Eine Palette mit Nudel-Fertiggerichten, die unter Verdacht stehen mit Pferdefleisch verunreinigt zu sein, stehen am 19. Februar in Neuss (Nordrhein-Westfalen) im Kühlhaus Düsseldorf. Foto: dpa

Die deutschen Behörden entdecken immer mehr undeklariertes Pferdefleisch in Lebensmitteln. Unterdessen wies Rewe Kritik an mangelnden Qualitätskontrollen der Branche zurück. Neue Internetseite bündelt Informationen der Gesundheitsbehörden.

Berlin - Bei der Fahndung nach heimlich untergemischtem Pferdefleisch in Lebensmitteln sind die deutschen Behörden inzwischen in 40 Fällen fündig geworden. Insgesamt wurden mittlerweile 533 amtliche DNA-Analysen bei verschiedenen Fertigprodukten genommen, wie das Bundesverbraucherministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte.

Bei den positiven Proben wurden jeweils Pferdefleisch-Anteile von mehr als einem Prozent festgestellt, so dass nicht nur von zufälligen Spuren, sondern von einer bewussten Beimischung gesprochen werden müsse. Weitere 18 Untersuchungen von frischem Pferdefleisch auf Rückstände von Tierarzneimitteln seien negativ ausgefallen. Eine neue Internetseite bündelt die Informationen der Gesundheitsbehörden.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt unterdessen gegen das niedersächsische Fleischunternehmen Schypke. Es bestehe der Verdacht, dass in dem Betrieb Pferdefleisch verarbeitet worden sei, sagte eine Sprecherin. Dies könne ein Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz darstellen. "Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, wir produzieren weiter", sagte Schypke-Vertriebschef Manfred Diekmann der Nachrichtenagentur dpa.

Rewe weist Kritik an mangelnden Qualitätskontrollen zurück

Laut Bundesverbraucherministerium wurden in den amtlichen Proben jeweils mehr als ein Prozent Pferdefleisch festgestellt. Daher müsse nicht nur von Spuren, sondern von einer Beimischung gesprochen werden. Weitere 18 Untersuchungen von Pferdefleisch auf Rückstände von Tierarzneimitteln seien negativ ausgefallen.

Aigner betonte die Verantwortung des Handels für die Qualität der Produkte. "Jeder Pizzabäcker weiß, welche Zutaten er verarbeitet. Auch große Handelskonzerne, die unsere ganze Republik beliefern, müssen jederzeit wissen, was drin ist in ihren Produkten und woher es kommt", sagte Aigner der "Bild"-Zeitung (Mittwoch).

Rewe wies Kritik an mangelnden Qualitätskontrollen der Branche zurück. "Die Unternehmen des Handels machen heute schon hundertfach mehr eigene Kontrollen als die Lebensmittelbehörden", sagte Rewe-Vorstand Manfred Esser der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch).

Der Handel habe erhebliche wirtschaftliche Schäden und Rufschaden infolge von Betrugsfällen. "Wir hatten Rindfleisch bestellt und dafür bezahlt, und nun haben wir in einzelnen Fällen Pferdefleisch in den Regalen." Esser nannte es erschreckend, dass "beinahe reflexartig" mit Schuldzuweisungen an den Handel reagiert werde, bevor die Politik alle Möglichkeiten der Aufklärung ausgeschöpft habe.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses, Hans- Michael Goldmann (FDP), nannte es überlegenswert, dass die Wirtschaft einen Geldtopf zur Mitfinanzierung von Kontrollen einrichtet. "Es darf nicht sein, dass Betrügern durch eine schwierige Finanz- und Personalsituation in den Überwachungsbehörden ein Hintertürchen auf Kosten der Verbraucher geöffnet bleibt."

Verbraucherinformationsrecht verhindere das Nennen von Herstellern

Die SPD kritisierte, Aigners Krisenplan enthalte vor allem Prüfaufträge. Nötig seien rechtliche Schutzvorschriften für Mitarbeiter, wenn sie Lebensmittelskandale aufgedeckten, forderte die SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß. Das geltende Verbraucherinformationsrecht verhindere zudem, dass Behörden die Namen von Pferdefleischprodukten und Herstellern nennen dürften.

Die Grünen-Abgeordnete Nicole Maisch forderte Aigner auf, konkrete Regelungen zum Abschöpfen unrechtmäßiger Gewinne bei Lebensmittelverstößen vorzulegen.

Sodexo, einer der großen Hersteller von Schulkantinenessen in Deutschland, gab der Politik eine Mitschuld am Pferdefleisch-Skandal. "Der Gesetzgeber hat im Grunde eine Gesetzeslücke geschaffen, weil die Rückverfolgbarkeit für komplexe Produkte wie Tiefkühlpizzen oder auch die jetzt betroffene Lasagne tatsächlich nicht möglich ist", sagte Sodexo-Chefin Adrienne Axler der "Welt" (Mittwoch). "Für uns wäre es sehr hilfreich, wenn es hier seitens der Politik präzisere Vorgaben gäbe. Man muss uns auch die Mittel an die Hand geben, damit wir unserer Verantwortung gerecht werden können."

Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé hatte nicht deklarierte Anteile von Pferdefleisch in seinen Produkten entdeckt und die Firma Schypke als Zulieferer genannt. Zu den Ermittlungen der Justiz sagte der Schypke-Vertriebschef, die Firma tue alles in ihren Kräften stehende, um in der Lieferkette die Verantwortlichen für falsch deklarierte Ware zu ermitteln.

Bundesweite Übersicht für Verbraucher im Internet

In den vergangenen Tagen war in immer mehr Gerichten wie Lasagne, Tortelloni oder Gulasch undeklariertes Pferdefleisch entdeckt worden. Supermärkte nahmen Gerichte aus den Regalen, die Behörden in Europa verschärften die Kontrollen. In den verschiedenen Fällen geht es laut Bundesverbraucherministerium unter anderem um Fleischzulieferer aus Deutschland, Polen, Rumänien und Frankreich. Neben Fertigmahlzeiten und Schlachtbetrieben werden in Deutschland auch Großküchen untersucht.

Eine bundesweite Übersicht für Verbraucher über die Erkenntnisse der Bundesländer kann inzwischen unter der Internet-Adresse www.pferdefleisch-rueckrufe.de abgerufen werden. Wie das Bundesministerium mitteilte, können Kunden betroffene Waren nach Auskunft des Handels zurückbringen und erhalten das Geld zurück. Informationen sind auch über die Service-Telefonnummer 0228/ 24 25 26 27 (montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr) des Ministeriums erhältlich.

Auch in Tschechien fanden die Behörden nicht deklariertes Pferdefleisch. DNA-Analysen hätten Pferdefleisch in zwei Chargen einer Tiefkühl-Lasagne nachgewiesen, teilte die nationale Lebensmittelaufsicht SZPI in Brünn (Brno) am Mittwoch mit.