Am Jahrestag der prowestlichen Maidan-Proteste hat die Ukraine der Toten gedacht. Foto: dpa

Die Massenkundgebungen vom Maidan in Kiew haben der Ukraine ein Blutbad und einen Machtwechsel gebracht. Ein Jahr danach ehrt die Regierung die Toten von damals. Doch bei der Gedenkfeier gibt es auch scharfe Kritik an Präsident Poroschenko.

Kiew - Ein Jahr nach dem Beginn der prowestlichen Maidan-Proteste in der Ukraine hat Präsident Petro Poroschenko das krisengeschüttelte Land zur Einigkeit aufgerufen. „Wir müssen zusammenstehen und uns mehr vertrauen“, mahnte er am Freitag bei einem Treffen mit Aktivisten in Kiew, die von November 2013 bis zum Frühjahr auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in der Hauptstadt demonstriert hatten. US-Vizepräsident Joe Biden würdigte bei einem Besuch in Kiew den Mut der damaligen Demonstranten. Von Russland forderte er wegen der andauernden Kämpfe in der Ostukraine stärkere Friedensbemühungen und drohte Moskau mit internationaler Isolation.

Am 21. November 2013 hatte die ukrainische Führung unter dem damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch ihren proeuropäischen Kurs auf Eis gelegt und sich stärker Russland zugewandt. Dies löste die Großdemonstrationen aus, die letztlich zu einem Machtwechsel führten und bei denen mehr als 100 Menschen getötet wurden.

"Poroschenko, wo sind die Mörder?"

Poroschenko legte am Morgen an einem Mahnmal unweit des Maidans einen Kranz in Erinnerung an die Toten nieder. Wütende Angehörige der Opfer forderten lautstark Aufklärung über die Hintergründe der damaligen Gewalt. „Schande“ und „Poroschenko, wo sind die Mörder?“, riefen sie. Der Präsident kündigte an, alle bei den Maidan-Protesten getöteten Menschen als „Helden der Ukraine“ zu ehren.

„Die Ukrainer haben damals die Freiheit gewählt - und sie mit dem Blut der besten Söhne und der Töchter des Landes bezahlt“, sagte Parlamentspräsident Alexander Turtschinow. In den Nationalfarben Blau und Gelb erstrahlte am Freitagabend auf dem Maidan das 62 Meter hohe Unabhängigkeitsmonument. Tausende kamen Schätzungen zufolge den ganzen Tag an den Schauplatz der Proteste. Frühere Maidan-Aktivisten hielten am Nachmittag einen Gedächtnismarsch im Zentrum Kiews ab. Rund 3000 Sicherheitskräfte waren in der Hauptstadt im Einsatz.

Russland lehnt Umsturz ab

Russland lehnt den Umsturz nach wie vor ab und hatte lange von einer Kiewer „Junta“ gesprochen, erkennt die jetzige Führung aber an. Infolge der Maidan-Ereignisse annektierte Russland trotz internationaler Kritik und Protests Kiews die Halbinsel Krim. In der Ostukraine begann ein heftiger Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten mit bisher mehr als 4000 Toten. Auch am Freitag berichteten beide Seiten von neuen Kämpfen.

US-Vizepräsident Biden und Poroschenko sprachen sich bei einem Treffen für eine Fortsetzung des Minsker Gesprächsformats aus, an dem auch Russland beteiligt ist. Biden warf Russland erneut vor, die in der weißrussischen Hauptstadt Minsk getroffenen Vereinbarungen für eine Waffenruhe nicht einzuhalten und drohte mit Konsequenzen. Die USA sind nicht Teil der sogenannten Kontaktgruppe. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk hat eine Beteiligung der USA an Friedensgesprächen gefordert. Russland lehnt dies ab.

Jazenjuk, der voraussichtlich als Regierungschef im Amt bleibt, berichtete Biden von den Fortschritten der Regierungsbildung. Diese solle binnen der nächsten zehn Tage stattfinden. Die proeuropäischen Sieger der Parlamentswahl von Ende Oktober einigten sich pünktlich zum Jahrestag auf einen Koalitionsvertrag. Fünf prowestliche Kräfte stimmten dem Text zu, darunter auch die neu gegründete Volksfront von Jazenjuk und die Partei von Poroschenko. Jazenjuk zufolge verfügt die künftige Regierung über eine verfassungsändernde Parlamentsmehrheit.

Der russische Abgeordnete Leonid Sluzki kritisierte die ukrainische Führung als „Marionettenparlament“. Sie wolle einen Beitritt ihres Landes zur Nato und strebe damit das an, was die transatlantischen Puppenspieler wollen.

Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck forderte zum Maidan-Jahrestag eine stärkere Unterstützung der Ukraine durch den Westen. Biden sicherte der wirtschaftlich angeschlagenen Ex-Sowjetrepublik finanzielle Hilfe der USA zu.