Das Bild zeigt eine von Stuttgart 21-Gegnern mit „Ja“ übermalte Bodenmarkierung, die von Stuttgart 21-Befürwortern stammt. Foto: dpa

Ministerpräsident Kretschmann hinterfragt die Grundlage der Abstimmung im Jahr 2011. Die Bahn fordert dagegen einen „konstruktiven“ Beitrag des Landes.

Stuttgart - Zum Jahrestag der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 am Dienstag haben Bauherr und Gegner eine unterschiedliche Bilanz gezogen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fragt sich, ob die Grundlage der damaligen Abstimmung heute noch gegeben wäre. S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich sieht das Land durch die Abstimmung hingegen „befriedet“.

Am 27. November 2011 hatte die neue grün-rote Landesregierung alle Bürger gefragt, ob das Land aus der Finanzierung für den Tiefbahnhof aussteigen solle. Im Land votierten zwar 41,2 Prozent (in Stuttgart 47,1) für das sogenannte Kündigungsgesetz. 58,8 Prozent (Stuttgart: 52,9) stimmten aber dafür, dass sich das Land weiterhin mit maximal 930,6 Millionen Euro beteiligt.

Stuttgart 21 ist bis 4,526 Milliarden Euro finanziert, doch diese Hürde könnte bald gerissen werden. Kretschmann nimmt an, dass die Bahn weiteres Geld fordert, weil der Kostenrahmen noch vor den Tiefbauarbeiten nahezu ausgeschöpft ist. Man könne sich deshalb fragen, ob die Volksabstimmung auf der richtigen Grundlage stattgefunden habe, sagte Kretschmann unserer Zeitung am Rande einer Landtagsdebatte. Das Land werde jedenfalls kein zusätzliches Geld für das Projekt geben, so der Regierungschef.

Dietrich: „Haben keinen Grund, die neuen Kosten- oder Terminpläne zu verheimlichen“

„Wir sind einverstanden, dass die Landesregierung S 21 nach eigenem Bekunden kritisch-konstruktiv begleitet, und können mit Kritik umgehen“, sagt Dietrich. „Allerdings vermissen wir bei dem Gemeinschaftsprojekt von Land, Stadt, Region und Bahn zurzeit das konstruktive Zutun der Regierung.“ Die Volksabstimmung 2011 habe „zur Befriedigung“ des Konflikts geführt, meint Dietrich. An diesem Dienstag soll eine aktuelle Meinungsumfrage veröffentlicht werden, die diese Einschätzung stütze.

Am 12. Dezember will der Bahn-Vorstand seinem Aufsichtsrat eine aktualisierte Liste der Kostenrisiken und der Einsparpotenziale vorlegen. Im Anschluss werden die Projektpartner informiert. „Wir haben keinen Grund, die neuen Kosten- oder Terminpläne zu verheimlichen“, sagt Dietrich.

Das Aktionsbündnis gegen S 21 spricht von einer „verheerenden Bilanz“ für das Projekt seit der Volksabstimmung. Kritisiert werden unter anderem der Zeitverzug um mehr als ein Jahr, das Fehlen „entscheidender Baugenehmigungen“ und eines genehmigungsfähigen Brandschutzkonzepts oder das „sinnlose“ Fällen von Parkbäumen.