Lady Gaga ließ sich unlängst mit bewaldetem Venushügel ablichten Foto: dpa

Jahrelang haben Frauen und Männer ihre Schamhaare wegrasiert, doch immer mehr lassen den Busch einfach wachsen.

Berlin - Wolfgang Herles reist mit einem Sofa durch die Welt und stellt Schriftsteller und ihre Bücher vor. Nebenher schreibt er selber. In seinem neuen Roman „Susanna im Bade“ geht es auch ums Schamhaar. Das einer Frau beschreibt Herles als „eine frisch angebrochene Tafel hochprozentiger Schokolade“. Und Herles ist mit seiner Meinung nicht allein: Die Schambehaarung kehrt zurück, die Zeit des Kahlschlags scheint vorüber zu sein. In Amerika ließ sich Lady Gaga nackt und mit bewaldetem Venushügel für ein Magazin fotografieren. Schauspielerin Gwyneth Paltrow erklärte in einer Talkshow, untenherum wieder ihren „wuchernden Siebziger-Jahre-Look“ sprießen zu lassen. Topmodel Kate Moss hatte schon zuvor im „Playboy“ auf ihren unrasierten Unterleib schauen lassen. Kurz vor Weihnachten 2013 erschien eine Lifestyle-Beilage der „New York Times“, in der körperliche Natürlichkeit als Trend ausgerufen wurde. Das meist anstrengende Rasieren, Lasern und Wachsen sei vorbei. Prompt stellten Händler Schaufensterpuppen in die Schaufenster, die durchsichtige Dessous trugen, gut sichtbar das üppige Schamhaar im Höschen.

Die Haarentkleidung der intimsten Teile am Körper gelangte mit dem Durchbruch der Pornografie zum Massenmedium in die westlichen Gesellschaften. Gegen Ende der 90er Jahre hatten Pornoproduzenten die Idee, dass die Darstellerinnen alles zeigen sollten. Frauen beseitigten ihr Schamhaar, damit Kamerabilder für die Zuschauer bis in die Vulvafalten vordrangen. Männer taten es, weil der Penis, vor allem im erigierten Zustand, mächtiger aussieht. Weil Pornos im Internet allgegenwärtig sind, verbreitete sich die radikale Nacktästhetik schnell. Die rasierte Scham wurde zur Norm – generationenübergreifend zu bestaunen in jeder Sauna. Nichts kaschieren, alles zeigen – keine Geheimnisse mehr. Die Industrie half begeistert nach mit Handrasierern.

Hans Wolff, professoraler Oberarzt an der Münchner Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, der eine Zeit lang in den USA forschte, sieht in der millionenfach ausgeübten Intimrasur weder hygienische noch medizinische Vorteile. „Wenn Sie eine Abiturklasse ausziehen würden“, sagt er, „wären wohl 90 Prozent der Mädchen und 50 Prozent der Jungen im Genitalbereich rasiert.“

Schambehaarung wird nicht mehr als hässlich empfunden

Von Gynäkologen vernimmt er, „dass sie fast kein normal behaartes junges Mädchen mehr sehen – da steht oft kein Härchen mehr im Genitalbereich.“ Weil mehrmals in der Woche um die Geschlechtsorgane herum Lästiges eliminiert wird, kann das zu starken Hautreizungen führen, kleinen Wunden, so dass Pusteln auftreten und es zur Infizierung mit Staphylokokken – kugelförmige an der Haut haftende Bakterien – kommen kann. „Durch kleine Wunden erhöht sich die Gefahr, dass beim Geschlechtsverkehr Viren übertragen werden, die Genitalwarzen hervorrufen.“ Was in den letzten Jahren zunehmend als ästhetisch empfunden wurde, ist keineswegs unbedenklich.

Inzwischen wird Schambehaarung nicht mehr als hässlich empfunden. Mann und Frau lassen sich wieder einen richtigen „Busch“ wachsen oder stutzen das Schamhaar nur. „Mehr Haare zeigen“, lautet der aus Übersee herüberschwappte Trend. Seltsamerweise gelten jedoch Haare unter den Achseln nach wie vor als unansehnlich. Zwischen den Oberschenkeln bleibt aber gepflegter Wildwuchs. Soziologen vermuten, dass das mit der Rückkehr der männlichen Bärte korrespondiert, vor allem den mitunter skurrilen Teilbärtchen der Hipster. Der Trend zur vollkommenen Nacktheit an den Genitalien, vor nicht mal zehn Jahren in Gang gekommen, gilt in den tonangebenden Szenen bereits als konfuse Verirrung. Üppig entlohnte Enthaarungskosmetikerinnen verlieren immer mehr Kundschaft. Es ist nicht mehr schick, Lolita-Aussehen zu haben und untenherum wie ein Kind auszusehen. Der Körper soll lieber reifer wirken.