Will auch künftig bei der Besetzung von Stellen Spielraum haben: Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD). Foto: Leif Piechowski

Ein Gericht hat die Auswahl der Polizeipräsidenten für rechtswidrig erklärt. Ist die Polizei damit führungslos? Ein Gespräch mit Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall.

Ein Gericht hat die Auswahl der Polizeipräsidenten für rechtswidrig erklärt. Ist die Polizei damit führungslos? Ein Gespräch mit Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall.
Stuttgart - Herr Gall, vor einer Woche hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe Ihre Polizeireform an einer empfindlichen Stelle getroffen und die Berufung der Führungskräfte in den Präsidien gestoppt. Wie sehr hat sich der Rauch des Urteils mittlerweile verzogen, wie klar sehen Sie nun die Lage?
Der Rauch hat sich zwar etwas gelichtet, aber noch nicht völlig verzogen. Unsere Juristen haben den Beschluss des Gerichts in den vergangenen Tagen intensiv geprüft. Es gibt zwei Wege: Wir können einerseits den Beschluss akzeptieren und die vom Gericht festgestellten Mängel beseitigen. Oder wir legen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein.
Zu welcher Lösung tendieren Sie?
Entsprechend der einstweiligen Anordnung müssen wir uns bis Ende Januar entscheiden, wir haben also noch ein paar Tage Zeit. Denn es muss unser Ziel sein, im intensiven Gespräch innerhalb der Landesverwaltung die Frage zu klären, wie derartige Personalentscheidungen künftig grundsätzlich zu fällen sind und wir damit zu einem Verfahren kommen, das wasserdicht ist.
Das heißt, Sie waren überrascht von der Entscheidung des Gerichts?
Aber natürlich. Wir sind so vorgegangen, wie das Land seit Jahrzehnten bei leitenden Beamten der obersten Landesbehörden und der diesen unmittelbar nachgeordneten Behörden vorgegangen ist. Im konkreten Fall heißt das: Wir waren und sind der festen Überzeugung, dass wir die neuen Polizeipräsidenten und ihre Stellvertreter nach Kriterien wie Befähigung, Eignung und Leistung ausgewählt haben. Nun sagt uns aber das Gericht, dass diese Entscheidungen nicht ausreichend nachvollziehbar waren. Daraus müssen wir lernen.
Was könnte das für die Zukunft bedeuten?
Wir brauchen einerseits standardisierte Regelungen, damit künftig nicht jede Personalie am seidenen Faden hängt. Wir brauchen andererseits aber auch Verfahren und Vergabekriterien, die uns Spielräume eröffnen. Ich möchte nicht, dass künftig immer ein Gericht entscheidet, wer welchen Posten bekommt. Es muss doch noch möglich sein, dass erfahrene, bewährte Kräfte, also die Besten zum Zug kommen und nicht nur politische Beamte eine Aufgabe in Spitzenämtern erhalten.
Nun ja, bei Ihren Entscheidungen für die Polizeipräsidenten und deren Stellvertreter haben Sie sich auch nicht gerade Kritiker Ihrer Reform ins Boot geholt.
Sind wir doch mal ehrlich: In den vergangenen Jahrzehnten ist mancher Posten in dieser Landesverwaltung nicht allein nach fachlichen Kriterien, sondern auch vor dem Hintergrund von persönlichen Kontakten und des richtigen Parteibuchs besetzt worden. Im Zusammenhang mit der Polizeireform sage ich aber ganz klar: Ich habe keinen Kandidaten wegen eines Parteibuchs ausgesondert, sondern bin streng danach vorgegangen, wer die nötigen Voraussetzungen für eine solche Führungsaufgabe bei der Polizei mitbringt und wer sich bei der zweijährigen Vorbereitung der Reform herausragend bewährt hat.
Das hat dem Gericht aber offenbar nicht gereicht.
Sie können mir glauben, dass mich das auch persönlich ärgert, weil ich nicht nur vom Sinn der Polizeireform, sondern auch von unseren Personalentscheidungen überzeugt bin und ich mit der Entscheidung des Gerichts nicht gerechnet habe.
Was war Ihr Fehler?
Wir haben wahrscheinlich unterschätzt, dass man bei der Fülle von solchen Stellenbesetzungen noch transparenter hätte vorgehen müssen. Ich warne aber davor, dass man im Umkehrschluss nun meint, das gesamte System auf den Kopf zu stellen. Ob man immer nur die Besten bekommt, wenn künftig jede Stelle ausgeschrieben wird, möchte ich bezweifeln.
Wie geht es denn nun eigentlich konkret weiter: Müssen die zwölf Präsidenten der Polizeipräsidien sowie ihre Stellvertreter ab dem 1. Februar fürchten, in die Registratur versetzt zu werden?
Aber nein. Wir werden möglicherweise an der einen oder anderen Stelle die Entscheidung nochmals überprüfen. Aber wir haben uns doch nicht 24-mal vertan. Es ist vielmehr mein Ziel, dass wir zum 1. Februar die meisten Posten vorläufig besetzen, bis die ganze Sache in einigen Monaten mit dem Gericht endgültig geklärt ist.
Für Ihre Reform bleibt der Vorgang aber ein Makel und verunsichert die Polizei.
Natürlich hätte ich mir das anders gewünscht. Aber wer jetzt behauptet, Baden-Württemberg habe deshalb ein Sicherheitsproblem, der verbreitet wissentlich die Unwahrheit. Es herrscht kein Chaos, der Maschinenraum der Polizei funktioniert. Die gesamte Reform ist in der Nacht zum 1. Januar reibungslos gestartet. Forderungen wie von der Landtags-CDU, man müsse die Reform stoppen, sind deshalb völlig abwegig. Ich kann doch nicht ein Gesetz rückgängig machen und die Leute in ihre alten Büros oder auf die frühere Dienststelle zurückschicken, wo längst jemand anders sitzt. Wie stellen die sich das eigentlich vor.