurt Maier, damals Bürgermeister von Oberjettingen, sang von da an beim Liederkranz mit und verschob aus diesem Grund extra die Sitzungen des Gremiums auf einen anderen Tag. Der Schwabenstreich war gelungen. Und ein stimmgewaltiger Bariton gewonnen.

Dass der in Mundelsheim aufgewachsene Kurt Maier nach Oberjettingen kam, hat fast etwas Schicksalhaftes. Erst nach seiner Zeit als Bürgermeister der Gemeinde (1962 bis 1972) fand er heraus, was seine Familie mit dem Ort verbindet. Der Diplomverwaltungswirt hatte sich bereits mit 25 Jahren als Bürgermeister von Oberjettingen beworben – es war die erste Stellenausschreibung, auf die er stieß. Es schien also mehr Zufall, dass es ihn in die Region verschlug. Doch als er nach dem mit seiner Unterstützung herbeigeführten Zusammenschluss von Ober- und Unterjettingen beschloss, dass nun ein Mann von außen die richtige Besetzung wäre und sich beruflich umorientierte, blieb ihm etwas Zeit zur Ahnenforschung. Und heraus kam Erstaunliches.

Der Großvater war Goldschmied gewesen und von Pforzheim nach Mundelsheim gekommen, erinnert sich Maier. Irgendwann habe ihm seine Patentante erzählt: "Wir stammen eigentlich aus Nagold." Dann wurde es erst richtig abenteuerlich: Einst hatte bei einer Tante in Nagold ein kleiner Junge gelebt, dessen Eltern 1852 nach Amerika ausgewandert waren. "Das war mein Vorfahre", so der 78-Jährige. Als sich die Tante den Unterhalt nicht mehr leisten konnte, kam das Kind zur Großmutter mütterlicherseits nach Pforzheim. "Ich habe einiges darüber in alten Kirchenbüchern in Nagold gefunden", erzählt Maier. Doch dann entdeckte der heute 78-Jährige, dass die ausgewanderte Familie nur zwei Generationen in Nagold gelebt hatte. "Sie waren zugezogen – aus Oberjettingen", so Kurt Maier, dem noch heute die Überraschung über seine Entdeckung anzuhören ist. Mehr als 300 Jahre waren seine Vorfahren in Oberjettingen beheimatet – der Stadt, in der sich der junge Mundelsheimer als Bürgermeister beworben hatte. "Dabei wusste ich damals gar nicht, was oder wo Jettingen überhaupt ist." Übrigens war auch einer seiner Vorfahren Bürgermeister von Oberjettingen. "Einiges, was er geschaffen hatte, musste während meiner Amtszeit renoviert werden", erzählt Maier und lacht.

Doch, wie gesagt, nicht nur als Bürgermeister engagierte sich Kurt Maier, sondern auch als Sänger. Bald schon erkannten die Vereinskollegen das Potenzial des neuen Mitglieds. Der Schultheiß eignete sich doch tatsächlich auch als Solist. So gab er einst etwa den Schweinefürsten im "Zigeunerbaron". Aber auch als Büttenredner machte er von sich reden.

Inzwischen hat sich Kurt Maier etwas aus dem Liederkranz zurückgezogen, lebt er mit seiner Frau Doris doch vier Monate im Jahr in seinem Häuschen in Kalabrien, wo sich auch immer wieder seine Töchter Ellen und Anja einfinden. "Italien", sagt er schwärmerisch, "da hängt mein Herz dran." Und gibt gleich eine Kostprobe von seiner Dichtkunst, mit der er im übrigen den Liederkranz auch schon bereichert hat. "Den Verein", sagt der 78-Jährige heute, "den muss man den Jungen überlassen." Und doch steht er am Freitag bei der Hauptversammlung des MGV um 20 Uhr im Probenraum noch einmal im Mittelpunkt. Wie steht es doch in der Tagesordnung? Eine besondere Ehrung steht an: Kurt Maier wird für 50 Jahre aktives Singen ausgezeichnet. Und das in der Ortschaft seiner Vorfahren, die auch seine Heimat geworden ist: Oberjettingen.